Zivilrecht

BGB Allgemeiner Teil

Tatbestand der Willenserklärung

Angebot zum Autokauf mit Tippfehler (Fehlender Geschäftswille)

Angebot zum Autokauf mit Tippfehler (Fehlender Geschäftswille)

12. Dezember 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A möchte der Händlerin B anbieten, ihr Auto für €11.000 abzukaufen. Sie liest und unterschreibt den Brief, der den Antrag zum Verkauf des Autos enthält. Dabei übersieht sie ihren Tippfehler: Statt €11.000 enthält der Brief die Kaufpreisangabe €10.000.

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Einordnung des Falls

Angebot zum Autokauf mit Tippfehler (Fehlender Geschäftswille)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. A hatte beim Unterschreiben des Briefes den Willen und das Bewusstsein, zu handeln (Handlungswille).

Ja!

Mit Handlungswillen handelt, wer den Willen dazu hat, sich in bestimmter, nach außen hervortretender Weise zu verhalten. Der Handlungswille ist elementare Voraussetzung für den inneren Tatbestand der Willenserklärung und muss tatsächlich vorliegen. Anzeichen für das Fehlen des Handlungswillens wären z.B. Handlungen im Schlaf, in Narkose oder Hypnose.Hier kann davon ausgegangen werden, dass A beim Unterschreiben willentlich gehandelt hat. Anzeichen für einen fehlenden Handlungswillen liegen nicht vor.
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2. A hatte beim Unterschreiben des Briefes das Bewusstsein, eine rechtserhebliche Erklärung abzugeben (Erklärungsbewusstsein).

Genau, so ist das!

Das Erklärungsbewusstsein ist der Wille, überhaupt am rechtsgeschäftlichen Verkehr teilzunehmen und durch sein Handeln eine irgendwie rechtsgeschäftlich relevante Erklärung abzugeben. Die Folgen eines Fehlens des Erklärungsbewusstseins für das Vorliegen einer Willenserklärung sind in Rechtsprechung und Lehre umstritten. Nach Rspr. und h.L. liegt bei fehlendem Erklärungsbewusstsein eine Willenserklärung vor, sofern der Empfänger von einer wirksamen Willenserklärung ausgehen konnte und der Erklärende dies bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen können. A wollte, einen Antrag zum Verkauf eines Autos abgeben und hatte damit den Willen am rechtsgeschäftlichen Verkehr teilzunehmen.

3. A hatte beim Unterschreiben des Briefes den Willen und das Bewusstsein, gegenüber B einen Antrag zum Abschluss eines Kaufvertrags über ihr Auto für €10.000 abzugeben (Geschäftswille).

Nein, das trifft nicht zu!

Unter dem Geschäftswillen versteht man den Willen, eine ganz bestimmte Rechtsfolge herbeizuführen. Der Wille des Erklärenden muss - anders als beim Erklärungsbewusstsein - auf ein ganz bestimmtes Rechtsgeschäft konkretisiert sein. A wollte mit B einen Kaufvertrag über ihr Auto zu einem Preis von €11.000 schließen. Nicht umfasst von ihrem Willen war der Tippfehler, der einen Vertragsschluss über €10.000 zur Folge hat. Damit fehlt ihr das Bewusstsein hinsichtlich der konkret erklärten Rechtsfolge und mithin der Geschäftswille.

4. Ohne Geschäftswillen gibt es keine Willenserklärung.

Nein!

Bei fehlendem Handlungswillen erscheint es nicht gerechtfertigt, den Erklärenden an der Erklärung festzuhalten. Weiß der Erklärende dagegen, dass er eine rechtlich erhebliche Erklärung abgibt und irrt sich bloß über deren Inhalt, wäre es mit den Interessen des Erklärungsempfängers unvereinbar, jeden Irrtum für beachtlich zu erklären: Niemand könnte sich auf die Erklärungen anderer verlassen. Dem Erklärenden ist deshalb entgegenzuhalten, er hätte besser aufpassen müssen. Der Erklärende kann eher die Folgen tragen, die sich aus seiner Erklärung ergeben, als der Erklärungsempfänger. Der Geschäftswille ist deshalb kein notwendiger Bestandteil einer Willenserklärung. Die Folgen seines Fehlens regeln die Vorschriften über die Anfechtung (§§ 119ff. BGB).

5. Wer einem Erklärungsirrtum unterliegt, kann die Erklärung anfechten, wenn anzunehmen ist, dass er sie bei Kenntnis der Lage und verständiger Würdigung des Falles nicht abgegeben hätte.

