Zivilrecht
BGB Allgemeiner Teil
Tatbestand der Willenserklärung
Handlung unter Hypnose (Fehlender Handlungswille)
Handlung unter Hypnose (Fehlender Handlungswille)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Psychotherapeut P ist auf Hypnose spezialisiert. Sängerin S ist verzweifelt, dass ihr kein Nummer-1-Hit gelingen will. Während P die S in einen tiefen Trancezustand versetzt, unterschreibt S eine Honorarvereinbarung, die eine von der Gebührenordnung abweichende Vergütung vorsieht.
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Einordnung des Falls
Handlung unter Hypnose (Fehlender Handlungswille)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Ohne Handlungswillen gibt es keine Willenserklärung.
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. S hatte beim Unterschreiben der Honorarvereinbarung das Bewusstsein, zu handeln (Handlungswille).
Nein, das ist nicht der Fall!
Jurastudium und Referendariat.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Philipp
25.10.2021, 09:44:17
Müsste es nicht im letzten Satz heißen: „Dieser Fall ist dem einer fehlenden Geschäftsfähigkeit so ähnlich…“? Sonst ergibt sich mir der Sinn der Anwendung des Analogiebegriffs nicht.
Lukas_Mengestu
25.10.2021, 10:02:54
Hallo Philipp, der Analogieschluss ist quasi der folgende: Weil der Fall des § 105 Abs. 2 BGB (fehlende Geschäftsfähigkeit) dem Fall des fehlenden Handlungswillen so ähnlich ist, sind beide Fälle gleich zu behandeln. Deshalb gilt die Regelung des § 105 Abs. 2 BGB analog auch im Fall des fehlenden Handlungswillens. Wir haben das jetzt aber nochmal präzisiert. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Strand Spaziergang
3.4.2023, 12:00:27
Was wären Beispiele für "vorübergehende Störung der Gesistestätigkeit"? Umfasst " Bewusstlosigkeit" nur Ohnmacht? Es fällt mir schwer zu verstehen, warum man bei Hypnose den 105 Abs 2 "nur" analog anwenden kann. Hätte gedacht, Hypnose fällt unter mindestens eine der beiden Optionen.
Lukas_Mengestu
4.4.2023, 16:51:00
Hallo Strand Spaziergang, hier musst Du ein wenig Aufpassen. Bewusstlosigkeit iSd § 105 Abs. 2 BGB umfasst gerade nicht das völlige Fehlen des Bewusststeins (Ohnmacht), da hier dann letztlich überhaupt keine Willenserklärung abgegeben wird. Vielmehr sind hier nur solche Zustände erfasst, in denen der Betroffene zwar noch handeln kann, aber der freie Wille eigentlich ausgeschlossen ist. Dazu gehören zB hochgradige Trunkenheit, epileptische Anfälle, Hypnose... Zur vorübergehenden Störung der Geistestätigkeit werden insbesondere Störungen gezählt, die durch Alkohol, Medikamente oder Rauschgift ausgelöst werden (vgl. MüKoBGB/Spickhoff, 9. Aufl. 2021, BGB § 105 Rn. 38). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Strand Spaziergang
5.4.2023, 08:24:12
Hallo Lukas, vielen Dank für deine Antwort. Ok, das ist natürlich wichtig, dass man den Unterschied kennt, bzw am Zweck der Norm erkennen kann, dass Ohnmacht hier nicht gemeint ist. Meine Frage war aber, warum in der zweiten Antwort zum Fall steht, dass Hypnose von Paragraph 105 BGB nicht direkt erfasst ist, sondern nur analog. Ich hätte gedacht, es ist direkt erfasst und gehört zu"Bewusstlosigkeit".
Jonas22
11.5.2023, 12:32:55
Hallo Lukas, ich schließe mich der Frage an. Warum liegt laut der Antwort des Falles bei der Hypnose überhaupt keine Willenserklärung mangels Handlungswillen vor? Ich dachte auch, dass das ein Fall von § 105 Abs. 2 ist. Also mir ist der Unterschied nicht wirklich klar, wann der Handlungswille fehlt und wann es eine WE ist, die dann aber nichtig ist.
Izapella
28.6.2023, 10:45:26
Geht mir ähnlich, gibt es jemanden, der das nochmal erklären könnte?
Stella2244
19.8.2024, 16:55:35
105 II bedeutet nicht im engeren Sinne das völlige Fehlen des Bewusstseins (Koma, Schlaf, tiefe Ohnmacht); in diesem Fall würde wegen des fehlenden konstitutiven Handlungswillen bereits keine Willenserklärung vorliegen. Es geht bei 105 II um Fälle wie Drogeneinfluss, Trunkenheit, Einnahme von Psychopharmaka, Fieberwahn etc. wo man einen Handlungswillen wohl noch bejahen würde, also eine WE womöglich vorliegt, die aber dann nicht ist nach 105 II. Dennoch kann auch bei derartigen Bewusstseinsstörungen vom Fehlen einer Willenserklärung im Einzelfall ausgehen. Bei der Hypnose ist es wohl ähnlich. Eine Lösung über den fehlenden Handlungswillen kommt in Betracht, dann keine WE. Oder nichtig nach 105 II. Wohl eher eine Frage der Auslegung. Eine Analogie braucht man an dieser Stelle nicht meiner Meinung nach. Die kommt wohl dann Betracht wenn man der Meinung ist Hypnose sei von 105 II nicht erfasst, möchte es aber darunter subsumieren. Meiner Meinung nach kann man es direkt unter 105 II fassen, so auch verbreitet im Schrifttum zB im Münchener Kommentar. Hoffe es hilft.
Law_yal_life
18.9.2023, 13:36:30
Muss man beim Handlungswillen, wenn der fehlt das überhaupt im Gutachten problematisieren? Also muss man den Vergleich zu § 105 II BGB überhaupt im Gutachten ziehen? Wenn ja wann ist das den der fALL, Wo das mal relevant wird?
Law_yal_life
18.9.2023, 13:36:58
Und wenden wir dann § 105 II BGB ANALOG an?
Blotgrim
2.2.2024, 10:14:38
Also problematisieren muss man es auf jeden Fall, wie ausführlich ist halt fallabhängig. Wenn jetzt jemand eindeutig bewusstlos ist muss man jetzt keinen halben Roman schreiben, aber Urteilsstil sollte man jetzt vielleicht auch nicht zwingend machen. Ob man dann den § 105 II analog anwenden muss weiß ich nicht genau. Ich hätte es so gemacht, dass ich den Handlungswillen und somit die WE einfach so verneint hätte, aber mit den Infos aus diesem Fall würde ich das vielleicht mit Verweis auf § 105 II machen