Nießbrauch als „ein die Veräußerung hinderndes Recht“
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Jurastudium und Referendariat.
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
S ist Eigentümer eines Grundstücks. Er räumt D ein Nießbrauch an dem Grundstück ein. G hat einen titulierten Anspruch gegen S und vollstreckt diesen Anspruch in das Grundstück. D will gegen die Vollstreckung vorgehen.
Einordnung des Falls
Nießbrauch als „ein die Veräußerung hinderndes Recht“
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Die Drittwiderspruchsklage (§ 771 ZPO) ist zulässig, wenn sie statthaft ist, beim zuständigen Gericht erhoben wird und D ein Rechtsschutzbedürfnis hat.
Genau, so ist das!
2. Der Nießbrauch berechtigt D, Nutzungen aus dem Grundstück des S zu ziehen.
Ja, in der Tat!
3. Die Drittwiderspruchsklage (§ 771 ZPO) ist für D statthaft, wenn das Grundstück des S im Rahmen der Vollstreckung zur Zwangsverwaltung beschlagnahmt wird.
Ja!
4. Die Drittwiderspruchsklage (§ 771 ZPO) ist für D statthaft, wenn G die Zwangsversteigerung des Grundstücks des S herbeiführen will.
Nein, das ist nicht der Fall!
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Whiskey
2.12.2020, 15:03:41
Ob das Recht des D bestehen bleibt, hängt davon ab, wer die Zwangsversteigerung betreibt. Betreibt ein Gläubiger, der dem D im Grundbuchrang vorgeht, würde sein Recht erlöschen.
Jurian
22.2.2022, 20:09:48
Interessant. Aus welcher Norm folgt das?
IsHa
30.6.2022, 14:45:36
D.h. 91 Abs. 1 ZVG ist auf den Nießbrauch nicht anwendbar?
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Lukas_Mengestu
1.7.2022, 11:25:39
Hallo Isabel, § 91 Abs. 1 ZVG findet grundsätzlich auch auf den Nießbrauch Anwendung, allerdings nur soweit der Nießbrauch im Rang hinter dem Recht des
Vollstreckungsgläubigers steht. Denn laut § 91 Abs. 1 ZVG sind Rechte nicht betroffen, die nach den Versteigerungsbedingungen bestehen bleiben sollen. Aus § 52 Abs. 1 S. 1 ZVG ergibt sich im Hinblick auf die Versteigerungsbedingungen, dass ein Recht bestehen, soweit es (1) bei der Feststellung des geringsten Gebotes berücksichtigt und (2) nicht durch Zahlung zu decken ist. Zu 1: Das geringste Gebot ist wiederum in § 44 ZVG normiert und besagt, dass dem Gläubiger vorgehende Rechte in das geringste Gebot mit aufgenommen werden müssen. Sofern also das Nießbrauchrecht im Rang dem Anspruch des Gläubigers vorgeht (=frühere Eintragung, vgl. § 879 Abs. 1 S. 2 BGB), ist es im geringsten Gebot zu berücksichtigen. Zu 2: Aus § 49 ZVG ergibt sich, was zwingend durch Zahlung zu decken ist. Der Nießbrauch fällt hier nicht darunter und bleibt somit, wenn er eine höhere Rangstellung hat auch nach der Zwangsversteigerung bestehen. Steht er im Rang dagegen unter dem Recht des Gläubigers (ist also älter), so erlischt er grundsätzlich mit der Zwangsversteigerung. Der Nießbrauchberechtigte hat dann Anspruch auf Wertersatz aus dem Versteigerungserlös (vgl. BeckOK ZVG/Pestel, 7. Ed. 1.3.2022, ZVG § 91 Rn. 6). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
bibe
24.7.2022, 22:55:42
Was wäre wenn jemand das Grundstück lastenfrei erwerben würde, 936 BGB, dann würde doch der D die Drittwiderspruchsklage erheben können, oder? :)
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Lukas_Mengestu
28.9.2022, 19:00:22
Vorsicht bibe, § 936 BGB findet nur unmittelbare Anwendung, wenn es um die
Übereignungbeweglicher Sachen geht. Ein lastenfreier Erwerb ist allenfalls nach § 892 BGB möglich. Im Falle eines gutgläubigen Erwerbs scheidet die Drittwiderspruchsklage indes aus, da es ja dann an einem die Veräußerung hindernden Recht fehlt. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Lennov
8.2.2023, 11:32:45
Könntet ihr die Frage vielleicht um einen dritten Punkt - das Vorgehen des G im Wege der Zwangshypothek - anreichern? Grundsätzlich besteht die Zwangshypothek des G dann "einfach" erstmal und die vereinfachte Befriedigungsmöglichkeit im Wege der Zwangsvollstreckung (§ 867 Abs. 3 ZPO) dürfte den Nießbrauch des D auch nicht beeinträchtigen, oder?