Genau, so ist das!

Dies ergibt sich aus § 119 Abs. 1 Alt. 2 BGB (Erklärungsirrtum). Die Anfechtungsregelung des § 119 BGB zeigt, dass das Gesetz die Willenserklärung zunächst für wirksam erachtet und ergibt im Umkehrschluss, dass ein Irrtum über den Erklärungsinhalt und damit ein fehlender Geschäftswille der Wirksamkeit der Willenserklärung nicht entgegensteht. Erfolgt die Anfechtung, muss der Anfechtende dem Erklärungsempfänger den Schaden ersetzen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf die Gültigkeit der Erklärung vertraut (§ 122 Abs. 1 BGB). So erfolgt ein gerechter Ausgleich zwischen den Interessen von Erklärendem und Erklärungsempfänger. Maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen eines Irrtums ist der Zeitpunkt der Abgabe der Willenserklärung. Liegt die Abgabe zeitlich nach dem ersten Auftreten des Irrtums, so muss dieser fortwirken und im Zeitpunkt der Abgabe noch fortbestehen. Der Irrtum muss sich also kausal auf die (spätere) Willenserklärung auswirken.

6. Die Willenserklärung der A ist trotz fehlendem Geschäftswillen wirksam und bei Annahme durch B kommt ein Kaufvertrag zustande. Kann A ihre Willenserklärung jedoch nach § 119 Abs. 1 BGB anfechten und somit die Wirksamkeit des Kaufvertrags beseitigen (§ 142 Abs. 1 BGB)? A kann ihre Willenserklärung jedoch anfechten (§ 119 Abs. 1 Alt. 2 BGB).

Ja, in der Tat!

Ein zur Anfechtung berechtigender Erklärungsirrtum liegt nach § 119 Abs. 1 Alt. 2 BGB vor, wenn der Erklärende eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben will (z.B. weil er sich verspricht, verschreibt oder vergreift).Infolge des Tippfehlers hat A ein Angebot über den Kauf ihres Autos für 10.000 € erklärt, obwohl sie 11.000 € als Kaufpreis erklären wollte. Da A ihren Irrtum nicht erkannt, wirkte dieser fort bis zur Abgabe der Willenserklärung. Wenn A ihre Willenserklärung wirksam anficht, wird diese rückwirkend nichtig (§ 142 Abs. 1 BGB) und der Kaufvertrag besteht von Anfang an nicht („ex tunc“). Falls A die fristgebundene Anfechtung unterlässt, bleibt die Willenserklärung wirksam.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Vulpes

Vulpes

14.1.2021, 23:31:29

Ich glaube man könnte bei der Frage nach dem

Geschäftswille

n differenzieren. Fehlt der

Geschäftswille

im objektiven TB liegt mMn keine WE vor. Fehlt der

Geschäftswille

im sub. TB liegt sie vor und ist evtl. anfechtbar.

Knowledge with Jan

Knowledge with Jan

1.12.2021, 22:24:07

Naja, nicht unbedingt.

ELEFA

Elefantastisch

13.2.2022, 18:05:57

Es gibt im objektiven TB doch überhaupt keinen

Geschäftswille

n oder nicht

Christian Leupold-Wendling

Christian Leupold-Wendling

31.8.2023, 08:43:51

@[Nora Mommsen](178057)

NatürlichBlond

NatürlichBlond

14.11.2024, 09:25:47

@[Christian Leupold-Wendling](29773) Der Tippfehler in der Frage ist leider immernoch enthalten. Ich bin noch neu - wen verlinkt man in solchen Fällen am besten?

LAW

Law_yal_life

18.9.2023, 13:33:31

Muss man beim GW nicht differenzieren zwischen obj. TB und subj. TB? nur beim letzteren steht doch ein Anfechtungsrecht zu? Oder hab ich mir da was falsch gemerkt?

