Mangel der Informationsfunktion

24. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A wird wegen Hehlerei (§ 259 Abs. 1 StGB) angeklagt. Im abstrakten Anklagesatz ist die Variante des Sich-Verschaffens genannt. Der konkrete Anklagesatz beschreibt allerdings einen Sachverhalt, der die Variante des Absetzens erfüllt. A legt Revision ein.

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Einordnung des Falls

Mangel der Informationsfunktion

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Kann die Revision auf einen Fehler der Anklageschrift gestützt werden?

Ja!

Die Revision ist begründet, wenn eine Verfahrensvoraussetzung fehlt. Eine wirksame Anklageschrift ist Verfahrensvoraussetzung. Ihr Inhalt ist in § 200 StPO geregelt. Nicht jeder Fehler der Anklageschrift ist jedoch revisibel. Man unterscheidet zwischen Fehlern hinsichtlich der Informationsfunktion und solchen der Umgrenzungsfunktion. Fehler der Informationsfunktion führen nicht zur Unwirksamkeit der Anklageschrift. Wegen des Anklagemonopols der Staatsanwaltschaft entscheidet sie darüber, welcher Lebenssachverhalt angeklagt werden soll (§ 152 StPO). Die Gerichte können nicht von Amts wegen Ermittlungen aufnehmen (vgl. § 151 StPO). Voraussetzung für eine gerichtliche Entscheidung ist also zwingend eine Anklage, die die angeklagte Tat klar umgrenzt.
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2. Da vorliegend Abstraktum und Konkretum der Anklageschrift auseinanderfallen, ist die Umgrenzungsfunktion der Anklageschrift beeinträchtigt.

Nein, das ist nicht der Fall!

Die Anklageschrift umschreibt die dem Angeklagten zur Last gelegte Tat in persönlicher und sachlicher Hinsicht (§ 200 StPO, Umgrenzungsfunktion). Person des Angeschuldigten, Ort und Zeit der Begehung sowie die Tatmodalitäten sind so genau zu bezeichnen, dass die Identität des geschichtlichen Vorgangs dargestellt und erkennbar wird, welche bestimmte Tat gemeint ist. Die Tat muss sich von anderen gleichartigen strafbaren Handlungen des Täters unterscheiden lassen. Die rechtliche Bewertung der Tat im Konkretum und die Schilderung im Abstraktum fallen auseinander. Dennoch ist der Lebenssachverhalt, der in dem Verfahren behandelt werden soll, eindeutig abzugrenzen. Die bloß falsche rechtliche Bezeichnung begründet keine Zweifel darüber, welcher geschichtliche Vorgang gemeint ist.

3. Hat das Auseinanderfallen von Abstraktum und Konkretum Einfluss auf die Informationsfunktion der Anklageschrift?

Ja, in der Tat!

Der Angeschuldigte wird durch die Anklageschrift über die ihm zur Last gelegte Tat in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht informiert. Sie muss insbesondere auch die anzuwendenden Strafvorschriften bezeichnen (§ 200 Abs. 1 S. 1 StPO). Die geschilderte Tat ist hinreichend umgrenzt. Der Fehler ergibt sich nur aus der falsch bezeichneten Strafvorschrift. Dieser Fehler beeinträchtigt allerdings die Informationsfunktion der Anklageschrift, da sie widersprüchliche Angaben über die rechtliche Einordnung durch die Staatsanwaltschaft enthält.

4. Das Revisionsgericht muss aufgrund des Fehlers der Anklageschrift das Urteil aufheben und das Verfahren einstellen (§ 354 Abs. 1 StPO).

Nein!

Mängel der Informationsfunktion machen die Anklageschrift nicht unwirksam. Sie können durch das Ausgangsgericht auch durch gerichtliche Hinweise zur Gewährung rechtlichen Gehörs geheilt werden (§ 265 StPO). Erfüllt die Anklageschrift ihre Informationsfunktion nicht und ergibt sich eine Heilung auch nicht aus dem Hauptverhandlungsprotokoll, so kann dies im Wege der Verfahrensrüge geltend gemacht werden. Insbesondere kann das Recht auf effektive Verteidigung beeinträchtigt sein, wenn sich der Angeklagte auf den Tatvorwurf nicht hinreichend einstellen konnte.
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