Strafrecht

Strafrecht Allgemeiner Teil

Kausalität

Fenstersprung als Überreaktion (atypische Kausalität)

Fenstersprung als Überreaktion (atypische Kausalität)

22. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

T droht dem O Schläge an. Panisch springt O aus dem Fenster und verletzt sich dabei tödlich.

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Einordnung des Falls

Fenstersprung als Überreaktion (atypische Kausalität)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 1 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Indem T dem O Schläge angedroht hat, hat er Os Tod kausal verursacht.

Genau, so ist das!

Rspr und hL bestimmen die Kausalität überwiegend nach der Äquivalenztheorie (= conditio-sine-qua-non-Formel). Eine Handlung ist danach kausal, wenn sie nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele. O hat mit seinem Fenstersprung überreagiert und der Taterfolg ist auf sehr ungewöhnliche Weise eingetreten. Trotzdem sind die Drohungen des T nicht hinwegzudenken, ohne dass der tödliche Sprung entfiele. Auch wenn der Täter beim atypischen Kausalverlauf den Erfolg verursacht hat, ist ihm dieser nicht objektiv zurechenbar.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

YOU

youngirish

15.11.2019, 02:30:46

Ist der Taterfolg dem T auch objektiv zurechenbar ?

Vica

Vica

2.7.2020, 11:56:28

Ich glaube es mangelt schon an der unerlaubten Gefahrschaffung da es sich um einen atypischen Kausalverlauf handelt.

デニス

デニス

5.7.2020, 16:22:23

Der SV ist glaub ich an einen Fall angelehnt, wo eine Strafbarkeit (aus wohl guten Gründen) bejaht wurde. Ich glaube, der Fall hieß „Gubener-Hetzjagd“, obwohl es mWn auch einen ähnlichen Fall mit Fenstersprung gab. Letztendlich ging es darum, dass die

objektive Zurechnung

bejaht wurde, da dem Opfer durch die Verfolgung und vorangegangene Körperverletzungen Todesangst eingejagt wurde, womit ein Fenstersprung gar nicht mehr so atypisch wirkt..

Vulpes

Vulpes

10.3.2021, 18:46:35

Hallo youngirish, im von SSJKaito beschriebenen Fall galt die Reaktion des Opfers als nicht atypisch, weil 11 Neozazis hinter ihm her waren. Das Opfer, ein Asylsuchender, hatte in diesem Fall gute Gründe um sein Leben zu fürchten. Im vorliegenden Fall ist der konkrete Erfolg der Tod durch einen schweren Sturz. T hat aber lediglich damit gedroht ihn zu schlagen und nicht zu besonders grausam zu

quälen

oder zu töten. Daher würde ich sagen, dass eine

objektive Zurechnung

scheitert. Ergänzt man ein oder zwei kleine Details zur

Drohung

, kann sich das aber ganz schnell ändern! 🙂

MAX

Maximilian

29.9.2020, 08:22:27

der Fall ist angelehnt an den Grubener Verfolgerfall BGHSt 48, 34 ff.) der BGH hat wegen einer versuchten Körperverletzung mit Todesfolge verurteilt für den Totschlag fehlt es am

Vorsatz

für die vollendete Körperverletzung am zurechenbaren Erfolg

MAX

Maximilian

29.9.2020, 08:23:07

natoll, ich wollte eigentlich auf den Kommentar unter mir antworten 🙄

Sambajamba10

Sambajamba10

18.3.2024, 08:04:22

Der Fall ist wohl vielmehr angelehnt an den Rötzelfall - BGH NJW 1971, 152, nicht an die

Gubener Hetzjagd
LAW

Law_yal_life

18.9.2023, 17:36:47

Also wenn wir Kausalität prüfen, dann schauen wir generell nach der Conditio qua non Formel. Wir schauen also ganz normal, ob wir die Bedingung wegdenken können. Es ist egal, dass das Opfer überreagiert. Also egal dass der Erfolg auf einer ungewöhnlichen Weise eintritt? Hauptsache man kann es wegdenken und der Erfolg entfällt parallel? Das ist die einzige Frage die wir uns also im Punkt Kausalität stellen? Dass das Opfer überreagiert oder eben auf ungewöhnliche Weise eintritt können wir dann später im Punkt

objektive Zurechnung

berücksichtigen, richtig?

LELEE

Leo Lee

8.10.2023, 12:57:03

Hallo PrädikatKandidat, genauso ist es! Bei der Kausalität sind wir sehr sehr großzügig und verfahren nach der CSQN-Formel. Hier gibt es quasi keine Grenze, außer bei den besonder gelagerten Fällen. Eine „Einschränkung“ aus Billigkeitsgründen erfolgt dann erst später auf Ebene der obj. Zurechnung :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo


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