EB

Elias Von der Brelie

7.12.2023, 19:23:31

Verwechselst du den

Geschäftswille

n vielleicht mit der Willenserklärung generell? Der

Geschäftswille

gehört zum Subjektiven

Tat

bestand der Willenserklärung welche auch einen Objektiven

Tat

bestand hat. Und das Fehlen vom

Geschäftswille

n (subjektiver TB der Willenserklärung) ist für das Zustandekommen der WE nicht relevant. Meinst du vielleicht das? Dass der

Geschäftswille

selbst dann auch noch mal genauso einen Objektiven und Subjektiven

Tat

bestand hat, davon habe ich noch nie gehört und kann ich mir auch schlecht vorstellen. Wäre ja auch völlig überflüssig

MWA

mwally

21.12.2023, 21:48:39

Es geht meiner Ansicht nach darum, dass in den Abschnitten vorher zwischen

Geschäftswille

n im subjektiven

Tat

bestand und dem objektiven

Geschäftswille

n im objektiven

Tat

bestand unterschieden wurde. Objektiv besteht hier kein Problem: aus Sicht eines objektiven Dritten war die Erklärung genau auf die Herbeiführung der bezeichneten Rechtsfolge gerichtet. Subjektiv enthielt die Erklärung einen falschen Preis und ist hier daher anfechtbar.

Linne_Karlotta_

Linne_Karlotta_

31.10.2024, 21:49:23

Hey in die Runde, um hier einer weiteren Verwirrung vorzubeugen: Es gibt keinen objektiven

Geschäftswille

n. Der Begriff „Wille“ an sich ist rein subjektiv. Der Begriff des „objektiven

Geschäftswille

n“ tauchte in einem unsere Schemata auf. Gemeint war hiermit die nach außen (objektiv) erkennbare Äußerung eines

Geschäftswille

ns, also einfach der objektive Erklärungs

tat

bestand der Willenserklärung. Ich habe den Begriff jetzt angepasst, um weitere Verwirrung zu vermeiden. Viele Grüße – Linne, für das Jurafuchs–Team

NichtDavid

NichtDavid

17.4.2024, 12:24:32

Indem gefragt wird, ob eine Anfechtung beim Erklärungsirrtum möglich wäre, „wenn anzunehmen ist, dass sie [diese Erklärung] bei Kenntnis der Sachlage und verständiger Würdigung nicht abgegeben“ worden wäre, wird mE nahegelegt, dass es in irgendeiner Weise auf Kenntnis und

verständige Würdigung

ankäme. Das ist mE nicht der Fall. Beim Erklärungsirrtum, bei dem gerade etwas anderes gesagt wird als gewollt, wäre schon definitionsgemäß ohne Irrtum eine andere Erklärung abgegeben worden. Es ist kein Fall denkbar, in dem der Irrtum nicht zur fehlerhaften Erklärung geführt hat.

Philip

Philip

31.10.2024, 14:45:06

Hey, ich bin mir relativ sicher, dass das Rechtsgeschäft hier nicht anfechtbar ist: Gem. Para 119 I BGB ist eine Willenserklärung nur dann anfechtbar, wenn man während der Abgabe im Irrtum war -> Vorliegend hatte A den Brief aber schon davor geschrieben (Ihren Tippfehler + Sie liest sich den Brief durch, ans

tat

t diesen zu schreiben) und erst danach die Willenserklärung, durch das Unterschreiben und Abschicken des Briefs, abgegeben. Deswegen denke ich, dass A hier nicht wegen eines Erklärungsirrtums gem. 119 I 2. Alt. BGB anfechten kann, oder liege ich hier falsch?

Linne_Karlotta_

Linne_Karlotta_

31.10.2024, 21:36:02

Hey Philip, danke für Deine Frage. Du liegst richtig damit, dass der maßgebliche Zeitpunkt zur Bewertung, ob ein Irrtum vorlag, die Abgabe der Willenserklärung. Allerdings kann ein vorher verursachter Irrtum bis zum Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung fortdauern. Es kann nicht darauf ankommen, wann der Irrtum „entstanden“ ist, sondern vielmehr, welche Vorstellung der Erklärende zum Zeitpunkt der Abgabe der Willenserklärung hatte. Entscheidend ist, dass der ursprüngliche Irrtum die spätere Abgabe der Willenserklärung noch kausal beeinflusst. Der Erklärende muss zum Zeipunkt der Willenserklärung noch von der falschen Vorstellung ausgehen. Hieran fehlt es insbesondere dann, wenn der Irrtum vor der Abgabe der Willenserklärung erkannt wird. In dem Fall hier liegt es so, dass der Irrtum noch fortwirkt. Hier ein zwei weitere Fallbeispiele: 1. Jemand liest eine Preisliste falsch (100€ s

tat

t 1000€) und bestellt später aufgrund dieser falschen Vorstellung die Ware. 2. Ein Kunde verwechselt beim Betrachten der Auslage zwei Produkte und bestellt später das falsch identifizierte Produkt. In der Aufgabe habe ich jetzt einen entsprechenden Vertiefungshinweis eingeführt. Ich hoffe, ich konnte Dir damit weiterhelfen. Beste Grüße – Linne, für das Jurafuchs-Team

