Inhaltsirrtum bei Internetgeschäften
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
V will sein E-Bike auf eBay für €2.600 verkaufen. Um eBay-Gebühren zu sparen, gibt er einen "Sofort-Kaufen"-Preis von €100 an. Seine Absicht gibt er im Angebotstext deutlich zu erkennen. K liest den Text nicht, klickt auf „Sofort-Kaufen“ und will nur €100 bezahlen.
Einordnung des Falls
Inhaltsirrtum bei Internetgeschäften
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Bei der Option „Sofort-Kaufen“ auf eBay kommt der Vertragsschluss durch Angebot und Annahme zustande.
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Genau, so ist das!
2. V hat mit der Einstellung des E-Bikes ein Angebot gerichtet auf Abschluss eines Kaufvertrags (zu €100) abgegeben.
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Nein, das trifft nicht zu!
3. K hat die Annahme des Angebots (zu €2.600) erklärt, indem er auf die Schaltfläche „Sofort-Kaufen“ geklickt hat.
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Ja!
4. K kann seine Erklärung anfechten, weil er den Text mit dem höheren Preis nicht gelesen hat (§§ 142 Abs. 1, 119 Abs.1 Alt. 1 BGB).
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Genau, so ist das!
5. K macht V klar, dass er den Preis von €2.600 nicht gelten lassen wolle. Hat K durch die anschließende Weigerung den vollen Kaufpreis zu zahlen dann konkludent die Anfechtung erklärt (§ 143 Abs. 1 BGB)?
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Ja, in der Tat!
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QuiGonTim
16.2.2022, 09:57:06
Liebes Jurafuchs-Team, das ist wieder einmal ein weitestgehend gelungener Fall. Die Subsumtion finde ich hier jedoch gegenüber der BGH-Entscheidung etwas zu stark verkürzt. Das Gericht verweist in seiner Entscheidung auf einen elektronischen Schriftverkehr zwischen Kläger (K) und Beklagtem (V), in der K deutlich gemacht habe, dass er sich nicht verpflichtet sehe den von V verlangten Kaufpreis iHv 2.600 Euro zu bezahlen. Dies sind die im Maßstab genannten “Umstände”, die in der Zahlungsverweigerung eine Anfechtungserklärung erkennen lassen. Im Jurafuchs-Fall wird vielmehr der Eindruck erweckt, die Zahlungsverweigerung würde für sich genommen schon eine Anfechtungserklärung darstellen. Dem ist nicht zuzustimmen. Zum einen würde eine solche Wertung die Regelungen zum Schuldnerverzug entbehrlich machen. Darüber hinaus ist die bloße Zahlungsverweigerung weniger als konkludente Erklärung, sondern vielmehr als Schweigen, im Sinne von Nichtstun, zu qualifizieren. Dem Schweigen kommt jedoch nur in Ausnahmefällen ein Erklärungsgehalt zu. Einer solcher Ausnahmefall ist hier nicht ersichtlich. Letztlich widerspricht diese Wertung auch dem Grundsatz der Vertragsfreiheit. Diese umfasst nicht nur die Freiheit einen Vertrag abzuschließen, sondern genauso die Freiheit an einmal geschlossenen Verträgen festzuhalten. Für eine Zahlungsverweigerung kann es viele Gründe geben (Liquiditätsprobleme, schlichtes Vergessen, Unzufriedenheit mit der Leistung des anderen Teils etc.). Würde man der Zahlungsverweigerung ohne die Einbeziehung weitere Umstände einen anfechtenden Erklärungsgehalt beimessen, wäre dies ein massiver Eingriff in die Vertragsfreiheit. Dieser lässt sich vorliegend insbesondere nicht durch Interessen des anderen Teils rechtfertigen. V wollte ja gerade, dass der Kaufvertrag und damit sein Anspruch auf Zahlung von 2.600 Euro bestehen bleibt. Es wäre schön, wenn ihr die Subsumtion/den Sachverhalt diesbezüglich noch etwas erweitern würdet. :)

Lukas_Mengestu
18.2.2022, 11:18:48
Lieber QuiGonTim, vielen Dank für Deinen ausführlichen Hinweis. In der Tat war der letzte Hinweis etwas verkürzt. Wir haben die Aufgabe dahingehend präzisiert, dass wir nun noch näher auf die Umstände eingehen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team