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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

M1 und M2 flüchten nach einem versuchten gemeinschaftlichen Diebstahl. Da M1 den hinter ihm laufenden M2 für einen Verfolger hält, schießt er mit Tötungsvorsatz auf ihn. Er trifft M2 in den Oberarm. Vorher hatten M1 und M2 verabredet, notfalls Verfolger zu erschießen, um ihre Entdeckung zu verhindern.

Einordnung des Falls

Verfolger-Fall

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 8 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. M1 und M2 haben sich wegen versuchten Diebstahls mit Waffen in Mittäterschaft nach §§ 242, 244 Abs. 1 Nr. 1a, 25 Abs. 2, 22, 23 Abs. 1 StGB strafbar gemacht (1. Tatkomplex).

Ja, in der Tat!

Ausweislich des Sachverhalts liegt ein versuchter gemeinschaftlicher Diebstahl vor (§§ 242, 25 Abs. 2, 22, 23 Abs. 1 StGB). M1 und M2 hatten zuvor verabredet, notfalls etwaige Verfolger zu erschießen. Deshalb muss ihnen bewusst gewesen sein, dass sie Waffen bei sich führten (§ 244 Abs. 1 Nr. 1a Var. 1 StGB). Somit sind M1 und M2 strafbar wegen versuchten Diebstahls mit Waffen in Mittäterschaft (§§ 242, 244 Abs. 1 Nr. 1a, 25 Abs. 2, 22, 23 Abs. 1 StGB). Insbesondere sind keine Anhaltspunkte für einen Rücktritt ersichtlich (§ 24 Abs. 2 StGB).

2. M1 hat sich wegen versuchten Totschlags nach §§ 212 Abs. 1, 22, 23 Abs. 1 StGB strafbar gemacht, indem er auf M2 schoss (2. Tatkomplex).

Ja!

M2 hat überlebt. Der Versuch des Totschlags ist strafbar. M1 müsste Tatentschluss besessen haben. Er hatte Tötungsvorsatz, dachte aber, auf einen Verfolger - und nicht auf M2 - zu schießen. Da sein Vorsatz sich bei der Schussabgabe bereits auf das getroffene Ziel konkretisiert hatte, ist die Zielverfehlung Ausfluss einer Identitätsverwechslung. Ein solcher error in persona lässt bei Gleichwertigkeit der Objekte den Vorsatz nicht entfallen. Mithin ist der vorliegende Irrtum unbeachtlich. M1 besaß Tatentschluss. In der Schussabgabe ist das unmittelbare Ansetzen zu sehen. M1 handelte rechtswidrig und schuldhaft. Er ist strafbar wegen versuchten Totschlags.

3. M1 hat sich wegen versuchten Mordes nach §§ 211, 22, 23 Abs. 1 StGB strafbar gemacht, indem er auf M2 schoss (2. Tatkomplex).

Genau, so ist das!

Die Tat könnte sich als Mordversuch darstellen. In Betracht kommt das subjektive Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht. Hierfür ist erforderlich, dass es dem Täter darauf ankommt, durch die Tötung entweder die Aufdeckung der Vortat in einem die Strafverfolgung sicherstellenden Umfang oder die Aufdeckung seiner Täterschaft zu verbergen.M1 schoss auf den vermeintlichen Verfolger, um unerkannt zu entkommen, um also seine Identifizierung als Mittäter des versuchten Diebstahls mit Waffen zu verhindern. Damit stellt sich die Tat als Mordversuch dar.Aus Klarstellungsgründen steht § 224 Abs. 1 Nr. 2, 5 StGB zum Mordversuch in Tateinheit (§ 52 StGB).

4. M2 hat sich wegen gemeinschaftlichen Mordversuchs (§§ 211, 25 Abs. 2, 22, 23 Abs. 1 StGB) an sich selbst strafbar gemacht, wenn ihm der Schuss des M1 zugerechnet werden kann (2. Tatkomplex).

Ja, in der Tat!

