+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Die Gurken-GbR besteht aus den Gesellschaftern G1 und G2. Sie hatte schon vor einem Jahr für €5.000 Gurkengläser bei Hersteller H gekauft, die Rechnung jedoch nie beglichen. H will klagen.

Einordnung des Falls

Partei- und Prozessfähigkeit

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Schuldner des H ist die GbR selbst.

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Genau, so ist das!

Die Außen-GbR ist nach ghM rechtsfähig und damit selbst Träger von Rechten und Pflichten. Das führt dazu, dass die GbR im Rechtsverkehr selbst Vertragspartner und damit selbst Schuldner bzw. Gläubiger ist. Die Rechtsfähigkeit zeigt sich insbesondere daran, dass neue Gesetze selbst von der Rechtsfähigkeit der GbR ausgehen (vgl. § 162 Abs. 1 S. 2 HGB, § 899a BGB, § 47 Abs. 2 GBO, § 11 Abs. 2 InsO). Schuldner des H ist daher die GbR selbst.

2. Die GbR ist zwar rechtsfähig, aber nicht parteifähig (§ 50 Abs. 1 ZPO), sodass H die einzelnen Gesellschafter verklagen muss.

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Nein, das trifft nicht zu!

Parteifähig ist, wer rechtsfähig ist (§ 50 Abs. 1 ZPO). Aus der Anerkennung der Rechtsfähigkeit der GbR folgt daher auch, dass die GbR selbst unter ihrem Namen verklagt werden kann (Parteifähigkeit). H würde also formulieren: „Klage … gegen die Gurken-GbR, vertreten durch ihre Gesellschafter G1 und G2, …“

3. Die GbR ist - vertreten durch ihre Gesellschafter - prozessfähig (§ 51 ZPO).

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Ja!

Prozessfähigkeit ist die Fähigkeit einer Partei, vor Gericht zu stehen, d.h. Prozesshandlungen selbst oder durch einen selbst bestellten Vertreter wirksam vorzunehmen oder entgegenzunehmen. Juristische Personen und Personengesellschaften können nicht unmittelbar selbst, aber durch ihre Vertreter Prozesshandlungen vornehmen, wenn diese voll geschäftsfähig sind (§§ 51, 52 ZPO). Eine GbR wird durch die Gesellschafter gerichtlich und außergerichtlich vertreten, denen die Geschäftsführungsbefugnis zusteht, soweit der Gesellschaftsvertrag keine abweichenden Regelungen enthält (§ 714 BGB). Die GbR ist daher – vertreten durch ihre Gesellschafter – prozessfähig (§ 51 Abs. 1 ZPO iVm § 714 BGB).

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Daniil

Daniil

9.7.2021, 16:06:52

Die Aussage „Schuldner des H ist die GbR“ ist aufgrund der Rechtsfähigkeit zwar richtig, aber mE vielleicht etwas irreführend. Denn aufgrund der persönlichen und unbeschränkten Haftung der Gesellschafter kann sich der Gläubiger ja genauso gut auch an diese halten. Die Frage verleitet ein wenig dazu hier „stimmt nicht“ zu drücken, weil man ein „nur“ in die Formulierung hineininterpretiert. Also: Schuldner des H ist nur die GbR.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

11.7.2021, 18:36:09

Hi Daniil, ich verstehe Deinen Ansatzpunkt, dennoch würden wir hier an der bestehenden Formulierung festhalten. Ungeachtet des Umstandes, dass hier eine primäre und unmittelbare Haftung der Gesellschafter besteht, ist Vertragspartner und Schuldnerin des H in erster Linie die GbR. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

🐈

🐈

20.9.2021, 21:34:39

Das Erfordernis der vollen Geschäftsfähigkeit ergibt sich doch gar nicht aus § 52 I, sondern aus § 51 I.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

19.10.2021, 11:09:54

Vielen Dank für Deinen Hinweis! Die beiden Normen sind in der Tat zusammenzulesen. Die Legaldefinition der Prozessfähigkeit ergibt sich aus § 52 Abs. 1 ZPO ("...als sie sich durch Verträge verpflichten kann"=Geschäftsfähigkeit). § 51 Abs. 1 ZPO bestimmt insoweit aber, dass sich dies nach dem materiellen Recht richtet. Auch in einer Klausur empfiehlt es sich, einfach beide Normen zusammen zu zitieren. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

SI

silvimaus

25.8.2022, 01:36:48

Müsste § 714 hier nicht analog herangezogen werden? Schließlich werden ja die Gesellschafter und nicht die Gesellschaft dem Wortlaut nach vertreten…

Nora Mommsen

Nora Mommsen

25.8.2022, 14:15:05

Hallo silvimaus, vielen Dank für deine Frage. Die Formulierung des § 714 BGB ist dahingehend ungenau. Genau genommen spiegelt sich im gesamten GbR Recht nicht wieder, dass die GbR mittlerweile als rechtsfähig anerkannt ist. Daher wird zum Teil das Handelsrecht auch analog auf diese angewandt. Ungeachtet des Wortlauts ist die Norm aber dahingehend auszulegen, dass nach der herrschenden kollektivitischen Theorie die Gesellschaft vertreten und damit berechtigt und verpflichtet wird. § 714 BGB ist daher nicht analog anzuwenden. Ein neues Gesetz (das MoPeG) das auch das Recht der GbR reformieren wird tritt zum 1.1.2024 in Kraft. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team


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