Besitzfähigkeit
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Die Refurbish-GbR besteht aus den Gesellschaftern G1 und G2. G1 verzockt sich privat beim Aktienhandel und braucht frisches Geld. Deshalb veräußert er heimlich sein Diensthandy, das von der GbR bereitgestellt wurde, an den ahnungslosen A. G2 ist mit solchen Geschäften nicht einverstanden.
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Einordnung des Falls
Besitzfähigkeit
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Eigentümerin des Handys waren zunächst die Gesellschafter G1 und G2.
Nein, das ist nicht der Fall!
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2. A konnte von G1 unmittelbar nach § 929 S. 1 BGB das Handy erwerben.
Nein, das trifft nicht zu!
3. Ein gutgläubiger Erwerb scheidet aus, weil das Handy der Refurbish-GbR abhandengekommen ist (§ 935 Abs. 1 BGB).
Ja!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Helena
16.2.2022, 09:55:02
Ich bin etwas verwirrt hiermit. Bei der
Leihezum Beispiel Ist die Sache ja nicht abhanden gekommen wenn der
Leihende sie dann veräußert, weil der eigentliche Eigentümer sie ja freiwillig aus der Hand gegeben hat. Wieso sieht das anders aus, wenn der Gesellschafter berechtigterweise von der Gesellschaft die
Sachherrschaftbekommen hat? Kommt es darauf an, ob die Gesellschafter nur für die GbR die
Sachherrschaftausüben wollen oder ob die GbR tatsächlich den Besitz auf den möglichen Gesellschafter übertragen hat. Kann ein Gesellschafter überhaupt eigenen Besitz an Sachen der GbR haben? Wie gesagt ich bin gerade sehr verwirrt
Marilena
17.2.2022, 18:24:02
Liebe Helena, danke für die Frage. Die GbR kann aufgrund ihrer anerkannten Rechtsfähigkeit nicht nur Eigentümerin beweglicher und unbeweglicher Sachen sein, sondern jede Rechtsposition innehaben, also auch Besitzerin von Sachen sein. Dabei wird die tatsächliche
Sachherrschaftvon den geschäftsführenden Gesellschaftern ausgeübt (sogenannter
Organbesitz). Wichtig: Die
Sachherrschaftwird der GbR zugerechnet, sodass sie Besitzerin ist (nicht die Gesellschafter selbst). Für den Besitzverlust kommt es auf den Willen aller geschäftsführungsberechtigten Gesellschafter an. Im vorliegenden Fall gilt - mangels abweichender gesellschaftsvertraglicher Regelungen - der gesetzliche Regelfall, das heißt Gesamtgeschäftsführung und -Vertretung durch alle Gesellschafter gemeinsam (§§ 709 Abs. 1, 714 BGB). G1 und G2 waren nur gemeinsam zur Geschäftsführung und Vertretung der GbR berechtigt, sodass ein Einverständnis mit dem Verlust des unmittelbaren Besitzes am Handy nur gemeinsam möglich war. Hier lag mangels erforderlicher Zustimmung des G2 kein gegen die GbR wirkendes Einverständnis vor. Daher ist der Besitzverlust ohne den Willen der GbR eingetreten und das Handy der GbR abhanden gekommen.
Marilena
17.2.2022, 18:28:16
Um auf Deine Fragen zurückzukommen, nein, Besitzerin an sich ist die GbR. Im Hinblick auf die Konstellation bei der
Leiheliegt der gravierende Unterschied hier darin, dass die Gesellschafter nur gemeinsam zur Geschäftsführung und Vertretung befugt sind. Befände sich im Gesellschaftsvertrag eine Regelung, wonach G1 allein geschäftsführungsbefugt ist, käme es für den Besitzverlust der GbR nur auf seinen Willen an.
Marilena
17.2.2022, 18:29:26
Ich hoffe, Du hast jetzt wieder einen klareren Durchblick und ich konnte die Verwirrung auflösen. Einen schönen Abend Dir und beste Grüße Marilena für das Jurafuchs-Team
juramen
17.5.2023, 11:54:35
Gibt es dann überhaupt eine Möglichkeit von einem Nichtberechtigten Gesellschafter eine Sache der GbR gutgläubig zu erwerben? Oder hat man dann immer automatisch eine abhanden gekommen Sache?
