Examensrelevante Rechtsprechung

Rechtsprechung Strafrecht

BT 1: Totschlag, Mord, Körperverletzung, u.a.

Unterlaufen des Koinzidenzprinzips? – Zeitpunkt der Erfüllung von Mordmerkmalen

Unterlaufen des Koinzidenzprinzips? – Zeitpunkt der Erfüllung von Mordmerkmalen

9. Mai 2023

13 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs Illustration: A und B planen den Tod des in einer Lagerhalle gefesselten Opfers O1.

A und B planen, Menschen in eine Halle zu locken, sie um ihr Geld zu erpressen und dann zu töten. Sie locken nacheinander O1 und O₂ in eine Lagerhalle, fesseln sie und nehmen beiden ihr mitgeführtes Bargeld ab. Danach erdrosseln sie sie und werfen sie in ein Gebüsch.

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Einordnung des Falls

Grundsätzlich müssen Mordmerkmale zum Zeitpunkt der Tatbegehung vorliegen (Koinzidenzprinzip). In diesem Beschluss bestätigt der BGH seine Vorverlagerungsrechtsprechung und erweitert sie auf Fälle, in denen das Opfer vor der Tötung in eine hilflose Position gebracht wird und diese günstige Gelegenheit bis zur Tötung fortwirkt. Das Mordmerkmal der Heimtücke kann demnach auch bereits vor der Tötungshandlung verwirklicht sein. Zudem stellt der BGH klar, dass es zur Erfüllung des Mordmerkmals der Verdeckungsabsicht bei zweiaktigen Geschehen genügt, dass die Tötungsabsicht bereits vor der Begehung der zu verdeckenden Tat gefasst war.

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Haben A und B sich wegen gemeinschaftlichen Totschlags in zwei Fällen strafbar gemacht (§§ 212 Abs. 1, 25 Abs. 2 StGB)?

Genau, so ist das!

Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird gemäß § 212 Abs. 1 BGB wegen Totschlags bestraft. Begehen mehrere die Straftat gemeinschaftlich, so wird gemäß § 25 Abs. 2 StGB jeder als Täter bestraft. A und B haben gemeinschaftlich sowohl O1 als auch O₂ getötet und damit den objektiven Tatbestand erfüllt. Dies taten sie auch vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft. Der Tatbestand des Totschlags bezeichnet den „Normalfall“ der vorsätzlichen Tötung. § 212 Abs. 1, 25 Abs. 2 StGB liegen hier unproblematisch vor. Solltest Du so einen Fall in der Klausur haben, gewinnst Du nichts durch langwierige Obersatzbildung, Definitionen und Subsumtion. Auch wenn Du Dich davor fürchtest: Wenn Du einen offensichtlich gegebenen Tatbestand einfach knapp abhandelst, zeigst Du Souveränität. Keine Sorge, in der Klausur wird es noch genug andere Probleme geben!
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2. Ist Mörder, wer einen anderen Menschen tötet und dabei mindestens eines von neun Mordmerkmalen erfüllt (§ 211 Abs. 2 StGB)?

Ja, in der Tat!

Mörder ist, wer aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen, heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken, einen Menschen tötet (§ 211 Abs. 2 StGB). Die neun Mordmerkmale des § 211 Abs. 2 StGB werden unterschiedlich systematisiert: Teilweise werden sie in mehrere Gruppen mit einzelnen Varianten aufgeteilt, teilweise auch die einzelnen Mordmerkmale als Varianten durchnummeriert. Welcher Systematik und Zitierweise Du in der Klausur folgst, ist unerheblich. Entscheidend ist, dass Du erkennbar machst, welches Merkmal du prüfst.

3. Tötet Heimtückisch, wer die auf Arglosigkeit beruhende Wehrlosigkeit seines Opfers ausnutzt (§ 211 Abs. 2 Gruppe 2 Var. 1 StGB)?

Ja!

Heimtücke meint das bewusste Ausnutzen der auf Arglosigkeit beruhenden Wehrlosigkeit des Opfers in feindlicher Willensrichtung. Arglos ist, wer sich zum Zeitpunkt der Tat eines Angriffs vonseiten des Täters nicht versieht. Wehrlosigkeit ist gegeben, wenn dem Opfer die natürliche Abwehrbereitschaft und -fähigkeit fehlt oder stark eingeschränkt ist. Teile der Literatur fordern darüber hinaus noch einen besonders verwerflichen Vertrauensbruch des Täters zum Opfer. Mehr dazu in unserem systematischen Kurs zum Mord.