Dann müsste M2 Tatentschluss besessen haben, also Vorsatz bezüglich der gemeinschaftlichen Tötung eines Menschen. Dafür müssten die Voraussetzungen der Mittäterschaft vorliegen.Diese setzt eine gemeinsame Tatausführung mit wesentlichen Tatbeiträgen sowie einen Entschluss zur gemeinsamen, arbeitsteilig auf vergleichbarer Augenhöhe begangenen Tat voraus.Da M1 und M2 vorher verabredet hatten, notfalls Verfolger zu erschießen, liegt ein gemeinsamer Tatplan vor. Dieser war im Zeitpunkt der Tatbegehung auch nicht aufgehoben worden. Auch hatte er Verdeckungsabsicht. Fraglich ist indes, ob M2 nach dem Tatplan die Stellung eines Mittäters innehaben sollte.

5. Auf Grundlage der Tatherrschaftslehre und der gemäßigt subjektiven Theorie hatte M2 Tatentschluss zu der Tötung eines anderen Menschen in Mittäterschaft.

Ja!

Nach der materiell-objektiven Theorie setzt Täterschaft die Tatherrschaft voraus, also das steuernde In-den-Händen-halten des Geschehens, so dass der Beteiligte die Tatbestandserfüllung fördern, hemmen oder unterbinden kann.Der Tatplan sah vor, dass möglicherweise nur einer schießen würde, um die Flucht beider zu garantieren. Insofern lässt sich unter dem Gesichtspunkt des alternativen Zusammenwirkens die Tatherrschaft bejahen. Nach der gemäßigt subjektiven Theorie folgt schon aus der Tatherrschaft ein Indiz für den Täterwillen des M2. Bestätigt wird dies durch sein persönliches Interesse, einer drohenden Festnahme zu entgehen (a.A. vertretbar).

6. Nach dem BGH und der h.L. ist der error in persona eines Mittäters grundsätzlich auch für den anderen Mittäter unbeachtlich.

Genau, so ist das!

M1 hat aufgrund einer Personenverwechslung nicht auf einen Verfolger, sondern auf M2 geschossen. Fraglich ist, ob diese Handlung noch vom gemeinsamen Tatplan umfasst war. Selbst wenn man mit der h.M. annimmt, dass der error in persona eines Mittäters auch für die übrigen Mittäter grundsätzlich unbeachtlich ist, ergibt sich hier die Besonderheit, dass das angegriffene Rechtsgut dem M2 selbst gehört. Dieses ist ihm gegenüber jedoch nicht geschützt, so dass M2 sein Leben nicht in strafbarer Weise angreifen kann. Deshalb wird im Schrifttum vielfach die Ansicht vertreten, dass niemand Täter eines Mordversuchs an sich selbst sein könne. Der Schuss sei daher für M2 ein Exzess.

7. Nach Ansicht des BGH und Teilen der Lit. ist der error in persona eines Mittäters selbst dann für den anderen Mittäter unbeachtlich, wenn er selbst Opfer der Tat geworden ist.

Ja, in der Tat!

Nach dem BGH kommt es darauf an, dass der im gemeinsamen Tatplan enthaltene Mordvorsatz des M2 sich durch die ihm zuzurechnende Tatausführung durch M1 an einem „anderen" auswirken sollte. M1 hat sich subjektiv im Rahmen des gemeinsamen Tatplans gehalten. Insofern sei sein Handeln auch kein Exzess. Da in §§ 212, 211 nur die Tötung eines anderen Menschen unter Strafe gestellt ist, handele es sich bloß um einen untauglichen Versuch. Einer Strafbarkeit stehe also nicht entgegen, dass das Rechtsgut des eigenen Lebens gegenüber dem Täter selbst nicht geschützt ist. Denn beim untauglichen Versuch stelle die Verletzung der Rechtsordnung an sich bereits eine Gefahr dar.

8. Auf Grundlage der herrschenden Gesamtlösung hat M2 unmittelbar zur Tat angesetzt.

Ja!

Nach der Gesamtlösung treten alle Mittäter in das Versuchsstadium ein, sobald einer von ihnen zur Tatbegehung unmittelbar ansetzt. Das gelte unabhängig davon, ob einzelne ihren Tatbeitrag schon im Vorbereitungsstadium erbracht haben oder ihn nach dem Tatplan erst im letzten Stadium der Deliktsverwirklichung erbringen sollen.Somit hat auch M2 - mit dem unmittelbaren Ansetzen des M1 - das Versuchsstadium erreicht. Rechtswidrigkeit und Schuld sind gegeben. Da auch kein Rücktritt vorliegt, ist er strafbar wegen Mordversuchs in Mittäterschaft. Die versuchte gefährliche Körperverletzung in Mittäterschaft tritt dahinter zurück.

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