Nora Mommsen
18.5.2023, 10:54:50
Hallo juramen, in der Konstellation des einzelvertretungsberechtigten Gesellschafters läge kein
abhandenkommenvor und ein gutgläubiger Erwerb wäre möglich. Veräußert der Gesellschafter das Handy dann als sein eigenes, fehlt ihm mangels Eigentum die Berechtigung. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
Lota Coffee
26.8.2024, 11:44:46
Wieso läge beim einzelvertretungsberechtigten Gesellschafter aber dann kein
Abhandenkommenvor? Die
Übereignungwürde dieser doch soweit ich verstehe trotzdem im eigenen Namen vornehmen. Damit würde er doch ebenfalls verbotene Eigenmacht gegenüber der GbR ausüben, wenn er eine Sache aus dem Besitz der GbR im eigenen Namen veräußert.
phiob
6.6.2023, 15:29:29
In welchem Moment findet hier der Besitzverlust der GbR statt? Fällt das
Abhandenkommenzeitlich mit der versuchten
Übereignungshandlung zusammen, weil der GbR in diesem Moment mangels Willen des Gesellschafters der Besitz nicht mehr zugerechnet werden kann? Bin etwas verwirrt...
Lukas_Mengestu
7.6.2023, 16:50:20
Hallo phiob, klasse Frage! Für die Zurechnung des Besitzes des Gesellschafters zur Gesellschaft bedarf es zweier Voraussetzungen: (1) die Willensrichtung der natürlichen Person, welche die tatsächliche Herrschaft für die Gesellschaft als
Besitzdienerausübt, (2) die Zugehörigkeit der die
Sachherrschaftausübenden natürlichen Person und der Sache zum Organisationskreis der Gesellschaft (MüKoBGB/Schäfer, 8. Aufl. 2020, BGB § 718 Rn. 37MüKoBGB/Schäfer, 8. Aufl. 2020, BGB § 718 Rn. 37). In dem Moment, in dem der Gesellschafter hier die Sache veräußert, will er nunmehr nur noch für sich selbst besitzen. Dadurch begeht er gegenüber der GbR verbotene Eigenmacht und das Handy kommt dieser abhanden (§ 935 BGB). Ich hoffe, jetzt wird es etwas klarer :-) Beste Grüße, Lukas- für das Jurafuchs-Team
Chefjurist
20.12.2023, 04:59:28
Spätestens mit der BGH-Entscheidung aus dem Jahr 2020 zu dem
Abhandenkommeneines Fahrzeugs bei einer Probefahrt, ist die hier vertretende Auffassung nochmal zu überdenken. M.E. kann der Erwerber hier sehr wohl gutgläubig erwerben.
Lukas_Mengestu
20.12.2023, 10:46:24
Hallo Chefjurist, hier musst Du mir glaube ich gedanklich ein wenig auf die Sprünge helfen. In dem von Dir angesprochenen Probefahrt-Fall (s. hier: https://applink.jurafuchs.de/Qhye1qgfGFb) hat das Autohaus durch die Übergabe des Wagens für eine Probefahrt den Besitz hieran verloren (jedenfalls, wenn die Probefahrt unbegleitet stattfindet). Der Interessent ist weder
Besitzmittler, noch
Besitzdiener. Veräußert er nun den Wagen, so liegt hierin kein
Abhandenkommen. Anders ist der hier vorliegende Fall. Die GbR hat hier - vermittelt durch ihren Gesellschafter - die ganze Zeit unmittelbaren Besitz an dem Handy und diesen auch nicht freiwillig aufgegebe. Für den
Organbesitzkommt es erstens auf die Willensrichtung der natürlichen Person an, welche die tatsächliche Herrschaft für die Gesellschaft als
Besitzdienerausübt, und zweitens auf die Zugehörigkeit der die
Sachherrschaftausübenden natürlichen Person und der Sache zum Organisationskreis der Gesellschaft. Ändert die natürliche Person ihren Willen nach außen erkennbar dahin, nunmehr für sich selbst besitzen zu wollen, so begeht sie gegenüber der Gesellschaft verbotene Eigenmacht (§ 858) (vgl. auch MüKoBGB/Schäfer, 9. Aufl. 2023, BGB § 713 Rn. 29). In dem Moment, wo der nicht-verfügungsberechtigte Gesellschafter also seinen Willen ändert, entzieht er der Gesellschaft gegen ihren Willen zugleich den Besitz daran, sodass ihr dieser abhandenkommt. Dies schließt dann aber einen gutgläubigen Erwerb aus (so auch Koch, Gesellschaftsrecht, § 3 RdNr. 18). Ich hoffe, jetzt wird es noch einmal etwas klarer. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
kokapidis
22.1.2024, 15:26:05
Hallo, ihr zitiert in dem Fall sowohl die Normen für die Geschäftsführungsbefugnis als auch die Normen für die Vertretungsbefugnis. Muss man nicht iRd Berechtigung auf die Geschäftsführungsbefugnis, aber iRd
