Zivilrecht

Schuldrecht Allgemeiner Teil

Rücktritt

Ernsthaft und endgültig verweigert - § 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB

Ernsthaft und endgültig verweigert - § 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB

21. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

K kauft von V eine Küche, die V einbauen soll. V baut die Küche komplett schief ein. K verlangt von V mehrfach, dies zu beheben. V beharrt dagegen darauf, erst nach vollständiger Zahlung des Kaufpreises nachzubessern. K tritt daraufhin vom Vertrag zurück.

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Einordnung des Falls

Ernsthaft und endgültig verweigert - § 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Durch den Abschluss des Kaufvertrags, hat sich K verpflichtet, den Kaufpreis für die Küche zu bezahlen.

Ja!

Bei Abschluss eines Kaufvertrages ist der Käufer verpflichtet, dem Verkäufer den vereinbarten Kaufpreis zu bezahlen (§ 433 Abs. 2 BGB). K und V haben einen Kaufvertrag mit Montageverpflichtung über die Küche geschlossen. K war somit verpflichtet, diese zu bezahlen.
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2. Sofern K berechtigt war zurückzutreten, ist Vs Anspruch auf den Kaufpreis erloschen.

Genau, so ist das!

Durch den wirksamen Rücktritt wird ein Vertrag in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt. Damit entfallen noch nicht erfüllte primäre Ansprüche aus dem ursprünglichen Schuldverhältnis. Außerdem müssen bereits empfangene Leistungen und Nutzungen zurückgewährt werden (§ 346 Abs. 1 BGB). Ein wirksamer Rücktritt setzt (1) eine (rechtzeitige) Rücktrittserklärung und (2) einen Rücktrittsgrund voraus. (3) Zudem darf der Rücktritt nicht ausgeschlossen sein.K hat den Rücktritt erklärt (§ 349 BGB). Es kommt insoweit auf das Bestehen eines Rücktrittsgrundes an.

3. Da V die Küche schief eingebaut hat, könnte K ein Rücktrittsgrund nach § 323 BGB zustehen.

Ja, in der Tat!

Das Rücktrittsrecht nach § 323 Abs. 1 BGB setzt voraus: (1) gegenseitiger Vertrag, (2) wirksamer, fälliger (ggfs. (entbehrlich gem. § 323 Abs. 4) und einredefreier Anspruch, (3) Nichterbringung der Leistung bei Fälligkeit bzw. nicht ordnungsgemäßer Leistung und (4) erfolglose Fristsetzung (§ 323 Abs. 1-3 BGB).

4. V hat seine Leistung vertragsgemäß erbracht.

Nein!

Nicht vertragsgemäß ist die Leistung erbracht, wenn ihr Inhalt oder die Art ihrer Erbringung in irgendeiner Weise von dem abweicht, was Gesetz oder Parteivereinbarung festgelegt haben. Beim Kaufvertrag ist dies der Fall, wenn ein Sachmangel vorliegt (§ 434 Abs. 1 BGB nF). Ist zusätzlich zur Übereignung und Übergabe auch die Montage geschuldet, so liegt ein Mangel vor, wenn die Montage nicht sachgemäß durchgeführt worden ist (§ 434 Abs. 3 Nr. 2a BGB nF). V hat die gesamte Küche schief eingebaut. Damit fehlt es an der ordnungsgemäßen Montage und ein Sachmangel zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs liegt vor (§ 434 Abs. 1 BGB nF).

5. K konnte verlangen, dass V die Küche ordnungsgemäß montiert (§§ 437 Nr. 1, 439 BGB).

Genau, so ist das!

Ist die Sache mangelhaft, kann der Käufer nach § 439 BGB Nacherfüllung verlangen . Er kann dabei als Nacherfüllung nach seiner Wahl die Beseitigung des Mangels (Nachbesserung) oder die Lieferung einer mangelfreien Sache (Nachlieferung) verlangen (§ 439 Abs. 1 BGB).Da V die Küche fehlerhaft eingebaut hat, hat K einen Anspruch aus §§ 437 Nr. 1, 439 BGB, dass V diese ordnungsgemäß nachbessert.

6. V kann vor der Nacherfüllung zunächst den Kaufpreis verlangen. Ks Nacherfüllungsanspruch ist deshalb noch nicht fällig.

Nein, das trifft nicht zu!

