Zivilrecht

BGB Allgemeiner Teil

Angebot und Annahme

Schweigen auf kaufmännisches Bestätigungsschreiben

Schweigen auf kaufmännisches Bestätigungsschreiben

22. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Kaufmann K bestellt bei V telefonisch 50 Kameras zu je 140 €. V denkt, dass sie sich auf einen Kaufpreis von 150 € geeinigt hätten. V schickt K kurz darauf eine "Auftragsbestätigung" für 50 Kameras zu je 150 €. K reagiert nicht. V liefert die 50 Kameras und begehrt Zahlung von 7.500 €.

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Einordnung des Falls

Schweigen auf kaufmännisches Bestätigungsschreiben

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. K und V haben telefonisch einen Kaufvertrag über 50 Kameras zu je 140 € geschlossen.

Ja, in der Tat!

Ein Kaufvertrag kommt zustande durch zwei inhaltlich übereinstimmende Willenserklärungen, Angebot und Annahme (§§ 145, 147 BGB), die hier vorliegen. K und V haben daher telefonisch einen Kaufvertrag über 50 Kameras zum Preis von insgesamt (50 x 140 € =) 7.000 € geschlossen.
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2. Nach den Grundsätzen über das kaufmännische Bestätigungsschreiben (KBS) kann ein Vertrag zustande kommen oder ein bestehender Vertrag abgeändert werden, wenn ein Kaufmann auf ein KBS schweigt.

Ja!

Die Grundsätze über das KBS dienen damit der Rechtssicherheit, Leichtigkeit und Schnelligkeit im Handels- und Geschäftsverkehr. Das Schweigen auf ein KBS gilt kraft Gewohnheitsrecht als Zustimmung. Voraussetzungen sind: (1) Empfänger und Absender sind Kaufleute oder nehmen in größerem Umfang am Geschäftsleben teil, (2) dem KBS gingen Vertragsverhandlungen voraus, (3) das KBS wird in unmittelbar-zeitlichem Zusammenhang zu den Verhandlungen abgeschickt, (4) der Absender ist redlich und (5) der Empfänger widerspricht nicht unverzüglich. Dies gilt nicht (6), wenn das Bestätigungsschreiben inhaltlich so weit vom Verhandlungsergebnis abweicht, dass der Absender vernünftigerweise nicht mit dem Einverständnis des Empfängers rechnen konnte.

3. Indem K auf die Auftragsbestätigung des V nicht reagierte, hat er über die Grundsätze des kaufmännischen Bestätigungsschreibens der Änderung des Preises zu je 150 € pro Kamera zugestimmt.

Genau, so ist das!

(1) K ist Kaufmann, V nimmt zumindest wie ein Kaufmann am Geschäftsleben teil. V und K haben sich telefonisch über den Kauf der Kameras geeinigt. (2) Dem KBS gingen Verhandlungen am Telefon voraus. (3) V sendete das KBS in engem zeitlichem Zusammenhang zu den Verhandlungen (4) und war redlich. (5) K widersprach nicht unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 Abs. 1 S. 1 BGB), auf das Bestätigungsschreiben. (6) Das KBS weicht nur unerheblich vom Verhandlungsergebnis ab. Die Voraussetzungen des KBS liegen somit vor, sodass der Inhalt des Kaufvertrages kraft Handelsbrauch dahin gehend modifiziert wird, dass ein Kaufpreis von 150 € pro Kamera gilt. Diese Thematik findest Du kommentiert im Grüneberg, 82.A. 2023, § 147f RdNr. 8ff.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Manuelpohle

Manuelpohle

14.11.2019, 07:17:40

Ich denke auch, dass wer ein Kaufmann am Geschäftsleben teilnimmt widersprechen kann, da er schließlich mit den Folgen des Unterlassens vertraut sein sollte...

Vulpes

Vulpes

10.3.2021, 18:38:19

Genau, sehe ich auch so! 👍

CD

CD

11.1.2020, 11:59:26

Müsste die erste Frage nicht eigentlich mit "Stimmt nicht" beantwortet werden? Durch die Bestellung allein kommt doch schließlich kein KV zustande, da mEn ein

versteckter Dissens

bestand,so wie der Sachverhalt formuliert ist. Ich denke, dass es klarer wäre, wenn im SV stünde, dass V die Bestellung von K auch tatsächlich angenommen hat.

GEL

gelöscht

1.4.2020, 19:23:43

Hier handelt es sich um zwei Kaufleute, bei denen gem. §

362 HGB

ein Vertrag auch nur durch eine Bestellung, also dem Zugang einer WE zustande kommt. Die WE wurde durch das Telefonat übermittelt und ist damit sofort wirksam.

GEL

gelöscht

9.7.2021, 14:44:42

Verstehe, danke :)

Dogu

Dogu

22.5.2023, 13:54:50

§

362 HGB

ist doch auf Kaufverträge gar nicht anwendbar. Die Vorschrift gilt für Geschäftsbesorgungen. Ein reiner Kaufvertrag fällt nicht darunter (BeckOK HGB/Moussa, HGB § 362 Rn. 20).