Abhandenkommenauf die Vertretungsbefugnis abstellen? Also es kann ja im Außenverhältnis Einzelvertretungsbefugnis vereinbart sein gem. § 720 I Hs. 2 BGB, aber im Innenverhältnis dann Gesamtgeschäftsführung gem. § 715 III 1 BGB. Dann hätte der veräußernde Gesellschafter zwar ohne Berechtigung gehandelt, weil er im Rahmen seiner Geschäftsführungsbefugnis nicht dazu ermächtigt ist allein Eigentum zu übertragen. Der Besitzverlust wäre der Gesellschaft zurechenbar, weil er im Außenverhältnis allein dazu ermächtigt ist, die Gesellschaft zu vertreten und dazu dann auch gehört, dass er allein den Besitz übertragen darf. Demnach wäre der Besitzverlust freiwillig und die Sache nicht gem. § 935 I 1 BGB abhandengekommen. Also muss man nicht genau unterscheiden zwischen Geschäftsführungsbefugnis & Vertretungsmacht? Ihr stellt hier auf beides ab bzw schmeißt die Begriffe zusammen, also unterscheidet nicht zwischen Innen- & Außenverhältnis. Ist das so gewollt oder ein Versehen? Würde mich über eine Antwort mit Begründung sehr freuen. :)
Timurso
5.2.2024, 19:39:02
Wie die Lösung hier schreibt, ist eine abweichende Regelung nicht ersichtlich. In diesem Fall, wo ein Gleichlauf zwischen den beiden unterschiedlichen Rechtskonstrukten offentsichtlich vorliegt, kann man mMn durchaus beide zusammen zitieren und beschreiben. Zu deinem Beispiel würde ich behaupten, dass auch die Berechtigung vorliegt und es auf einen gutgläubigen Erwerb gar nicht mehr ankäme. Veräußerer ist dann ja die wirksam vertretene GbR, die Eigentümer und damit auch berechtigt ist. Wir kommen hier ja nur zu dem Problem, weil die Einigung mangels Vertretungsbefugnis nicht mit der GbR zustande kommt und wir uns dann fragen, ob der Gesellschafter selbst übereignen kann. Dieser ist nicht Eigentümer und daher nicht berechtigt.
Dogu
7.3.2024, 17:14:42
Dort wird nach dem Eigentum gefragt und die Antwort beschäftigt sich mit der Schuldnereigenschaft...
Dogu
22.3.2024, 17:28:31
Außerdem passt § 713 BGB für die Frage des Eigentums besser.
Paul
16.4.2024, 14:11:44
Hallo liebes JuraFuchs-Team, wie auch viele der Anderen in den Kommentaren bin ich etwas verwirrt, was die Konstellation in diesem Fall angeht. Vllt. übersehe ich etwas … In den Antworten geht ihr immer wieder davon aus, soweit ich das richtig verstehe, dass G1 nur
Besitzdienergem. § 855 ist. Im Sachverhalt heißt es, dass „sein Diensthandy … von der [GbR] bereitgestellt wurde“. Hieße es, „Als G2 eines Tages nicht im Büro ist, veräußert G1 das Handy der GbR, das im Büro der GbR für Geschäftsanrufe bereitliegt“ – also eine Sache, die eindeutig nur im Besitz der GbR ist – wäre klar, dass er nicht mehr als
Besitzdienersein kann. Aber die Formulierung „sein Diensthandy“ und „bereitgestellt“ lässt auf eine (min. konkludente) Abrede/Berechtigung zum unmittelbaren Besitz des G1 schließen. Die GbR wäre also mittelbare Besitzerin und G1 gerade nicht
Besitzdiener(MüKo § 855 Rn 2, G1 ist ja nicht Arbeitnehmer). Auf den Willen des mittelbaren Besitzers oder Eigentümers kommt es im Rahmen des § 935 doch aber gerade nicht an (MüKo § 935 Rn 3; haufe.de/Prütting et al. BGB § 935 BGB Rn 3). Zudem ändert G1 *vor der Veräußerung* nicht nach außen erkennbar seinen Besitzmittlungswillen, sondern erst *durch die Veräußerung* (MüKo § 713 Rn 29). Das Telefon wäre also im Ergebnis, mE, bei der vorliegenden Formulierung des Sachverhalts, nicht abhandengekommen. Oder habe ich etwas übersehen? Beste Grüße Paul
Uncle Ruckus
23.4.2024, 17:04:52
Er hatte das Diensthandy im
Organbesitzfür die GbR. Bei der Refurbish-GbR besteht Gesamtgeschäftsführung und -vertretung durch alle Gesellschafter gemeinsam als gesetzlicher Regelfall (vgl. §§ 715 Abs. 1, Abs. 3, 720 Abs. 1 BGB). Eine abweichende gesellschaftsvertragliche Regelung ist nicht ersichtlich. G1 und G2 sind nicht allein, sondern nur gemeinsam zur Geschäftsführung und Vertretung der GbR berechtigt, sodass ein Einverständnis mit Verlust des unmittelbaren Besitzes an dem Handy nur gemeinsam möglich ist. G2 war mit dem Besitzverlust nicht einverstanden, sodass das Handy der GbR abhandengekommen ist und ein gutgläubiger Erwerb ausscheidet.