Liefert der Verkäufer eine mangelhafte Sache, hat der Käufer einen Nacherfüllungsanspruch (§§ 437 Nr. 1, 439 Abs. 1 BGB). Dieser Nacherfüllungsanspruch steht mit der Kaufpreiszahlungspflicht in einem Gegenseitigkeitsverhältnis (Synallagma), ebenso wie der ursprüngliche Erfüllungsanspruch (§ 433 Abs. 1 S. 2 BGB). Solange der Verkäufer diese Pflicht nicht erfüllt, kann der Käufer deshalb die Leistung verweigern (§ 320 Abs. 1 BGB, Einrede des nichterfüllten Vertrags). K muss nicht mit dem Kaufpreis in Vorleistung gehen, sondern nur Zug-um-Zug gegen Nacherfüllung zahlen.

7. Da K keine Nachfrist gesetzt hat, ist ihr Rücktritt unwirksam.

Nein!

Die nach § 323 Abs. 1 BGB zu setzende Frist ist entbehrlich wenn der Schuldner die Erfüllung ernsthaft und endgültig verweigert (§ 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn der Schuldner eindeutig zum Ausdruck bringt, er werde seinen Verpflichtungen nicht nachkommen. Die Weigerung muss das letzte Wort des Schuldners sein.V hat darauf beharrt, dass K in Vorleistung gehen muss. Er zeigte sich insoweit auch gänzlich uneinsichtig. Vor diesem Hintergrund kommt es auch nicht darauf an, ob sich V hier in einem Rechtsirrtum befand. Aus den Gesamtumständen durfte K schließen, die Ablehnung sei endgültig. Gleiches gilt beim Schadensersatz! Hierzu folgender Fall !
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Simon

Simon

25.12.2021, 22:25:15

Bei mir ergeben sich noch zwei Fragen bzgl. des Falles: 1) Durch die Montageverpflichtung enthält der Kaufvertrag ja auch ein werkvertragliches Element. Stellt man für den

Gefahrübergang

daher auf § 644 I 1 (Abnahme) oder auf § 446 S. 1 (Übergabe, d.h. hier wohl Einbau der Küche) ab? 2) Liegt die für den Rücktritt relevante Pflichtverletzung im mangelhaften Einbau oder in der unterblieben Nacherfüllung? Für eine kleine Hilfe wäre ich sehr dankbar :)

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

28.12.2021, 19:27:43

Hallo Simon, vielen Dank für Deine Fragen. zu 1): Sofern man bei der Abgrenzung zwischen

Kaufvertrag mit Montageverpflichtung

und Werkvertrag dazu gekommen ist, dass ein Kaufvertrag vorliegt, richtet sich alles weitere nach den §§ 433 ff. BGB, also auch der

Gefahrübergang

. Die Preisgefahr geht dabei dann erst mit Einbau der Küche über - nicht bereits bei Anlieferung der Teile (vgl. zum Fall einer Photovoltatikanlage: LG Freiburg, Urt. v. 10.3.2014 - 12 O 139/13). zu 2): Du kannst sowohl auf die ursprüngliche Mangelhaftigkeit, als auch auf die unterbliebene Nacherfüllung abstellen. In der Regel werden aber beide vorliegen, da es für einen wirksamen Rücktritt nach §§ 437 Nr. 2, 323 BGB grundsätzlich einer erfolglos abgelaufenen

Frist zur Nacherfüllung

bedarf.

CR7

CR7

14.2.2023, 10:33:47

Was heißt hier Zug-um-Zug? Während K das Geld überweist muss V die Küche begradigen?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

14.2.2023, 18:52:04

Hallo A.F., hier müsste V erst einmal die Küche ordnungsgemäß einbauen, da erst darin das Anbieten seiner Leistung besteht, K müsste seinerseits dann unmittelbar das Geld überweisen/bezahlen. Sofern das ganze streitig vor Gericht gelandet ist, könnte die Zwangsvollstreckung nur erfolgen, wenn K seine geschuldete Leistung dem Gerichtsvollzieher vorab übergeben hat, der diese V dann im Gegenzug für die Nacherfüllung übergeben würde (vgl. §§ 756, 765 ZPO). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

ENU

ehemalige:r Nutzer:in

19.8.2023, 11:44:37

Bei der Antwort zur vierten Frage muss es doch § 434 IV Nr. 1 BGB nF heißen, oder? Dort steht drin, dass bei einer Montage ein Sachmangel vorliegt, wenn die Montage nicht sachgemäß durchgeführt worden ist. Das steht nicht in dem von Euch zitierten § 434 III Nr. 2 lit. a) BGB nF. Korrekterweise müsste man den Sachmangel also gem. §§ 434 I, IV Nr. 1 BGB zitieren, da die Montageanforderungen in Abs. 1 ja gerade als Alternative zu den subjektiven (§ 434 II) und objektiven (§ 434 III) Anforderungen genannt werden.

MAG

MagicMarv

19.9.2023, 14:26:55

Kann nicht V unter Berufung auf

§ 320 BGB

genauso die Nacherfüllung bis zur Kaufpreiszahlung durch K verweigern?