SI

sinaaaa

2.1.2023, 16:40:21

Was ist mit der Abkürzung KBS gemeint

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

2.1.2023, 16:50:08

Vielen Dank für die Nachfrage, sinaaaa. Hinter der Abkürzung verbirgt sich das "kaufmännische Bestätigungsschreiben", das in der zweiten Frage eingeführt wird :-) Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

SI

sinaaaa

2.1.2023, 16:51:49

In dem Fall davor wurde ein anderes Schema gezeigt welches eine Annahme durch Schweigen unter Kaufleuten darstellt. Welches ist nun richtig ? (Es geht um den Paragraphen 362 )

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

2.1.2023, 17:02:42

Hallo sinaaaa, vielen Dank für die Nachfrage. Hier musst Du etwas aufpassen. In dem hier behandelten Fall geht es um das kaufmännische Bestätigungsschreiben, welches im Nachgang an einen bereits abgeschlossenen Vertrag geschickt wird. Das heißt es liegen bereits zwei ausdrückliche Erklärungen, Angebot und Annahme vor. Diese werden nur noch einmal verschriftlicht. Davon zu unterscheiden ist die Regelung in §

362 HGB

. Hier liegt nur ein Angebot vor und der Kaufmann reagiert auf dieses durch Schweigen. In dieser Konstellation wird das Schweigen unter bestimmten Voraussetzungen ausnahmsweise als Annahmeerklärung gewertet. Es geht also nicht bloß um eine Verschriftlichung eines bereits geschlossenen Vertrages, vielmehr kommt durch das Schreiben erstmals ein Vertrag zustande. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

QUIG

QuiGonTim

6.9.2023, 20:57:14

Wichtig ist in dem Zusammenhang auch, dass das KBS nicht normiert ist/nicht im Gesetz steht. Es handelt sich beim KBS um

Gewohnheitsrecht

, das aus einem Handelsbrauch entstanden ist.

RAP

Raphaeljura

7.5.2023, 03:54:24

Das würde bedeuten, dass es jetzt zwei Verträge über die Kameras gibt? Das geht doch nicht ?

Carl Wagner

Carl Wagner

21.5.2023, 17:52:50

Vielen Dank für deine Frage Raphaeljura! In der Tat kam es nicht zu zwei Verträgen über die Kameras. Das KBS ändert den ursprünglichen Vertragsschluss nur ab. In der Praxis gestaltet es sich oft so, dass unklar ist, ob es zu einem Vertragsschluss kam bzw. zu welchen Bedingungen. Gerade das muss beim KBS geprüft werden (Kontakt, der ein Klarstellungsbedürfnis hinterlässt). Daher wird dann offen gelassen, ob und was für ein Vertrag mündlich geschlossen wurde. Grundsätzlich dient das KBS als Beweismittel für den geschlossenen Vertrag. Wenn aber behauptet wird, dieser gar nicht oder zumindest so nicht zustandegekommen sei, entfaltet das KBS auch eine konstitutive Wirkung. Dann folgt der Vertrag (was ggf. mit Änderungen einhergeht) unmittelbar aus dem KBS (nicht aus den Verhandlungen vorher) (vgl. siehe dazu Schärtl, JA 2007, 567, 571 unter III. Rechtsfolgen). Viele Grüße - Carl für das Jurafuchs-Team

SI

silasowicz

19.8.2023, 13:28:00

Ich verstehe trotzdem nicht, dass es hier überhaupt noch ein Klarstellungsbedürfnis gibt, wenn die erste Frage ungeachtet der Beweisbarkeit doch eigentlich davon ausgeht, dass ein Vertrag über die Kameras zu je 140 € geschlossen wurde. Folgt man der eingeschränkten Vernehmenstheorie wäre es hier ja ohne weitere Angaben doch tatsächlich so, dass das Angebot so angenommen wird, wenn der Erklärende (hier K) davon ausgehen durfte, dass die Willenserklärung (hier Kameras zu 140 €) richtig vernommen wurde. Mangels anderer Angaben ist das doch eigentlich der Fall. Dann verstehe ich tatsächlich auch nicht, warum die KBS-Grundsätze überhaupt angewendet werden, da es ja bereits einen Vertragsschluss und somit kein Klarstellungsbedürfnis mehr gibt (also die Frage ist jetzt eher dogmatischer und weniger praktischer Natur). Verneint man dieses, gäbe es doch eigentlich nur den Vertrag über 50 Kameras zu je 140 €, oder?

MWA

mwally

30.12.2023, 23:36:06

Ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben fasst quasi die vorangegangene telefonische/mündliche Vertragsbesprechung zusammen. Das KBS hat damit auch eine Nachweisfunktion. Unter Kaufleuten ist das durchaus üblich.