Paul
23.4.2024, 20:12:25
Aber das ist doch genau der Punkt, den ich so eindeutig nicht finde…? Ob er hier von Beginn an überhaupt
Organbesitzausübt, ist doch gerade meine Frage. Bzw. ob es nicht näher liegt, dass er gegenüber der GbR, bei den hier vorliegenden Sachverhaltsangaben, ein eigenes
Besitzrechthat, also nicht
Organbesitzer, sondern unmittelbarer Besitzer ist. Oder eben, ob ich da im Müko etc. etwas übersehe. Deine Antwort, @[Uncle Ruckus](232681), wiederholt doch aber nur genau das, was ich in Frage stelle…?
Uncle Ruckus
23.4.2024, 21:17:33
Naja ich würd sagen dass der unmittelbare Besitz auch zum Vermögen der Gesellschaft gehört und der Besitz nur im zur Verfügung gestellten Maß gestattet ist
Charliefux
16.7.2024, 10:04:04
Wäre schön, wenn jemand aus dem Team die Frage von Paul einmal beantworten würde.
CR7
21.8.2024, 14:12:47
Hi Paul. Nein, das Diensthandy gehört der GbR. G1 übt den Besitz für die GbR aus, es ist kein mittelbarer Besitz und keine
Besitzdienerschaft. Es kommt für das
Abhandenkommenauf den Willen der GbR an. Die GbR ist nur ein rechtliches Konstrukt und der Wille dieser GbR kann nur durch die Gesellschafter gemeinsam gebildet werden. Grundsätzlich besteht Gesamtvertretung. Veräußert G1 ohne G2 zu informieren ein der GbR gehörendes Diensthandy, liegt ein
Abhandenkommenvor. Die GbR hat ihren Willen zum Besitzverlust nicht einheitlich gebildet. § 935 greift, gg. Erwerb scheidet aus.
Paul
21.8.2024, 14:26:32
Hi @[CR7](145419), auf Grundlage der (mE zumindest möglichen) Lesart der Falldarstellung, die ich oben anspreche, würde deine Argumentation doch bedeuten, dass ein GbR-Gesellschafter, in vergleichbaren Szenarien, **nie** unmittelbarer Besitzer einer Sache sein kann, die von der GbR bereitgestellt wird, richtig? Dafür, dass das so ist, konnte ich aber keine Belege/keine Quellen finden. Hast du da welche, die ich übersehen habe?
CR7
21.8.2024, 14:36:02
Hi Paul, 713 BGB sagt uns, dass die erworbenen Rechte und die gegen sie begründeten Verbindlichkeiten Vermögen der Gesellschaft sind. Wenn der G1 ein Diensthandy der GbR in der Hand hält, übt er nicht unmittelbaren Besitz für sich aus, sondern für die GbR. Die GbR selbst ist Besitzerin, nicht der Gesellschafter. Nur wenn der G1 sich zum Eigenbesitzer aufschwingt, dann besitzt er für sich. Dann aber fehlerhaft (858).
Paul
21.8.2024, 14:43:29
@[CR7](145419) Soweit klar. Aber nochmal: es ist möglich, die Aufgabenformulierungen so zu verstehen, dass der Gesellschafter auf Grundlage einer (wenigstens konkludenten) Abrede mit der GbR unmittelbarer Besitzer ist, siehe ursprüngliche Frage.