4. Waren O1 und O2 im Zeitpunkt der Tötung arglos?

Nein, das ist nicht der Fall!

Arglos ist, wer sich zum Zeitpunkt der Tat eines Angriffs vonseiten des Täters nicht versieht. BGH: Maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen der Arglosigkeit ist der Zeitpunkt, in dem der Täter erstmals mit Tötungsvorsatz unmittelbar zur Tötung ansetzt. Beim Eintritt der Tat in das Versuchsstadium muss das Opfer arglos gewesen sein. A und B haben noch nicht unmittelbar zur Tötung angesetzt, als sie die O1 und O₂ in die Lagerhalle lockten. Denn nach dem Tatplan waren jeweils weitere Zwischenakte zu tatbestandsfremden Zwecken (Raub, Erpressung) vorgesehen. Beim Anlocken fehlte der erforderliche enge räumliche und situative Zusammenhang zu dem Tötungsgeschehen. In dem Zeitpunkt, als sich der die Tat unmittelbar ausführende Angeklagte O1 und O₂ annäherte, um sie zu erdrosseln, waren O1 und O₂ aufgrund der vorangegangenen gegen sie angewandten Gewalt nicht mehr arglos (RdNr. 12).

5. Haben A und B ihre Opfer nach Ansicht des BGH dennoch heimtückisch getötet (§ 211 Abs. 2 Gr. 2 Var. 1 StGB)?

Ja, in der Tat!

BGH: Bei einer geplanten Tat könne die Heimtücke auch in den listigen Vorkehrungen liegen, die der Täter mit trifft, um eine Tötungsgelegenheit zu schaffen, wenn sie bei der Tötung fortwirken. Wird das Opfer mit Tötungsvorsatz in eine Falle gelockt, die zu einer Unterlegenheit des Opfers im Zeitpunkt der Tötung führt, komme es daher nicht mehr darauf an, ob es zu Beginn der Tötungshandlung noch arglos ist. Es reiche aus, dass der Täter das zuerst arglose Opfer in eine wehrlose Lage bringt und zu diesem Zeitpunkt schon Tötungsvorsatz hat. Dies verhindere eine ungerechtfertigte Einengung des Anwendungsbereichs der Heimtücke. O1 und O₂ waren infolge ihrer ursprünglichen Arglosigkeit wehrlos, weil sie in ihren Abwehrmöglichkeiten fortdauernd so eingeschränkt waren, dass sie sich nicht mehr verteidigen konnten (RdNr. 13). Die wohl h.L. folgt dem BGH. Andere Teile sehen diese Vorverlagerung des für die Arglosigkeit maßgeblichen Zeitpunkts kritisch und lösen entsprechende Fälle u.U. über § 212 Abs. 2 StGB (besonders schwerer Fall des Totschlags). Wieder andere Teile befürworten eine noch weiterreichende Vorverlagerung.

6. Können A und B ihre Opfer auch zur Verdeckung einer anderen Straftat getötet haben (§ 211 Abs. 2 Gr. 3 Alt. 2 StGB)?

Ja!

BGH: Einen Verdeckungsmord im Sinne des § 211 Abs. 2 StGB begeht, wer tötet, um dadurch eine vorangegangene Straftat als solche oder auch Spuren zu verdecken, die bei einer näheren Untersuchung Aufschluss über bedeutsame Tatumstände, insbesondere zur Täterschaft, geben könnten. Du musst immer alle Mordmerkmale prüfen, die nach dem Klausursachverhalt in Betracht kommen. Dies ist gerade mit Blick auf die u.U. fehlende Tragfähigkeit eines Mordmerkmals entscheidend, um Dein Ergebnis insgesamt zu „halten“.

7. A und B hatten die spätere Tötung ihrer Opfer im Zeitpunkt der Begehung der zu verdeckenden Tat bereits geplant. Scheidet ein Verdeckungsmord (§ 211 Abs. 2 Gr. 3 Alt. 2 StGB) daher aus?

Nein, das ist nicht der Fall!