Philip

Philip

31.10.2024, 21:51:40

Wenn ich den Fall jetzt aber wie folgt umändere, dass sich A bei der Berechnung des Preises vertut, nämlich, indem sie s

tat

t 5.000€ für den Motor (Nur als Beispiel) lediglich 4.000€ eintippt, und daraufhin ein Gesamtpreis für das Auto i.H.v. 10.000€ ergibt, s

tat

t den 11.000€, dann wäre dies ein unbeachtlicher

Kalkulationsirrtum

, und A könnte deshalb nicht anfechten, da sich der Irrtum vor der Abgabe der WE aufgetan hat. Richtig? Und vielen lieben Dank!

Linne_Karlotta_

Linne_Karlotta_

31.10.2024, 22:24:08

Hey Philip, dieser Fall wäre in der

Tat

anders zu bewerten und zwar deswegen, weil es sich schon gar nicht um einen Irrtum handelt, der die Erklärung selbst betrifft. Noch einmal Stück für Stück: In unserem Fall hier möchte A eigentlich 11.000 Euro sagen, sagt aber aus Versehen nur 10.000 -> und zwar nicht, weil sie 10.000 sagen will, sondern einfach, weil sie sich vertippt. Da ihr dieser Fehler bis zur Abgabe der Willenserklärung nicht auffällt, denkt sie bei Abgabe der Willenserklärung also: „Ich mache jetzt ein Angebot für 11.000 Euro.“ Da sie das objektiv nicht tut, ist die Willenserklärung nach § 119 Abs. 1 BGB anfechtbar. In dem von Dir gebildeten Beispiel liegt es anders: A möchte

tat

sächlich ein Angebot über 10.000 Euro machen und tut dies auch. Es liegt also bereits kein Auseinanderfallen des subjektiven Willens und der objektiven Erklärung vor. Es handelt sich damit nicht um einen Irrtum bei der Willenserklärung, sondern nur bei der Willensbildung. Es ist i.d.R. unbeachtlich, auf welche Weise der Erklärende zu dem Entschluss kommt, eine Willenserklärung einer bestimmten Art abgeben zu wollen. Ein

Kalkulationsirrtum

, wie er hier vorliegt, ist nach Rspr. und h.L. jedenfalls dann als unbeachtlicher

Motivirrtum

einzuordnen, wenn er „verdeckt“ ist, also dem Geschäftspartner nur das Ergebnis der Berechnung mitgeteilt wurde. Ich empfehle dir hierzu noch diese Fälle zum verdeckten und offenen

Kalkulationsirrtum

: https://applink.jurafuchs.de/HvSFtGOw9Nb https://applink.jurafuchs.de/o8G3YxPw9Nb Um Deine Frage abschließend zu beantworten: Es geht hier nicht darum, dass der Irrtum nicht bis zur Erklärung fortwirkt – denn der Fehler in der Berechnung ist ja grundsätzlich schon irgendwie kausal dafür, dass A das Angebot über 10.000 Euro, s

tat

t 11.000 Euro macht. Es geht eher darum, dass die „Art“ des Irrtums von vornherein nicht berücksichtigt wird. Grund dafür ist schlicht die Wertung des Gesetzgebers bzw. der Rspr. Denn es ginge wohl zu weit, wenn auch sämtliche Fehler bei der Willensbildung (Motivirrtümer) zur Anfechtung berechtigen würden. Viele Grüße, Linne – für das Jurafuchs-Team

Philip

Philip

31.10.2024, 22:33:45

Okay, ich fasse auch für zukünftige Leser zusammen: Wenn der objektive und der subjektive Wille des Erklärenden auseinanderfallen, dann kann dieser seine Willenserklärung anfechten, vorausgesetzt, dass dieser Irrtum bei der Abgabe der Willenserklärung vorliegt, bzw. kausal bei der Abgabe der Willenserklärung fortwirkt. (A will 11.000€, vertippt sich und schickt einen Brief mit einem Angebot für 10.000€ an B) Ein unbeachtlichen

Motivirrtum

in Form eines

Kalkulationsirrtum

s liegt dann vor, wenn der Geschäftspartner diesen nicht erkennen kann, da dieser verdeckt ist. Bei einem

Motivirrtum

ist der Fehler beim Erklärenden nicht kausal am Fortwirken, da ein Auseinanderfallen vom subjektiven und objektiven Willen fehlt. Ich habe es nun verstanden! Danke sehr (:


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