Zivilrecht
Schuldrecht Allgemeiner Teil
Rücktritt
Ernsthaft und endgültig verweigert - § 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB
Ernsthaft und endgültig verweigert - § 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
K kauft von V eine Küche, die V einbauen soll. V baut die Küche komplett schief ein. K verlangt von V mehrfach, dies zu beheben. V beharrt dagegen darauf, erst nach vollständiger Zahlung des Kaufpreises nachzubessern. K tritt daraufhin vom Vertrag zurück.
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Einordnung des Falls
Ernsthaft und endgültig verweigert - § 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Durch den Abschluss des Kaufvertrags, hat sich K verpflichtet, den Kaufpreis für die Küche zu bezahlen.
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. Sofern K berechtigt war zurückzutreten, ist Vs Anspruch auf den Kaufpreis erloschen.
Genau, so ist das!
3. Da V die Küche schief eingebaut hat, könnte K ein Rücktrittsgrund nach § 323 BGB zustehen.
Ja, in der Tat!
4. V hat seine Leistung vertragsgemäß erbracht.
Nein!
5. K konnte verlangen, dass V die Küche ordnungsgemäß montiert (§§ 437 Nr. 1, 439 BGB).
Genau, so ist das!
6. V kann vor der Nacherfüllung zunächst den Kaufpreis verlangen. Ks Nacherfüllungsanspruch ist deshalb noch nicht fällig.
Nein, das trifft nicht zu!
7. Da K keine Nachfrist gesetzt hat, ist ihr Rücktritt unwirksam.
Nein!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Simon
25.12.2021, 22:25:15
Bei mir ergeben sich noch zwei Fragen bzgl. des Falles: 1) Durch die Montageverpflichtung enthält der Kaufvertrag ja auch ein werkvertragliches Element. Stellt man für den
Gefahrübergangdaher auf § 644 I 1 (Abnahme) oder auf § 446 S. 1 (Übergabe, d.h. hier wohl Einbau der Küche) ab? 2) Liegt die für den Rücktritt relevante Pflichtverletzung im mangelhaften Einbau oder in der unterblieben Nacherfüllung? Für eine kleine Hilfe wäre ich sehr dankbar :)
Lukas_Mengestu
28.12.2021, 19:27:43
Hallo Simon, vielen Dank für Deine Fragen. zu 1): Sofern man bei der Abgrenzung zwischen
Kaufvertrag mit Montageverpflichtungund Werkvertrag dazu gekommen ist, dass ein Kaufvertrag vorliegt, richtet sich alles weitere nach den §§ 433 ff. BGB, also auch der
Gefahrübergang. Die Preisgefahr geht dabei dann erst mit Einbau der Küche über - nicht bereits bei Anlieferung der Teile (vgl. zum Fall einer Photovoltatikanlage: LG Freiburg, Urt. v. 10.3.2014 - 12 O 139/13). zu 2): Du kannst sowohl auf die ursprüngliche Mangelhaftigkeit, als auch auf die unterbliebene Nacherfüllung abstellen. In der Regel werden aber beide vorliegen, da es für einen wirksamen Rücktritt nach §§ 437 Nr. 2, 323 BGB grundsätzlich einer erfolglos abgelaufenen
Frist zur Nacherfüllungbedarf.
CR7
14.2.2023, 10:33:47
Was heißt hier Zug-um-Zug? Während K das Geld überweist muss V die Küche begradigen?
Lukas_Mengestu
14.2.2023, 18:52:04
Hallo A.F., hier müsste V erst einmal die Küche ordnungsgemäß einbauen, da erst darin das Anbieten seiner Leistung besteht, K müsste seinerseits dann unmittelbar das Geld überweisen/bezahlen. Sofern das ganze streitig vor Gericht gelandet ist, könnte die Zwangsvollstreckung nur erfolgen, wenn K seine geschuldete Leistung dem Gerichtsvollzieher vorab übergeben hat, der diese V dann im Gegenzug für die Nacherfüllung übergeben würde (vgl. §§ 756, 765 ZPO). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
ehemalige:r Nutzer:in
19.8.2023, 11:44:37
Bei der Antwort zur vierten Frage muss es doch § 434 IV Nr. 1 BGB nF heißen, oder? Dort steht drin, dass bei einer Montage ein Sachmangel vorliegt, wenn die Montage nicht sachgemäß durchgeführt worden ist. Das steht nicht in dem von Euch zitierten § 434 III Nr. 2 lit. a) BGB nF. Korrekterweise müsste man den Sachmangel also gem. §§ 434 I, IV Nr. 1 BGB zitieren, da die Montageanforderungen in Abs. 1 ja gerade als Alternative zu den subjektiven (§ 434 II) und objektiven (§ 434 III) Anforderungen genannt werden.