BGH: Dass die spätere Tötung im Zeitpunkt der Begehung der zu verdeckenden Tat bereits geplant war, steht der Annahme eines Verdeckungsmordes (§ 211 Abs. 2 Gr. 3 Alt. 2 StGB) nicht entgegen, wenn es sich bei der zu verdeckenden Vortat und der Tötung um ein zweiaktiges Geschehen handelt (RdNr. 18). BGH: A und B planten jeweils zweiaktige Geschehen (Beuteerlangung und Tötung). Die Tathandlungen der Grunddelikte - die verdeckt werden sollten - waren nicht auf Tötung gerichtet und im Zeitpunkt des Beginns der Tötungshandlungen bereits vollendet (RdNr. 19). § 211 Abs. 2 Gr. 3 Alt. 2 StGB ist daher erfüllt. Keine Verdeckungsabsicht (§ 211 Abs. 2 Gr. 3 Alt. 2 StGB) liegt vor, wenn der Täter nur diejenige Tat verdecken will, die er gerade begeht, etwa wenn er einen bereits aus anderen Motiven begonnenen Tötungsversuch nun auch aus Angst vor Strafverfolgung fortsetzt. In diesem Fall macht allein die im Fortgang der Tatausführung hinzutretende Verdeckungsabsicht die davor begangenen Einzelakte nicht zu einer anderen Tat.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

PAT

Patrick

6.3.2022, 03:17:18

Hallo Jurafuchs Team. Könnt ihr konkretisieren, was hier mit Tat gemeint ist? Prozessual würde ich das Geschehen als einheitliche Tat werten, es ist so wie geschildert ein zusammenhängender einheitlicher Lebensvorgang. Materiell liegt für das Geschehen ein einheitlicher Willensentschluss vor, auch wenn es sich objektiv um 2 Handlungen handelt. Die Abgenzung der einzelnen Taten finde ich hier nicht sehr gelungen, was ja aber gerade Voraussetzung für den Verdeckungsmord ist.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

14.3.2022, 16:02:03

Hallo Patrick, in der Tat liegt der Schwerpunkt der Prüfung beim Verdeckungsmord immer auf dem Merkmal der "anderen Tat". Vorliegend ist der Tötung hier der erpresserische Menschenraub (mit Todesfolge) und die

räuberische Erpressung

(mit Todesfolge) vorangegangen. Insoweit liegt ein zweiaktiges Geschehen vor, sodass man ohne weiteres einen Verdeckungsmord bejahen kann. Dabei hat der BGH auch klargestellt, dass es unschädlich sei, dass der

Tötungsvorsatz

bereits bei Beginn der ersten Tat bestanden habe. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

TI

Tinki

4.12.2024, 14:10:34

@[Lukas_Mengestu](136780) prüfe ich dann in Fällen, in denen der Verdeckungsmord in Betracht kommt, immer erstmal die

Vortat

? Wahrscheinlich sowieso, weil chronologische Prüfung? Andererseits soll man ja immer mit dem schwersten Delikt anfangen... Wie kann ich am besten in der Klausur vorgehen?

MAX

Maxi97

24.3.2022, 02:47:54

Hatte der BGH hier auch

Habgier

angenommen bzw. diese wenigstens angesprochen?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

25.3.2022, 16:11:21

Hallo Maxi97, bereits die Vorinstanz hatte sich mit der

Habgier

auseinandergesetzt und diese im Ergebnis verneint (vgl. LG Frankenthal, BeckRs 2018, 52690). Dabei hat es insbesondere auf die Rechtsprechung des BGH abgestellt, dass bei einem

Motivbündel

Habgier

nur dann angenommen werden könne, wenn das Gewinnstreben tatbeherrschend und damit bewussstseinsdominant war. Dies hatte es hier abgelehnt, da die Tötung nicht erforderlich war, um sich die Beute zu sichern. Vielmehr war das Opfer bereits gefesselt und in gesichtertem Gewahrsam der Täter. Insofern bestand keine unmittelbare Be

drohung

für den Erhalt der Beute - weswegen die Tötung primär auf die Verdeckung der Tat gerichtet war. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

MARCU

Marcuscz

10.4.2022, 10:42:12

Liebes Jurafuchs Team: Sollte die Definition der

Heimtücke

nicht noch um das Element "in feindlicher Willensrichtung" ergänzt werden? Ferner müsste ja auch noch der besondere Vertrauenbruch als strittiges Element behandelt werden oder nicht? Liebe Grüße!