CR7
21.8.2024, 14:50:07
Ja, auf jeden Fall. Deine Erörterung oben klingt ja auch nachvollziehbar. Man könnte ja den Sachverhalt hier präzisieren? Ich fand es zumindest auch nicht direkt klar und musste drüber nachdenken.
Wysiati
26.8.2024, 11:12:34
In Jauernig/Berger BGB § 935 Rn. 9 wird ausdrücklich die Meinung vertreten, dass juristische Personen immer durch ihre Organe besitzen, damit ihren Besitz freiwillig verlieren (dort wird verwiesen auf BGHZ 57, 166, 169) und deshalb die Weggabe durch Organ der Gesellschaft *niemals* ein
Abhandenkommendarstellt. Was laut dieser Quelle auch für OHG, KG und anscheinend nach h.M. auch für die GbR gelten soll. Wenn ich das richtig verstanden habe, fragst du @[Paul](198174), ob hier nicht unmittelbarer Besitz vorliegt. Die von mir genannten Quelle scheint aber davon auszugehen, dass in solchen Fällen immer unmittelbarer Besitz des Organs vorliegt, oder nicht? Ich kenne mich auf dem Gebiet nicht gut aus, also wäre meine Frage: würdest du sagen, unmittelbarer Besitz des Organs könnte, genau wie Besitzmittlung, je nach Einzelfall vorliegen? Ich gehe zwar davon aus, dass dem so ist, nur die von mir angegebene Quelle impliziert meiner Meinung nach, dass die Gesellschaft immer durch das Organ besitzt. "ff) Weggabe durch Organ einer jur Person bedeutet kein
Abhandenkommen, weil die jur Person durch das Organ besitzt und daher den Besitz freiwillig verliert (BGHZ 57, 166, 169). Entsprechendes gilt für OHG, KG und nach hM auch für die Außen-GbR (ab 1.1.2024 für die rechtsfähige GbR iSd § 705 II Fall 1 BGB-MoPeG) (dazu krit → Vor § 21 Rn. 1, 4"
Paul
26.8.2024, 12:28:13
Hi @[Wysiati](262458), meine Frage dreht sich darum, ob nicht G1 *alleine* unmittelbarer Besitzer ist/sein kann. Nach meinem Verständnis der Beschreibungen und Erklärungen der Aufgabe ist G1 aber auf keinen Fall eigenständiges Organ, das wären nur beide Gs zusammen (siehe Erklärung nach der letzten Frage). Deshalb soll G1 hier wohl nur
Besitzdienersein, entsprechend kein freiwilliger Besitzverlust vorliegen und also ein
Abhandenkommenzu bejahen sein. Meines Erachtens kann man aber den SV auch so verstehen, dass unmittelbarer Besitz des G1 vorliegt, bspw. durch eine Art „Überlassungs-/Nutzungsvertrag“ oder ähnliche, evtl. konkludente, vertragl. Abrede zwischen der GbR und G1, wie oben beschrieben.
Tobias Krapp
19.9.2024, 00:45:45
Hallo in die Runde! @[Paul](198174) @[Uncle Ruckus](232681) @[Charliefux](56873) @[CR7](145419) @[Wysiati](262458) Ihr habt hier schon einiges zusammengetragen, ich möchte das einmal ordnen und ergänzen: Zunächst zur Klarstellung: Auch in dem Fall, in dem mehrere geschäftsführungs- und vertretungsbefugte Gesellschafter vorhanden sind, kommt nur
Organbesitzund keine
Besitzdienerschaft in Betracht. Letztere scheidet aus, da es bei einem Organ an dem für § 855 BGB notwendigen 'Weisungsverhältnis in sozialer Abhängigkeit' fehlt.