MagicMarv
19.9.2023, 14:26:55
Kann nicht V unter Berufung auf
§ 320 BGBgenauso die Nacherfüllung bis zur Kaufpreiszahlung durch K verweigern?
Leo Lee
23.9.2023, 19:12:47
Hallo MagicMarv, so ist es, da hier keine Vor
leistungspflichtgem. § 322 BGB zu erkennen ist. Deshalb werden beide Verpflichtet, Zug-um-Zug die Leistungen zu erbringen (d.h. zwar theoretisch gleichzeitig, was jedoch in der Praxis nicht der Fall sein wird) :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo
Denislav Tersiski
3.11.2023, 12:01:10
Muss der Käufer vorliegend nicht seine Gegenleistung (Kaufpreiszahlung) ausdrücklich oder wenigstens
konkludentanbieten, da andernfalls das bloße Bestehen der §§ 320,322 BGB des Verkäufers den Rücktritt verhindert? Steht so in Grüneberg 323 Rd. 15. Zu einem derartigen Angebot des Käufers enthält der Sachverhalt aber keine Angaben...
Leo Lee
4.11.2023, 10:31:51
Hallo Denislav tersiski, das ist natürlich ein nachvollziehbarer Gedanke. Beachte allerdings, dass wir den Fall aus der Warte des Käufers aus lösen (also ob er zurücktreten darf oder nicht). Und von der Perspektive des K aus ist die Rechtslage die folgende: Er möchte zurücktreten, dafür braucht er einen fälligen und durchsetzbaren Anspruch auf die Primärleistung (zunächst Lieferung der Küche, nach
Gefahrübergangnunmehr der modifizierte Erfüllunganspruch der Nacherfüllung!). D.h. die Frage lautet, ob der Verkäufer dem Käufer gegenüber seine Leistung verweigern darf (also die Nacherfüllung), was dann wiederum zur fehlenden Durchsetzbarkeit führen würde und mithin zum Scheitern des Rücktritts. Allerdings muss ebenfalls beachtet werden, dass der K hier gerade nicht zur Vorleistung verpflichtet ist (wenn er verpflichtet wäre, dann träfe deine Aussage völlig zu). Und weil der K nicht derart verpflichtet ist, muss der Verkäufer also seinerseits zuerst leisten (bzw. Zug-um-Zug zuvorkommen), weshalb der K hier kein Angebot seinerseits zunächst machen muss. Hierzu kann ich die Lektüre von MüKo-BGB 9. Auflage, Emmerich § 320 Rn. 27 ff. empfehlen :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo
LS2024
15.5.2024, 16:47:49
@Leo Lee Ich stimme da Denislav zu. Deine Ausführungen kann ich ehrlich gesagt nicht nachvollziehen, denn hier ist ja weder V noch K vor
leistungspflichtig, sodass sich beide gleichermaßen auf den
§ 320 BGBberufen können. Auch der zitierten Stelle aus dem MüKo kann ich nicht entnehmen, warum hier dem V nicht die Einrede des
§ 320 BGBzustünde.
G0d0fMischief
5.10.2024, 09:19:39
Woraus ergibt sich die Vor
leistungspflichtdes Verkäufers? Weil wenn den Verkäufer keine Vor
leistungspflichttrifft kann er sich doch auf
§ 320 BGBberufen und die Leistung nur Zug um Zug erbringen oder nicht? Hier hat V ja sogar schon geleistet (wenn auch schlecht), sodass es doch unbillig erscheint ihn zu einer Nacherfüllung zu verpflichten, ohne dass die Gegenleistung erbracht werden muss.
Leo Lee
6.10.2024, 13:02:17
Hallo G0d0fMischief, vielen Dank für die sehr gute und wichtige Frage! In der Tat ergibt sich dies nicht unmittelbar aus dem Wortlaut. Auch ist nicht ganz klar, woraus sich genau diese Vor
leistungspflichtdes Verkäufers ergeben soll; in der Literatur selbst wird z.B. diese Pflicht "gem. §§ 320 I, 322" begründet, da der Käufer nur Zug um Zug gegen
Übereignungzahlen muss (was jedoch als Argument wiederum etwas zirkelschlussartig ist). Eine mögliche Erklärung ist, dass die Zahlungspflicht des Käufers gem. 271 I sofort nach Abschluss des Vertrags fällig wird. Wenn er jedoch auch zusätzlich hierzu VOR Übergabe der Sache zahlen müsste, wäre er stets einem hohen Risiko ausgesetzt. Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre vom Schulze BGB 12. Auflage, Saenger § 433 Rn. 13 sehr empfehlen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo
G0d0fMischief
6.10.2024, 16:41:07
Das Argument mit § 271 I BGB ist sehr einleuchtend vielen Dank Leo! :)