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

11.4.2022, 16:52:04

Danke für den Hinweis, Marcuscz. Die feindliche Willensrichtung haben wir hier noch mit aufgenommen. Ein Teil der Literatur verlangt in der Tat zur Einschränkung des weiten

Heimtücke

begriffs das Merkmal des "besonders

verwerflich

en Vertrauensbruches". Die h.M. lehnt dieses indes ab, da das Merkmal einerseits zu unscharf sei und andererseits auch "Meuchelmorde" durch Auftragskiller dem

Heimtücke

strafbestand entziehen würde. Denn auch der Auftragskiller hat kein besonderes Vertrauensverhältnis zu seinem Opfer. Wir haben zur Ansicht nun einen Vertiefungshinweis mit aufgenommen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

kithorx

kithorx

17.3.2023, 15:19:55

Die Nr. 3 des 211 II wird in dieser Lektion immer mit "Gr. 3" zitiert (Copy & Paste-Fehler?). Das sollte berichtigt werden. Danke! :)

Nora Mommsen

Nora Mommsen

20.3.2023, 14:29:48

Hallo kithorx, der § 211 Abs. 2 StGB hat tatsächlich keine Nummern. Daher wird üblicherweise von Gruppen gesprochen, insgesamt gibt es drei Gruppen von

Mordmerkmale

n. Es ist daher üblich die Variante einer Gruppe zu benennen. Viele Grüße, Nora -- für das Jurafuchs-Team

Sophix58

Sophix58

24.9.2024, 07:55:18

Huhu, mein Vorschlag ist jetzt weniger konkret auf den spezifischen Inhalt dieser Aufgabe bezogen aber generell wäre es ganz hilfreich, bei diesen etwas "längeren" Entscheidungsnacharbeitungen entweder eine letzte Frage oder eben in den Anmerkungen noch etwas zu den Konkurrenzen zu sagen, insbesondere wenn es nicht nur um ein sondern gleich mehrere verwirklichte Delikte geht. Gerade im Strafrecht tue ich mich zumindest damit etwas schwer und es könnte helfen, ein besseres Gefühl für sie zu bekommen, sie müssen ja ohnehin routinemäßig immer am Ende angegeben werden... Vielleicht lässt sich das ja irgendwie umsetzen, wenn es den Fall nicht noch zu sehr überlastet? :)

Linne Hempel

Linne Hempel

10.10.2024, 17:59:36

Hallo @[Sophix58](22547), danke für deine Anregung! In vielen Fällen weisen wir am Ende des Falles direkt auf die Konkurrenzen hin. Ob wir diese aufnehmen, entscheiden wir von Fall zu Fall unterschiedlich. Gerne werden wir aber zukünftig vermehrt schauen, ob es eines Hinweises bezüglich der Konkurrenzen bedarf / für diesen noch Platz ist. Viele Grüße – Linne, für das Jurafuchs-Team

LS2024

LS2024

5.6.2025, 13:52:22

Liebes Jurafuchs-Team, dieser Fall ist ein Beispiel für ein Problem, das mich daran hindert, Jurafuchs uneingeschränkt weiterzuempfehlen. Die Erklärung ist so inhaltsleer, dass anhand dieser Aufbereitung zu lernen bedeutet, dass man entweder schon die Hintergründe der rechtlichen Beurteilung kennt oder dass man bloß auswendig lernt. Denn die Erklärung der Rechtsprechung des BGH ist so dürftig, dass ich sie nicht auf Anhieb verstehe. Vielleicht bin ich speziell begriffsstutzig, aber ich glaube, dass eine Lernapp gerade auch Menschen wie mir ein produktives Lernen ermöglichen sollte. Hier mal aufgedröselt mein Problem mit der Aufgabe: Es wird weit überwiegend bloß die Rechtsprechung des BGH im Ergebnis wiedergegeben, ohne dass es eine nachvollziehbare Erklärung gäbe. “BGH: Bei einer geplanten Tat könne die

Heimtücke

auch in den listigen Vorkehrungen liegen, die der Täter mit trifft, um eine Tötungsgelegenheit zu schaffen, wenn sie bei der Tötung fortwirken. Wird das Opfer mit

Tötungsvorsatz

 in eine Falle gelockt, die zu einer Unterlegenheit des Opfers im Zeitpunkt der Tötung führt, komme es daher nicht mehr darauf an, ob es zu Beginn der Tötungshandlung noch

arglos

ist. Es reiche aus, dass der Täter das zuerst

arglos

e Opfer in eine wehrlose Lage bringt und zu diesem Zeitpunkt schon

Tötungsvorsatz

hat. Dies verhindere eine ungerechtfertigte Einengung des Anwendungsbereichs der

Heimtücke

.” Fangen wir mit dem ersten Satz an. Dieser ist eine bloße Feststellung. Verhalten X kann Tatbestandsmerkmal Y erfüllen. Der zweite Satz erweckt den Anschein einer Begründung; “somit”. Aber da sich das “somit” auf den ersten Satz bezieht, fehlt faktisch eine Begründung, denn der erste Satz ja bloß eine Feststellung war. Einzig der letzte Satz enthält ein (Schein-)Argument. Denn dieses Argument funktioniert nur, wenn man erklärt, warum denn die Einengung hier ungerechtfertigt wäre. Was ich also hier lesen müsste, um den Gedankengang des BGH nachvollziehen zu können: “Eigentlicher Grund für die Strafschärfung wegen

