Zivilrecht

BGB Allgemeiner Teil

AGB

Möglichkeit der Kenntnisnahme bei Vertragsschluss am Telefon? (§ 305 Abs. 2 BGB Nr. 2 BGB )

Möglichkeit der Kenntnisnahme bei Vertragsschluss am Telefon? (§ 305 Abs. 2 BGB Nr. 2 BGB )

4. Juli 2025

12 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Haushälter H kauft bei Verkäuferin V den neuen Staubsaugeroboter VannyVac per Telefon. Beim telefonischen Vertragsschluss weist V den H daraufhin, dass die AGB der V gelten. H erklärt sich damit einverstanden und bestellt VannyVac freudestrahlend am Telefon.

Diesen Fall lösen 0,0 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

Einordnung des Falls

Möglichkeit der Kenntnisnahme bei Vertragsschluss am Telefon? (§ 305 Abs. 2 BGB Nr. 2 BGB )

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. V hat den H ausdrücklich auf die Geltung der AGB hingewiesen (§ 305 Abs. 2 Nr. 1 BGB).

Ja!

Der Verwender muss den Vertragspartner ausdrücklich auf die AGB bei Vertragsschluss hinweisen (§ 305 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Solange der Hinweis ausdrücklich ist, ist es gleichgültig ob dieser schriftlich, mündlich, telefonisch oder elektronisch erfolgt. V hat den H mit dem telefonischen Hinweis ausdrücklich auf die AGB hingewiesen.
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2. V hat dem H die Möglichkeit verschafft, in zumutbarer Weise von dem Inhalt der AGB Kenntnis zu nehmen (§ 305 Abs. 2 Nr. 2 BGB).

Nein, das ist nicht der Fall!

Das Erfordernis der möglichen Kenntnisnahme muss auch bei telefonischen Verträgen eingehalten werden. Dies wäre durch das Vorlesen der AGB für den Kunden, die Bezugnahme auf zuvor ausgehändigte AGB oder nach weit verstandender Möglichkeit auch durch die Bezugnahme auf online abrufbare AGB möglich. H hatte keine Möglichkeit der Kenntnisnahme der AGB, da ihm diese weder vorgelesen, noch ausgehändigt wurden und auch nicht abrufbar für ihn waren.

3. Nach h.M. hat H mit seinem Verhalten nach dem Hinweis der V konkludent auf die Möglichkeit der Kenntnisnahme der AGB verzichtet, sodass diese trotz fehlender Kenntnisnahmemöglichkeit Vertragsbestandteil wurden.

Ja, in der Tat!

Nach herrschender Meinung ist die Vorschrift des § 305 Abs. 2 Nr. 2 dispositiv zu verstehen, sodass beispielsweise bei telefonischen Vertragsschlüssen auf die Möglichkeit der Kenntnisnahme verzichtet werden kann. Dafür sprechen vor allem Praktikabilitätserwägungen, da § 305 Abs. 2 Nr. 2 BGB sonst einen fernmündlichen Vertrag mit AGB praktisch unmöglich machen würden. Zudem sei die Vertragspartei durch § 305c Abs. 1 BGB hinreichend geschützt. Nach anderer Ansicht kann auf die Vorschrift nicht verzichtet werden, da es sich um zwingendes Recht handelt. Nach h.M. hat H beim telefonischen Vertragsschluss durch schlüssiges Verhalten zum Ausdruck gebracht, dass er auf die Möglichkeit der Kenntnisnahme der AGB verzichtet. Die AGB wurden daher trotz fehlender Kenntnisnahmemöglichkeit des H Vertragsbestandteil. Nach a.A. sind die AGB wegen fehlender Kenntnisverschaffung nicht Vertragsbestandteil geworden.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

ROBB

Robb

19.5.2021, 09:11:01

Könnte nicht analog zum vorherigen Fall mit dem Waschautomat ein Hinweis auf die Fundstelle der AGB ausreichen?

frausummer

frausummer

20.5.2021, 09:52:30

Das wurde bei einer Frage im Erklärtext erläutert: der Hinweis auf eine Onlinequelle zB reicht demnach aus

ROBB

Robb

20.5.2021, 09:54:01

Darauf will ich hinaus. Demnach wäre das Vorlesen überflüssig, ein Satz wie "unsere AGB finden Sie auf unserer Webseite abc-gmbh.de" sollte reichen.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

20.5.2021, 13:34:56

Hallo Robb, das Vorlesen wurde von uns in der Tat nur als Möglichkeit mit aufgenommen und wäre bei längeren AGB sicher ziemlich unpraktikabel. Insoweit verweist der Antworttext darauf, dass nach der weiteren Auffassung auch der Verweis auf online abrufbare AGB ebenfalls genügen könne (also wie von Dir präferiert). Da vorliegend die AGB aber weder vorgelesen noch ein Hinweis darauf erteilt wurde, dass diese online abrufbar sind, fehlt es hieran gerade. Es wurde lediglich mitgeteilt, dass AGB existieren. Ohne Hinweis darauf, wie man an diese gelangt oder was darin steht, genügt das aber nicht. Wird es dadurch etwas klarer? Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Blackpanther

Blackpanther

29.4.2022, 19:43:57

Das Argument der hM, dass die zwingende Anwendung von § 305 II Nr. 2 BGB die Einbeziehung von AGB bei telefonisch geschlossenen Verträgen praktisch unmöglich mache, ist nicht haltbar, wenn ein Hinweis bspw. auf die AGB auf der Homepage des Verwenders ausreicht.