LELEE

Leo Lee

23.9.2023, 19:12:47

Hallo MagicMarv, so ist es, da hier keine Vor

leistungspflicht

gem. § 322 BGB zu erkennen ist. Deshalb werden beide Verpflichtet, Zug-um-Zug die Leistungen zu erbringen (d.h. zwar theoretisch gleichzeitig, was jedoch in der Praxis nicht der Fall sein wird) :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

Denislav Tersiski

Denislav Tersiski

3.11.2023, 12:01:10

Muss der Käufer vorliegend nicht seine Gegenleistung (Kaufpreiszahlung) ausdrücklich oder wenigstens

konkludent

anbieten, da andernfalls das bloße Bestehen der §§ 320,322 BGB des Verkäufers den Rücktritt verhindert? Steht so in Grüneberg 323 Rd. 15. Zu einem derartigen Angebot des Käufers enthält der Sachverhalt aber keine Angaben...

LELEE

Leo Lee

4.11.2023, 10:31:51

Hallo Denislav tersiski, das ist natürlich ein nachvollziehbarer Gedanke. Beachte allerdings, dass wir den Fall aus der Warte des Käufers aus lösen (also ob er zurücktreten darf oder nicht). Und von der Perspektive des K aus ist die Rechtslage die folgende: Er möchte zurücktreten, dafür braucht er einen fälligen und durchsetzbaren Anspruch auf die Primärleistung (zunächst Lieferung der Küche, nach

Gefahrübergang

nunmehr der modifizierte Erfüllunganspruch der Nacherfüllung!). D.h. die Frage lautet, ob der Verkäufer dem Käufer gegenüber seine Leistung verweigern darf (also die Nacherfüllung), was dann wiederum zur fehlenden Durchsetzbarkeit führen würde und mithin zum Scheitern des Rücktritts. Allerdings muss ebenfalls beachtet werden, dass der K hier gerade nicht zur Vorleistung verpflichtet ist (wenn er verpflichtet wäre, dann träfe deine Aussage völlig zu). Und weil der K nicht derart verpflichtet ist, muss der Verkäufer also seinerseits zuerst leisten (bzw. Zug-um-Zug zuvorkommen), weshalb der K hier kein Angebot seinerseits zunächst machen muss. Hierzu kann ich die Lektüre von MüKo-BGB 9. Auflage, Emmerich § 320 Rn. 27 ff. empfehlen :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

LS2024

LS2024

15.5.2024, 16:47:49

@Leo Lee Ich stimme da Denislav zu. Deine Ausführungen kann ich ehrlich gesagt nicht nachvollziehen, denn hier ist ja weder V noch K vor

leistungspflicht

ig, sodass sich beide gleichermaßen auf den

§ 320 BGB

berufen können. Auch der zitierten Stelle aus dem MüKo kann ich nicht entnehmen, warum hier dem V nicht die Einrede des

§ 320 BGB

zustünde.

G0D0FM

G0d0fMischief

5.10.2024, 09:19:39

Woraus ergibt sich die Vor

leistungspflicht

des Verkäufers? Weil wenn den Verkäufer keine Vor

leistungspflicht

trifft kann er sich doch auf

§ 320 BGB

berufen und die Leistung nur Zug um Zug erbringen oder nicht? Hier hat V ja sogar schon geleistet (wenn auch schlecht), sodass es doch unbillig erscheint ihn zu einer Nacherfüllung zu verpflichten, ohne dass die Gegenleistung erbracht werden muss.

LELEE

Leo Lee

6.10.2024, 13:02:17

Hallo G0d0fMischief, vielen Dank für die sehr gute und wichtige Frage! In der Tat ergibt sich dies nicht unmittelbar aus dem Wortlaut. Auch ist nicht ganz klar, woraus sich genau diese Vor

leistungspflicht

des Verkäufers ergeben soll; in der Literatur selbst wird z.B. diese Pflicht "gem. §§ 320 I, 322" begründet, da der Käufer nur Zug um Zug gegen

Übereignung

zahlen muss (was jedoch als Argument wiederum etwas zirkelschlussartig ist). Eine mögliche Erklärung ist, dass die Zahlungspflicht des Käufers gem. 271 I sofort nach Abschluss des Vertrags fällig wird. Wenn er jedoch auch zusätzlich hierzu VOR Übergabe der Sache zahlen müsste, wäre er stets einem hohen Risiko ausgesetzt. Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre vom Schulze BGB 12. Auflage, Saenger § 433 Rn. 13 sehr empfehlen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

G0D0FM

G0d0fMischief

6.10.2024, 16:41:07

Das Argument mit § 271 I BGB ist sehr einleuchtend vielen Dank Leo! :)


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