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Klassisches Klausurproblem

T schlägt den O am Bahnhof brutal zusammen. O fällt bewusstlos und stark blutend in das Gleisbett. T erkennt, dass er vom nächsten Zug überfahren wird, unternimmt jedoch nichts. T fürchtet, dass O ihn anzeigen würde. 20 Minuten später wird O tödlich von einem Zug erfasst.

Einordnung des Falls

Verdeckungsmord durch Unterlassen

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Hat T den O nach heutiger Rechtsprechung in „Verdeckungsabsicht“ getötet (§§ 211 Abs. 2 Gr. 3 Var. 2, 13 Abs. 1 StGB)?

Genau, so ist das!

Mit Verdeckungsabsicht tötet, wem es darauf ankommt, durch die Tötung entweder die Aufdeckung der Vortat in einem die Strafverfolgung sicherstellenden Umfang oder die Aufdeckung seiner Täterschaft zu verbergen. Nach heutiger Rspr. kann der Täter auch in Unterlassungsfällen grundsätzlich das Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht erfüllen. Es finde sich keine Stütze im Gesetz für eine Unanwendbarkeit des Mordmerkmals in Unterlassungskonstellationen. T hat keinerlei Rettungsmaßnahmen vorgenommen, um unentdeckt zu bleiben und somit zur Verdeckung der vorausgehenden Straftaten (Körperverletzungsdelikte) seine Handlungspflicht verletzt. Früher hat der BGH vertreten, dass sich Unterlassen und Verdeckungsabsicht gegenseitig ausschließen.

2. Sofern man mit einem Teil der Literatur annimmt, dass beim Verdeckungsmord das Unterlassen einem aktiven Tun entsprechen muss, ist der Verdeckungsmord abzulehnen.

Nein, das trifft nicht zu!

Ein Teil der Literatur (Eser/Sternberg-Lieben; Saliger) differenziert mit Verweis auf die „Entsprechungsklausel“ (§ 13 Abs. 1 StGB): (1) Sofern das auf die Verdeckung zielende Verhalten (zB Flucht) lediglich die Entdeckung durch Dritte verhindern solle, gehe damit kein gesondertes Risiko für das Opfer einher. Ein Verdeckungsmord durch Unterlassen scheide hier aus. (2) Soweit dagegen gerade der Tod des Opfers als Mittel zur Verdeckung der Straftat dienen soll, sei die Tötung durch Unterlassen nicht anders zu bewerten als eine Tötung durch aktives Tun.T befürchtet, dass O ihn anzeigen würde. Ihm geht es also gerade darum, dass O stirbt, um die Anzeige zu verhindern. Auch wenn man also verlangt, dass das Unterlassen einem Tun entsprechen muss, wäre hier Verdeckungsmord zu bejahen.

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S3T

S3tr

11.7.2020, 17:20:50

Muss ich hier eine Garantenstellung anprüfen ?

Eigentum verpflichtet 🏔️

Eigentum verpflichtet 🏔️

11.7.2020, 18:15:16

Hallo S3tr, vielen Dank für die Frage. Genau, hier musst du eine Beschützergarantenstellung aus Ingerenz (rechtswisrigem Vorverhalten) anprüfen und bejahen. ;)

S3T

S3tr

11.7.2020, 18:33:07

Aber Unterlassen prüf ich im obj. TB

verdeckungsabsicht

im subjektiven TB ? Also wieso muss ich Absicht da nochmal mit Unterlassen vermischen? Die Absicht nicht zu handeln liegt doch vor ?

Eigentum verpflichtet 🏔️

Eigentum verpflichtet 🏔️

11.7.2020, 18:55:09

Hallo S3TR, ich verstehe nicht ganz auf was deine Frage abzielt. Im OT prüfst du alle objektiven Merkmale (Erfolg, Unterlassen, Garantenstellung, Entsprechungsklausel, objektive Zurechnung, objektive Mordmerkmale (2. Gruppe)) Im ST prüfst du den Vorsatz bzgl. aller objektiven Tatbestandsmerkmale und die Mordmerkmale der 1. und 3. Gruppe, also auch die

Verdeckungsabsicht

. Was meinst du jetzt genau damit "Absicht mit Unterlassen zu vermischen"?

S3T

S3tr

11.7.2020, 18:58:21

Hier wird der Streit gebracht, dass

Verdeckungsabsicht

und Unterlassen sich ausschließen.. aber ich sehe das Problem nicht, da beides vorliegt und wieso sollte ich im Subjj. TB das Unterlassen nochmal ansprechen. Das ist einfach nicht gut getrennt obj/subj.

Eigentum verpflichtet 🏔️

Eigentum verpflichtet 🏔️

11.7.2020, 19:08:57

Ah jetzt verstehe ich was du meinst. Unsere Lösung sieht das ja genauso wie du, das Problem ist jedoch, dass der BGH früher vertreten hat, dass durch Unterlassen kein Mord aus

Verdeckungsabsicht

möglich sei (BGH NJW 1955, 876). Damals hat er vertreten, dass ein Verdecken nur durch das Beseitigen von Tatspuren möglich sei. Das wird heute von der h.M. anders gesehen. Der Streit ist bei der

Verdeckungsabsicht

im subjektiven Tatbestand auszuführen.

Jurafuchsu

Jurafuchsu

21.2.2021, 09:50:41

Guter Fall 👌 Könntet ihr evtl. ein Schema reinstecken wie man sowas prüfen würde? Das wäre super Vielen Dank

Vulpes

Vulpes

8.3.2021, 18:22:02

Hallo lieber Jurafuchsu, der Aufbau ist auch Geschmackssache. Grundsätzlich prüft man immer das schwerste Delikt zuerst und fängt innerhalb eines Tatkomplexes mit dem Tatnächsten an (vgl. Wessels/Beulke/Satzger 50.A. 2020, RdNr. 1378ff.). Ob vorrangig das Begehungs- oder Unterlassungsdelikt zu prüfen ist kommt auch darauf an, wie du beides zueinander abgrenzt. Der BGH macht das nach der normativen Abgrenzungslehre und prüft, wo der Schwerpunkt liegt.

Vulpes

Vulpes

8.3.2021, 18:22:15

Darüber hinaus liegt hier wohl Tatmehrheit vor. Eine Aufbaumöglichkeit somit wäre wohl: Tatkomplex 1: A. Körperverletzung mit Todesfolge § 227 StGB Tatkomplex 2: A. Mord (in

Verdeckungsabsicht

) durch Unterlassen §§ 212, 211, 13 StGB Der Vorteil wäre hierbei, dass du bei der Prüfung der Ingerenz auf die Ausführungen zur Körperverletzung verweisen kannst. So bleibt alles schön übersichtlich. Deinen Aufbau musst (darfst) du aber sowie nicht begründen. =)


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