§ 305 Abs. 2 BGB Nr. 2 BGB Möglichkeit der Kenntnisnahme – Die AGB müssen mühelos lesbar sein; dieser Anforderung werden AGB mit einer Schriftgröße und einem Zeilenabstand von jeweils ca. 1 mm nicht gerecht.


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H schließt mit Möbelgeschäft M einen Vertrag über eine Gartenliege. Eine Mitarbeiterin des M legt H ein vorgedrucktes Vertragsformular vor, das die AGB von M mit einer Schriftgröße und einem Zeilenabstand von 1mm im Vertragstext enthält. H kann diese trotz guter Augen nur mühsam entziffern.

Einordnung des Falls

§ 305 Abs. 2 BGB Nr. 2 BGB Möglichkeit der Kenntnisnahme – Die AGB müssen mühelos lesbar sein; dieser Anforderung werden AGB mit einer Schriftgröße und einem Zeilenabstand von jeweils ca. 1 mm nicht gerecht.

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. M hat den H mit dem Vertrag ausdrücklich auf die Geltung der AGB hingewiesen (§ 305 Abs. 2 Nr. 1 BGB).

Genau, so ist das!

Bei einem schriftlichen Vertragsschluss muss der Hinweis so im Vertragstext enthalten sein, dass er von einem Durchschnittskunden auch bei flüchtiger Betrachtung nicht übersehen wird. Die Hinweispflicht ist aber nur sinnvoll, wenn die AGB einen gesonderten Text bilden. Sind diese hingegen unmittelbarer Bestandteil des Vertragstexts selbst, erübrigt sich ein Hinweis, da der Vertragspartner nicht Gefahr läuft, diese zu übersehen. Da die AGB des M unmittelbarer Bestandteil des Vertragstextes sind, hat M den H bereits mit dem Vertrag ausdrücklich auf diese hingewiesen.

2. M hat H die Möglichkeit verschafft, von den AGB in zumutbarer Weise Kenntnis zu nehmen.

Nein, das trifft nicht zu!

Die Kenntnisnahme der AGB soll dem Vertragspartner die Gelegenheit geben, sich bei Vertragsschluss mit den AGB vertraut zu machen, damit er die Rechtsfolgen und Risiken eines Vertragsschlusses abschätzen kann. Dafür müssen die AGB insbesondere mühelos leserlich und verständlich sein. Da die AGB des M eine Schriftgröße und Zeilenabstand von 1mm aufweisen, sind diese von H nur mit Mühe zu entziffern und so nicht mühelos leserlich.

3. Da H die AGB dank seiner guten Augen noch mit Mühe entziffern kann, werden diese dennoch wirksam einbezogen.

Nein!

Der Verwender muss der anderen Vertragspartei neben dem Hinweis die Möglichkeit zur Kenntnisnahme der AGB in zumutbarer Weise verschaffen. Irrelevant für die Einbeziehung ist, ob die Vertragspartei die AGB tatsächlich liest. Dass H die AGB dank seiner guten Augen entziffern kann, ändert nichts daran, dass diese mangels zumutbarer Kenntnisnahmemöglichkeit aufgrund der kleinen Schrift nicht in den Vertrag einbezogen worden sind.

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QUIG

QuiGonTim

14.7.2022, 00:47:48

Dem Ergebnis stimme ich zu. Ich würde es jedoch eher damit begründen, dass sich die zumutbare Möglichkeit der Kenntnisnahme am durchschnittlichen Vertragspartner orientiert. M durfte nicht erwarten, dass H besonders gute Augen hat.

Nora Mommsen

Nora Mommsen

23.7.2022, 16:03:03

Hallo QuiGonTim, sehen wir genauso! Deswegen haben wir in der Subsumtion zur letzten Frage auch geschrieben, dass es nicht auf die tatsächliche Kenntnisnahme durch H ankommt da es an der zumutbaren Möglichkeit zur Kenntnisnahme scheitert. Siehst du das anders? Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

SAND

Sandra

5.1.2024, 10:12:33

Liebes Jurafuchs-Team, habe ich es richtig verstanden: Für die Frage der Einbeziehung von AGB kommt es nur auf den Hinweis und die entsprechende Möglichkeit der Kenntnisnahme an, unabhängig von der tatsächlichen Kenntnisnahme? Im Beispiel, wo die AGB nur auf der Rückseite abgedruckt waren, ohne einen entsprechenden Hinweis auf der Vorderseite, werden die AGB also nicht wirksam mit einbezogen, auch wenn ich die auf der Rückseite abgedruckten AGB tatsächlich zur Kenntnis nehme? :)

Gerrit

Gerrit

5.1.2024, 11:18:14

Die tatsächliche Kenntnisnahme ist unwichtig. In §305 II Nr. 1 BGB steht das die AGB erst Bestandteil eines Vertrages werden sofern die andere Vertragspartei ausdrücklich darauf hingewiesen wird. Sofern nicht darauf hingewiesen wird, werden die nicht wirksam einbezogen. Der Hinweis muss auch nicht unbedingt schriftlich sein und kann auch mündlich erfolgen. Somit wären auf der Rückseite gedruckte AGB wirksam einbezogen ohne ausdrücklichen Hinweis auf der Seite. Ohne den Hinweis der Anwendung würden die AGB ja nur frei im Raum stehen, ohne das eine entsprechende Verbindung mit dem Vertrag geschaffen wird.


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