Heimtücke

ist nicht die

Arglosigkeit

als solche. Letztlich geht es vor allem um eine Strafschärfung aufgrund der Verringerung der Abwehrchancen des Opfers (

Wehrlosigkeit

), also eine gesteigerte Gefährlichkeit der Tatausführung für das Opfer. Da das Locken in einen Hinterhalt die Abwehrchancen des Opfers genauso verringert wie die

Arglosigkeit

im Zeitpunkt der Tatausführung, wäre es eine ungerechtfertigte Einengung,

diesen Fall

nicht unter das Mordmerkmal der

Heimtücke

zu fassen. Deshalb muss es ausreichend sein, wenn die

Arglosigkeit

im Zeitpunkt des Lockens in den Hinterhalt vorliegt.” Damit hätten wir einen mMn deutlich verständlicheren, da in einfachen Worten begründeten und im Gutachtenstil aufgebauten, rechtlichen Maßstab. Das selbe Problem wiederholt sich hier: “BGH: Dass die spätere Tötung im Zeitpunkt der Begehung der zu verdeckenden Tat bereits geplant war, steht der Annahme eines Verdeckungsmordes (§ 211 Abs. 2 Gr. 3 Alt. 2 StGB) nicht entgegen, wenn es sich bei der zu verdeckenden

Vortat

und der Tötung um ein zweiaktiges Geschehen handelt (RdNr. 18).” Schöner rechtlicher Maßstab. Mir fehlt aber eine Begründung, um ihn zu verstehen. Besser: “Für eine

Verdeckungsabsicht

bedarf es einer Tat, die verdeckt werden kann. Wird eine Tat in einem Akt begangen und verdeckt, so ist die Tat erst abgeschlossen, sobald die Tat verdeckt wurde. Somit kann bei einer Begehung und Verdeckung in einem Akt keine

Verdeckungsabsicht

gebildet werden. Findet jedoch zwischen Tat und Verdeckung eine

Zäsur

statt, so liegt bereits eine abgeschlossene Tat vor. Im Rahmen eines solchen zweiaktigen Vorgehens kann also eine

Verdeckungsabsicht

gebildet werden. Entscheidend dafür, ob bei der von vornherein geplanten Verdeckung eine

Verdeckungsabsicht

bejaht werden kann, ist also, ob zwischen Tat und Verdeckung eine

Zäsur

liegt (vgl. BGH NStZ 2003, 259 Rn. 8 f.).” Beide Vorschläge habe ich jetzt nur kurz recherchiert und nicht weitergehend überprüft. Insofern können sie durchaus Fehler enthalten (deren Aufdeckung sehr hilfreich wäre). Aber ich hoffe, dass zumindest klar wird, was ich problematisieren möchte und wie man es meines Erachtens besser machen kann. Mir ist es ein Anliegen, dass die Jurafuchs App besser wird. Ich finde das Gesamtkonzept super. Und in seiner besten Form kann ich mir kein Lernkonzept vorstellen, das besser geeignet wäre, um sich auf Klausuren und das Staatsexamen vorzubereiten. Darüber was die beste Form ist, lässt sich natürlich streiten. Ich hoffe jedenfalls, dass mein Feedback dabei helfen kann, diese beste Form zu erreichen.

RO

ronjakrp

9.6.2025, 17:39:12

Ich kann mich nicht mit dem Gedanken anfreunden, dass zwischen der ersten und zweiten Tötungshandlung eine deutliche

Zäsur

dazwischenliegen muss, damit sie eine „andere Tat“ darstellt, die Gegenstand eines Verdeckungsmordes sein kann. Ich würde eine am Beginn eines einheitlichen Tötungsgeschehens stehende versuchte Tötung und die dabei begangene Körperverletzung als verdeckungstaugliche „andere Straftat“ einstufen. Ist das vertretbar?


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