CAS

Captain Stupid

29.1.2024, 00:31:50

Dann verstehe ich aber nicht, wieso bei Frage 1 die richtige Antwort sein soll, dass ein Vertrag über 50 Kameras zu je 140€ bereits zustande gekommen ist. K "bestellt" doch nur, und V irrt sich in seinem KBS, auf das K nicht reagiert. Also kommt ein Vertrag (über 150€ je Kamera) doch erst zustande, durch die Anwendung der Regelungen über das KBS!? Wäre das Telefonat jetzt nur die vorvertragliche Verhandlung gewesen, würde das in meinen Augen auch alles passen. Das der Vertrag durch das Telefonat bereits geschlossen sein soll, ergibt sich jedoch mE zum Einen nicht unbedingt aus dem Sachverhalt, und zum Anderen verwirrt mich das auch in Bezug auf die Anwendung der Regelungen über das KBS.

Kind als Schaden

Kind als Schaden

12.4.2024, 11:45:38

Dass ein Vertrag beim Telefonat geschlossen sein soll, lässt sich nicht dem Sachverhalt entnehmen. Auch die Ausführungen in der Lösung sind zu knapp. Ich vermute jetzt einfach mal, dass der Vertrag beim Telefonat dadurch zustande kommen soll, dass Vs Wille einen Vertrag über 140€ abzuschließen iSd § 133 nicht von K erkannt wird beim Telefonat und daher über § 157 Vs telefonische Annahme als Annahme zum Preis von 150€ auszulegen ist. Problem dabei: Das ergibt sich irgendwie alles nicht aus dem Sachverhalt und auch nicht aus der Lösung.

Paulah

Paulah

13.4.2024, 13:27:22

Im Sachverhalt steht "K bestellt", spätestens mit dem Bestätigungsschreiben wird klar, dass ein Kaufvertrag zustande gekommen ist (sonst hätte V ja nichts b e s t ä t i g e n können). Es geht in dem Sachverhalt nicht um den Vertragsschluss an sich, sondern um die Preisänderung und die Bestätigung derselben durch Schweigen auf das kaufmännische Bestätigungsschreiben unter Kaufleuten. K hätte widersprechen müssen und sagen müssen "wir hatten aber 140 € vereinbart". Das hat er nicht getan, deshalb ist die Preisänderung wirksam geworden und der Kaufvertrag zum Preis von 150 € zustande gekommen.

Kind als Schaden

Kind als Schaden

13.4.2024, 14:09:30

Ich kann ja auch etwas bestätigen ohne, dass ein Vertragsschluss vorliegt, indem ich etwa völlig Fernliegendes bestätige. Dass es bei der Aufgabe nicht um den Vertragsschluss gehen soll "als Lerninhalt" ist offenkundig, dennoch sehe ich den Sachverhalt und die Lösung des Falls an dieser Stelle als lückenhaft an.

Nora Mommsen

Nora Mommsen

19.4.2024, 12:43:22

Hallo Kind als Schaden, ich stimme Paulah an dieser Stelle zu. Bei den gegebenen Sachverhaltsinformationen kannst du davon ausgehen, dass es zu einem Vertragsschluss gekommen ist und weder ein offener noch

versteckter Dissens

oder ähnliches vorliegt. Etwas derartiges müsste extra dargestellt sein und, da es in der Regel Auslegung erfordert wird dann in der genauen Formulierung abgedruckt. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

juramen

juramen

31.10.2024, 16:27:57

Tatsächlich war das aber auch ein Punkt, der mich sehr verwirrt hat... Das es am Ende wegen des Bestätigungsschreibens nicht darauf ankommt ist eine Sache. Aber hätte ich in einer Klausur prüfen müssen, ob ein Vertragsschluss vorliegt, hätte ich mich damit schwer getan, wenn V davon ausgeht, dass sie sich zu einem Preis von 150€ geeinigt hätten... Vlt. Lässt sich das in der Aufgabe einfach noch etwas präzisieren?

AN

Antoniusius

1.11.2024, 11:31:59

Ich hatte den Sachverhalt auch zuerst so verstanden, dass schon am Telefon keine inhaltlich übereinstimmenden Willenserklärungen vorlagen. Vielleicht könnte man ja schreiben „Später irrt sich V und denkt[/erinnert], sie hätten sich auf einen Stückpreis von 150€ geeinigt.“

CO

cornelius.spans

4.11.2024, 21:12:18

Widersprechen sich nicht die Voraussetzungen (4) und (6)? Einerseits wird vorausgesetzt, dass der Erklärende redlich ist, also nur unwissentlich vom Vereinbarten abweicht. Andererseits wird vorausgesetzt, dass der Inhalt des KBS nicht so stark vom tatsächlichen Verhandlungsergebnis abweicht, dass der Erklärende vernünftigerweise nicht mehr erwarten kann, dass der andere dem zustimmt. Wenn jemand redlich ist, also nicht wissentlich abweicht kann man doch nie behaupten, dass der Erklärende vernünftigerweise nicht erwarten darf, dass der andere zustimmt. Denn der Erklärende glaubt ja, nur das bereits Vereinbarte zu bestätigen. LG


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