IS

IsiRider

12.6.2022, 12:56:39

Läuft der Verweis auf die Homepage nicht dem Verbraucherschutz zu wider? Per Mail zuschicken fände ich praktikabler.

frausummer

frausummer

20.5.2021, 09:50:38

Finde es immer wieder sehr cool, wenn ihr bei den Fällen von Geschlechterstereotypen abweicht! :)

VI

Vivii

28.3.2024, 14:56:57

Hier wäre es toll, die Argumente der jeweiligen Meinung noch kurz zu erläutern :)

ÖA

ÖA

25.6.2024, 18:28:47

Fände ich auch generell ganz gut. Also das bei jeder Aufgabe, bei denen verschiedene Meinungen existieren, auch Argumente für die jeweilige Meinung zu nennen. Kurze Stichpunkte reichen ja normalerweise aus.

WAL

Waltrop

22.12.2024, 23:44:47

Möchte mich da gerne anschließen.

sy

sy

1.3.2025, 16:30:16

ebenso, schließe mich an :)

DI

Dini2010

20.5.2025, 13:26:21

Ich zitiere mal aus einigen Kommentaren/Literatur, vielleicht hilft es dem ein oder anderen : ) Schmidt: EInbeziehung von AGB im Verbraucherverkehr, NJW 2011, 1633 "Meinungsstand: Eine Linie geht dahin, den Vertragsschluss resp. seine endgültige Wirksamkeit hinauszuschieben, sei es, dass die Anfrage des Kunden als

invitatio ad offerendum

gewertet wird, die zu einem (schriftlichen) Angebot des Verwenders unter Verweis und Vorlage seiner AGB führt, sei es, dass die Versendung der AGB unverzüglich nach dem telefonischen Vertragsabschluss als ausreichend und bis zum Zugang der AGB die Einbeziehungsvereinbarung als schwebend unwirksam angesehen wird. Überwiegend wird ein Verzicht des Kunden auf die Kenntnisverschaffungs

obliegenheit

schon im Zeitpunkt des telefonischen Vertragsabschlusses angenommen, wenn der Verwender oder sein

Erfüllungsgehilfe

im Telefonat auf die AGB hinweist und deren Übersendung anbietet, der Kunde dieses Angebot aber nicht annimmt. Stellungnahme: Da die Parteien in der Regel die Vorstellung haben, den Vertrag tatsächlich bereits im Telefonat abgeschlossen zu haben, scheint die Annahme eines hinausgeschobenen Wirksamkeitszeitpunkts, und sei es nur in Hinsicht auf die Einbeziehungsvereinbarung, dem Willen der Parteien Gewalt anzutun. Auch sollte man gerade mit fingierten und letztlich zum Vertragsabschluss führenden Verbrauchererklärungen zurückhaltend umgehen. Andererseits muss man aber sehen, dass die Einbeziehungsvoraussetzungen vom Willen des Gesetzgebers her nicht zu einem übertriebenen Hindernis im Rahmen des Massengeschäfts unter

Verwendung

von AGB werden sollten. Weiter ist zu berücksichtigen, dass die Einbeziehungshürden als Ausdruck formaler Transparenz nur einen Teil der AGB-rechtlichen Schutzvorschriften darstellen, der durch die negative Einbeziehungskontrolle ebenso ergänzt wird wie durch die

Inhaltskontrolle

." Von daher scheint es gerechtfertigt, hier den von der überwiegenden Ansicht befürworteten Kompromiss zu machen und einen Verzicht auf die Kenntnisverschaffung schon im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses für möglich zu halten, freilich unter der Voraussetzung, dass die AGB dann aber unverzüglich nachgereicht werden." MüKo BGB, § 305 Rn. 75: "Den Ausweg aus den Schwierigkeiten, die sich bei telefonischen Vertragsabschlüssen aus dem Erfordernis ergeben, dass dem Kunden bei Vertragsabschluss eine Möglichkeit zur Kenntnisnahme von den AGB verschafft werden muss, sieht die hM darin, dass sie § 305 Abs. 2 Nr. 2 zu einer dispositiven Vorschrift erklärt: Habe der Verwender gemäß § 305 Abs. 2 Nr. 1 am Telefon auf seine AGB hingewiesen und habe der Kunde sodann gleichwohl geschwiegen (insbesondere: keinen Wunsch nach Übermittlung der AGB geäußert), so habe er damit

konkludent

und im Wege der Individualvereinbarung auf die Verschaffung einer Möglichkeit zur Kenntnisnahme von den AGB verzichtet. Das ist sicherlich kühn, aber doch wohl vernünftig. Bei eklatanten Fehlleistungen des Gesetzgebers müssen auch unorthodoxe Remeduren erlaubt sein." Hingegen AG Krefeld, U.v. 1.4.1996 in NJW-RR 1997, 245: "Die in der Literatur vertretene Ansicht, bei telefonischer Buchung könne ein Kunde auf die Möglichkeit der Kenntnisnahme durch

Individualabrede

sogar stillschweigend verzichten (Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG, 7. Aufl. (1993), § 2 Rdnr. 49; Wolf/Horn/Lindacher, AGBG, 3. Aufl. (1994), § 2 Rdnr. 26), ist abzulehnen. Eine solche Annahme würde dazu führen, daß § 2 AGBG, der zwingend und unabdingbar strenge Voraussetzungen für die wirksame Geltung von AGB vorschreibt, entgegen der gesetzlichen Vorstellung doch der Disposition der Parteien unterläge." Wie gesagt, vielleicht hilft es jemandem : )


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