Referendariat

Die StA-Klausur im Assessorexamen

Das materielle Gutachten

Verbotene Vernehmungsmethoden - Täuschung (tatsächlich)

Verbotene Vernehmungsmethoden - Täuschung (tatsächlich)

23. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Beschuldigter B wird vom Polizeibeamten P vernommen. P spiegelt B vor, sein Mittäter M habe schon umfassend gestanden und B schwer belastet. P will B so zu einer geständigen Einlassung bewegen. B lässt sich daraufhin geständig ein.

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Einordnung des Falls

Verbotene Vernehmungsmethoden - Täuschung (tatsächlich)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Ist es zulässig, den Beschuldigten durch eine Täuschung vor oder während seiner Vernehmung zu einer Aussage zu bewegen (§ 136a Abs.1 S.1 StPO)?

Nein!

Nach § 136a Abs.1 S.1 StPO darf die Freiheit der Willensentschließung und der Willensbetätigung des Beschuldigten nicht durch Täuschung beeinträchtigt werden. Der Beschuldigte kann sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht getäuscht werden. Die Täuschung ist dabei von der kriminalistischen List abzugrenzen, welche in engen Grenzen zulässig ist. Der Vernehmungsbeamte darf Fangfragen stellen und doppeldeutige Erklärungen abgeben. Insoweit sind aber stets die Umstände des Einzelfalls maßgeblich.
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2. Handelt es sich bei Ps Hinweis auf die Aussagen des Mittäters noch um eine zulässige kriminalistische List?

Nein, das ist nicht der Fall!

Eine Täuschung in tatsächlicher Hinsicht liegt vor, wenn der Gegenstand der Täuschung keine Rechtsfrage, sondern ein tatsächlicher Umstand ist. Beispielsweise ist eine Täuschung in tatsächlicher Hinsicht zu bejahen, wenn der Polizeibeamte dem Beschuldigten eine erdrückende Beweislage vorspiegelt oder mitteilt, dass der Mittäter schon gestanden habe oder ein anderes Beweismittel gefunden worden sei, obwohl dies tatsächlich nicht stimmt. B wurde hier von P darüber getäuscht, dass sich M bereits geständig eingelassen hat. P hat dem B damit bewusst eine nicht vorhandene erdrückende Beweislage vorgespiegelt Diese Aussage war tatsächlich falsch. Beachte: Bloß unbeabsichtigte Irreführungen stellen keine unzulässige Täuschung dar (BGH).

3. Sind die Angaben des B trotz der Täuschung im späteren Prozess verwertbar?

Nein, das trifft nicht zu!

Aussagen, die durch unzulässige Vernehmungsmethoden gewonnen wurden, sind grundsätzlich unverwertbar (§§ 163a Abs.4 S.2, 136a Abs.3 S.2 StPO). Es erfolgt hier also ausnahmsweise keine Abwägung (absolutes Beweisverwertungsverbot). Ein Beweisverwertungsverbot besteht allerdings nicht, wenn es sich um eine bloß unbeabsichtigte Irreführung handelt. Eine solche stellt gerade keine unzulässige Täuschung iSd. § 136a StPO dar. Hier wollte P den B bewusst täuschen, um eine geständige Einlassung des B zu erreichen. Dies ist eine unzulässige Täuschung, sodass die Angaben des B nicht verwertbar sind. Beachte: Das Verwertungsverbot nach § 136a Abs.3 S.2 StPO gilt selbst dann, wenn der Beschuldigte der Verwertung der Beweiserkenntnis später zustimmt.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

IKA

Ioannis Kalaitsidis

3.4.2024, 17:15:07

Sind die Aussagen des B gegen M verwertbar?

nboss

nboss

14.5.2024, 18:45:15

Bin kein Experte aber in meinen Augen im Hinblick auf die Rechtskreistheorie und die Ablehnung der

Fernwirkung

auf andere Mitangeklagte ist die Aussage ggü. M verwertbar.

Kind als Schaden

Kind als Schaden

31.5.2024, 16:44:45

Die Aussage des B ist NICHT gegen M verwertbar. Das Verwertungsverbot gilt ja absolut. Genau wie du auch den Anspruch aus § 985 BGB gegenüber jedem der ohne Recht zum Besitz besitzt entgegehalten kannst, gilt hier das Verwertungsverbot auch für jedes andere Verfahren. Auf die Rechtskreistheorie kommt es gerade nicht an. Diese wäre nur dann wichtig, wenn es sich um ein relatives Beweisverwertungsverbot handelt, bei dem du eine Abwägung vornehmen müsstest. Nach § 136a III 2 ist ja aber gerade jede Abwägung unzulässig.

Nocebo

Nocebo

20.7.2024, 17:57:40

Verstöße gegen § 136a Abs. 1 und Abs. 2 bewirken ein absolutes Verwertungsverbot. Dies ist im Gesetz (Abs. 3 S. 2 – anders als bei sonstigen Verboten) ausdrücklich festgelegt. Es besteht bei belastenden und entlastenden, falschen und richtigen Aussagen (BGHSt 5, 290; nochmals bekräftigt durch BGH NStZ 2023, 172 – auch zugunsten von MITBESCHULDIGTEN – m. abl. Anm. Trüg). (BeckOK StPO, StPO § 136a Rn. 29, beck-online)


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