Organbesitzwiederum heißt nicht, dass alle Organe oder Organmitglieder die tatsächliche Gewalt an einer Sache gleichzeitig gemeinsam ausüben müssen. Die tatsächliche Gewalt nur eines Organs ist ein ausreichender Anknüpfungspunkt für die Zurechnung. Andernfalls wäre der Anwendungsbereich auch extrem eingeschränkt. Das ist nicht mit der von dir, @[Paul](198174), angesprochenen Erklärung nach der letzten Frage zu verwechseln. Dort geht es um die Frage, wessen Wille für den Besitzverlust maßgeblich ist. Das ist eine andere Frage: Maßgeblich für § 935 I S. 1 BGB ist der unfreiwillige Verlust des unmittelbaren Besitzes. Beim
Organbesitzist die Gesellschaft selbst die unmittelbare Besitzerin. Deren Willensbildung erfolgt durch ihre Organe gemeinschaftlich. Es kommt daher nach hM auf den Willen aller geschäftsführungsberechtigten Gesellschafter an. (Vorsicht hier auch bei der Terminologie: Die Gesellschafter sind jeweils selbst Organe, nicht nur Teil eines Organs, vgl. ausführlich Röß, NZG 2023, 401, 405-406.) Der Fall hier geht also nicht von G1 als
Besitzdieneraus, sondern von
Organbesitz. Zur Abgrenzung von
Organbesitzzum unmittelbaren Besitz des Organs selbst:
Organbesitzliegt vor, wenn die tatsächliche
Sachherrschaftin der Funktion als Organ ausgeübt wird, also im Aufgaben- und Organisationsbereich der Gesellschaft. Darunter ist aber nicht nur der räumliche Bereich der Gesellschaft (also wie von dir angesprochen, @[Paul](198174), das Büro der GbR) zu verstehen. Vielmehr wird die
Sachherrschaftauch dann zugerechnet, wenn sie räumlich in der Privatsphäre erfolgt, solange sie sachlich in der Funktion als Organ ausgeübt wird, vgl. Grüneberg/Herrler, § 854 Rn. 10. So hat der BGH etwa bei einem PKW, der einem Geschäftsführer zur Nutzung überlassen wurde (und den dieser entsprechend auch außwärts und Zuhause parkte),
Organbesitzangenommen, solange der Geschäftsführer den PKW in seiner Funktion als Organ nutzte, BGH, Urteil v. 16. 10. 2003 – IX ZR 55/02. Hier mit (konkludenten) Besitzmittlungsverhältnissen zu arbeiten, würde Sinn und Zweck der Figur des
Organbesitzes widersprechen: Der Gesellschaft soll als eine mit Rechtsfähigkeit ausgestattete Rechtsperson möglichst die
besitzrechtliche Rechtsstellung zukommen, die auch einer natürlichen Person zukäme. Das zeigt sich zB deutlich bei der Anwendung der §§ 935, 1006 BGB, die als Besitzfolgen auf das Sacheigentum bezogen sind und dafür die Zurechnung zur Gesellschaft voraussetzen. Würde man hier der Gesellschaft "vorschnell" den unmittelbaren Besitz absprechen, wäre ihre Rechtsposition erheblich verschlechtert. Solange sich die Sache im Organisationsbereich der Gesellschaft befindet, ist es daher sachgerecht, einen eigenen unmittelbaren Besitz der Gesellschaft anzunehmen, und keinen Besitz des Organs selbst. Entscheidend ist also, ob die
Sachherrschaftin der "Funktion als Organ" ausgeübt wurde. Das ist zum Zweck des Verkehrsschutzes objektiv und nicht subjektiv auszulegen, da andernfalls ein verborgener, ständig wandelbarer Bezugspunkt vorliegen würde, der Manipulationen zum Nachteil des redlichen Rechtsverkehrs Tür und Tor öffnen würde, vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 8. 12. 1999 - 11 U 23/99, OLG Hamm Teilurteil v. 22.9.2016 – I-5 U 129/15. Auch wenn die objektiven Kriterien nicht immer sofort nach außen erkennbar sind, ist so zumindest eine Nachprüfung möglich. Nach alledem ergibt sich für unseren Fall: Ein Diensthandy hat einen objektiv bestimmbaren Bezug zum Aufgabenbereich, den G1 im Rahmen seiner organschaftlichen Stellung ausfüllt. Betroffen ist damit der Organisationsbereich der Gesellschaft. Daher erfolgt die Ausübung der Sachherschaft in der Funktion als Organ. Ein privatautonomes Abweichen von diesem Ergebnis mittels ausdrücklich vereinbarten Besitzmittlungsverhältnis ist natürlich theoretisch möglich. Im Bereitstellen hier ein (konkludentes) Besitzmittlungsverhältnis anzunehmen, würde aber wie gezeigt Sinn und Zweck des
Organbesitzes widersprechen, deswegen arbeitet auch der BGH damit nicht. Es bräuchte schon sehr eindeutige Abreden und eindeutigen Willen der Parteien zur Abweichung, was ich bisher weder in Klausurfällen noch in Rechtsprechung-Fällen gesehen habe. Daher muss man hier idR in der Klausur auch dieses Fass nicht aufmachen und kann problemlos
Organbesitzannehmen. Ich hoffe, das hat weitergeholfen! Viele Grüße - für das Jurafuchsteam - Tobias
Paul
19.9.2024, 08:05:42