Zivilrecht

Schuldrecht Allgemeiner Teil

Rücktritt

Rücktritt vor Fälligkeit, § 323 Abs. 4 BGB

Rücktritt vor Fälligkeit, § 323 Abs. 4 BGB

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

K kauft bei V für eine bevorstehende Weihnachtsfeier einen Pullover. Eine Woche vor dem vereinbarten Liefertermin (12.12) erfährt sie, dass V Lieferschwierigkeiten habe und in diesem Jahr nichts mehr liefern könne. Daraufhin fordert K am 9.12 ihr Geld zurück.

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Einordnung des Falls

Rücktritt vor Fälligkeit, § 323 Abs. 4 BGB

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. K kann nach § 346 Abs. 1 BGB den Kaufpreis zurückverlangen, wenn sie wirksam den Rücktritt ausgeübt hat.

Genau, so ist das!

Durch den wirksamen Rücktritt wird der ursprüngliche Vertrag in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt und die Parteien müssen die jeweils empfangenen Leistungen und Nutzungen zurückgewähren (§ 346 Abs. 1 BGB). Ein wirksamer Rücktritt setzt (1) eine Rücktrittserklärung und (2) einen Rücktrittsgrund voraus. (3) Zudem darf der Rücktritt nicht ausgeschlossen sein. Achte darauf, dass bei Rückgewähransprüchen die Rechtsfolge aus §§ 346 ff. BGB resultiert. Diese sind als Anspruchsgrundlage im Obersatz zu zitieren.
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2. K hat den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt.

Ja, in der Tat!

Der Rücktritt erfordert nach § 349 BGB eine Erklärung gegenüber dem anderen Teil (=Rücktrittserklärung). Hierbei handelt es sich um eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärungen, die nach dem objektiven Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB) auszulegen ist.Ausdrücklich hat K den Rücktritt nicht erklärt. Indem sie den gezahlten Kaufpreis zurückforderte, hat sie aber konkludent zum Ausdruck gebracht, dass sie nicht mehr an dem Vertrag festhalten und diesen rückabwickeln wolle.

3. Sofern die Voraussetzungen des § 323 Abs. 1 BGB vorliegen, steht K ein gesetzliches Rücktrittsrecht zu.

Ja!

Das Rücktrittsrecht nach § 323 Abs. 1 BGB setzt voraus: (1) gegenseitiger Vertrag, (2) wirksamer, fälliger und einredefreier Anspruch, (3) Nichterbringung der Leistung bei Fälligkeit bzw. nicht ordnungsgemäßer Leistung und (4) erfolglose Fristsetzung (§ 323 Abs. 1-3 BGB).In Zusammenhängen zu lernen, erspart viel Arbeit! Die Voraussetzungen kennst Du bereits aus den Einheiten zum Schadensersatz (§ 281 BGB). Allerdings bedarf es für den Rücktritt im Gegensatz zum Schadensersatz keines Verschuldens.

4. K kann frühestens mit Fälligkeit der Leistung am 12.12 den Rücktritt erklären.

Nein, das ist nicht der Fall!

Grundsätzlich setzt § 323 Abs. 1 BGB eine fällige Leistungspflicht voraus. Ausnahmsweise kann der Gläubiger aber schon vor Fälligkeit zurücktreten (§ 323 Abs. 4 BGB). Dazu muss feststehen, dass der Schuldner seine Leistung nicht rechtzeitig erbringen und auch nicht innerhalb einer angemessenen Nachfrist nachholen kann (=antizipierter Vertragsbruch)Da V das gesamte restliche Jahr seine Lieferpflichten nicht erfüllen kann, ist nicht damit zu rechnen, dass er den Pullover am 12.12 bzw. innerhalb einer angemessenen Nachfrist liefert. Somit kann K direkt zurücktreten.Beim Schadensersatz fehlt es an einer Regelung, die § 323 Abs. 4 BGB entspricht. Die Relevanz ist aber ohnehin begrenzt, da häufig nicht sicher feststellbar ist, ob der Schuldner rechtzeitig leisten wird.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

CR7

CR7

14.2.2023, 10:22:17

Eine Aufgabe, die den Rücktritt und den Schadensersatz spiegelt, wäre cool! Bspw. § 323 und 281, 326 und 283, 324 und 282 -> dann muss man nicht so viel auswendig lernen :D

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

14.2.2023, 18:53:40

Lieben Dank für den Hinweis, A.F. Meinst Du eine Aufgabe, in der sowohl Rücktritt als auch Schadensersatz geprüft werden? Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

CR7

CR7

14.2.2023, 19:23:03

Ja, also im Rep haben wir das mit der Spiegelung gelernt. Die Frage war: „Welcher Rücktrittsnorm korrespondiert mit welchem SE-Anspruch?“

MAT

Matteo10

8.11.2023, 11:35:47

Wissenswert ist auch, dass ein Rücktritt zwar vor Fälligkeit nach Abs. 4 möglich ist aber nach BGH auch gerade nur bis Fälligkeit. Grund liegt im Entfall der Erfüllungsgefährdung, die Abs. 4 wiederspiegelt. Danach sei wieder 323 I anwendbar und nur nach erfolgloser Fristsetzung ein Rücktritt möglich. Also würde K hier vor Fälligkeit eine Frist setzen und ihren Rücktritt dann nach Fälligkeit (ohne erneute Fristsetzung) ausüben, hätte sie sozusagen doppelt falsch gehandelt. Ganz spannender Klausurfall wie ich finde :)


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