Mangel der Umgrenzungsfunktion - Tat nicht hinreichend umschrieben

24. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Die Anklageschrift lautete: “A versuchte im November 2015 und Anfang 2016 wiederholt einen Mitgefangenen dazu zu bringen, einen Auftragsmörder für seine Frau zu finden.” Ein ähnlicher Tatvorwurf zur selben Zeit wird A in einer anderen Anklage gemacht. Gegen seine Verurteilung legt A Revision ein.

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Einordnung des Falls

Mangel der Umgrenzungsfunktion - Tat nicht hinreichend umschrieben

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Anklageschrift muss im Anklagesatz die Tat, die dem Angeklagten zur Last gelegt wird konkret bezeichnen (§ 200 Abs. 1 S. 1 StPO). Die vorliegende Anklageschrift umgrenzt die Tat hinreichend.

Nein, das ist nicht der Fall!

Die Anklageschrift hat die zur Last gelegte Tat, Ort und Zeit so zu bezeichnen, dass erkennbar wird, welcher bestimmte geschichtliche Vorgang gemeint ist. Sie muss sich von anderen gleichartigen strafbaren Handlungen desselben Angeklagten unterscheiden lassen. Je wahrscheinlicher weitere verwechselbare Straftaten des Angeklagten sind, desto konkreter muss sie sein. Laut Anklage hat A „wiederholt“ versucht, „einen Mitgefangenen“ zur Tat zu bewegen. Sie nennt aber weder bestimmte Gelegenheiten, bei denen A einen Anstiftungsversuch unternommen haben soll, noch bestimmte Anstiftungshandlungen oder die Identität des Mitgefangenen. Dadurch kann die hier angeklagte Tat nicht von der anderen möglichen Tat des A unterschieden werden. Die Anklageschrift erfüllt ihre Umgrenzungsfunktion daher nicht. Dieser Prüfungspunkt hängt immer stark vom Einzelfall ab! Die Kommentierung ist hier dein Freund.
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2. Enthält die Anklageschrift ein wesentliches Ergebnis der Ermittlungen (§ 200 Abs. 2 StPO), dienen auch diese Angaben dazu, die angeklagte Tat zu konkretisieren.

Ja, in der Tat!

Zwar spricht das Gesetz in § 200 Abs. 1 S. 1 StPO nur vom Anklagesatz, womit sowohl das Abstraktum, als auch das Konkretum gemeint sind. Das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen ist hiervon zu trennen. Allerdings darf auch das Ergebnis der wesentlichen Ermittlungen zur Ergänzung und Auslegung des Anklagesatzes herangezogen werden. Denn Prozesshandlungen - also auch Anklagen - sind auslegungsfähig, wenn sich die Auslegung aus Umständen ergibt, die innerhalb der Erklärung liegen. Im zugrundeliegenden Original-Fall ergab sich auch aus dem wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen keine nähere Konkretisierung der Tatvorwürfe.

3. Hätte das Ausgangsgericht den Fehler heilen können, indem sie die Tat im Eröffnungsbeschluss weiter konkretisiert?

Nein!

Die h.M. lässt es nicht zu, dass das Ausgangsgericht Fehler der Anklage im Eröffnungsbeschluss (§ 203 StPO) oder durch Hinweis (§ 265 StPO) heilt. Nach demAnklagegrundsatz muss die Staatsanwaltschaft die wirksame Anklage vor dem Hauptverfahren schaffen. Vor der Eröffnung des Hauptverfahrens hat das Ausgangsgericht nur die Möglichkeit, die Anklage an die Staatsanwaltschaft zurückzuleiten, welche unter Rücknahme der Anklage (vgl. § 156 StPO) eine neue Anklageschrift einreichen kann. Tut sie dies nicht, ist die Eröffnung des Hauptverfahrens abzulehnen. Achtung: Im Meyer/Goßner wird die Gegenmeinung vertreten, die aber auf einer mittlerweile ausdrücklich obsolet gewordenen Rechtsprechung des BGH beruht (vgl. BGH, Urt. v. 23.08.2017, 2 StR 456/16). In der Klausur sollte man sich der h.M. anschließen.

4. Das Revisionsgericht hebt wegen der Unwirksamkeit der Anklageschrift das Urteil auf und stellt das Verfahren ein.

Genau, so ist das!

Im Revisionsverfahren stellt das Gericht das Verfahren von Amts wegen ein, wenn die Anklage an einem ihre Unwirksamkeit begründenden Mangel leidet. Andere Mängel der Anklageschrift können nur im Wege der Verfahrensrüge geltend gemacht werden.
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