Zivilrecht

Werkrecht

Gewährleistung für Sach- und Rechtsmängel

Selbstvornahme (§§ 634 Nr. 2, 637 BGB) Grundfall

Selbstvornahme (§§ 634 Nr. 2, 637 BGB) Grundfall

31. Mai 2025

15 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Die BMX-begeisterte B möchte ihre defekten Fahrradlichter in der Werkstatt der U reparieren lassen. Erst nach der Abnahme des Rads bemerkt B, dass die Lichter nach wie vor nicht funktionieren. B setzt U eine Frist von 14 Tagen, welche erfolglos abläuft.

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Einordnung des Falls

Selbstvornahme (§§ 634 Nr. 2, 637 BGB) Grundfall

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Zwischen B und U wurde ein wirksamer Werkvertrag geschlossen und das BMX-Rad war bei Gefahrübergang mangelhaft (§ 631 Abs. 1 BGB, § 633 Abs. 2 BGB).

Genau, so ist das!

Bei einem Werkvertrag wird ein bestimmter Erfolg geschuldet (§ 631 BGB). Dies grenzt ihn von einem Dienstvertrag ab, bei dem ein bloßes Tätigwerden Vertragsgegenstand ist. Das Werk ist mangelhaft, wenn es nicht die vereinbarte Beschaffenheit bei Gefahrübergang aufweist (§ 633 Abs. 2 BGB). Der Gefahrübergang richtet sich grundsätzlich nach dem Zeitpunkt der Abnahme (§ 644 Abs. 1 BGB). B und U vereinbarten, dass U die Lichter reparieren soll. Diese sind aber weiterhin defekt.
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2. B hat wegen des Mangels weiterhin einen (originären) Erfüllungsanspruch gegen U (§ 634 Nr. 2 BGB, § 637 Abs. 1 BGB).

Nein, das trifft nicht zu!

Der Erfüllungsanspruch (sog. Primäranspruch) wandelt sich nach Gefahrübergang in einen Anspruch auf Nacherfüllung um (sog. Sekundäranspruch), § 631 Abs. 1 BGB, § 633 Abs. 1 BGB. Der Gefahrübergang richtet sich im Werkvertragsrecht nach dem Zeitpunkt der Abnahme, § 644 BGB. B hat das Fahrrad abgenommen. Der ursprüngliche Erfüllungsanspruch wird durch einen Nacherfüllungsanspruch des B gegen U ersetzt.

3. Hat B ein Selbstvornahmerecht nach § 634 Nr. 2 BGB, § 637 BGB?

Ja!

Das Selbstvornahmerecht setzt voraus, dass dem Besteller (1) ein Nacherfüllungsanspruch zusteht und er dem Unternehmer eine (2) erfolglos abgelaufene Nacherfüllungsfrist gesetzt hat (§ 634 Nr. 2 BGB, § 637 BGB). Die Frist kann aber nach § 637 Abs. 2 BGB entbehrlich sein. Zweck der Fristsetzung ist es, dem Unternehmer die Möglichkeit einzuräumen, den Mangel selbst zu beseitigen. Er hat also nicht nur die Pflicht, sondern auch ein Recht zur Mängelbeseitigung. B hat einen Nacherfüllungsanspruch gegen U. B hat der U zudem erfolglos eine Frist zur Nacherfüllung gesetzt.

4. B kann die Kosten für die Selbstvornahme erst ersetzt verlangen, wenn sie tatsächlich angefallen sind (§ 637 Abs. 3 BGB).

Nein, das ist nicht der Fall!

Der Besteller kann die tatsächlich angefallenen Aufwendungen nach § 637 Abs. 1 BGB ersetzt verlangen. Er kann aber auch einen Vorschuss für die voraussichtlich anfallenden Aufwendungen nach § 637 Abs. 3 BGB geltend machen. Die Kosten müssen erforderlich sein. Sie sind erforderlich, wenn ein vernünftiger und wirtschaftlicher Besteller diese Aufwendungen für die Beseitigung des Mangels tätigen würde. B kann von U einen Vorschuss in Höhe der voraussichtlich anfallenden Aufwendungen nach § 637 Abs. 3 BGB verlangen.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

JAM

Jan Moritz

9.8.2024, 16:49:46

hey, vielleicht habe ich einen Denkfehler , aber könnte das Mädchen nicht einfach Schadensersatz verlangen nach 634 Nr.4 ,

281 BGB

, wenn diese den Mangel selber beseitigt bzw. beseitigen lässt ? Es handelt sich doch um einen Schaden , wenn diese einen anderen mit der Mängelbeseitigung beauftragen muss , weil es sich um eine unfreiwillige vermögenseinbusse handelt . ich verstehe den Sinn und Zweck hinter 637 nicht . kann mir das jemand erklären ?

TI

Timurso

10.8.2024, 17:55:45

Ich bin mir nicht ganz sicher, aber ich glaube ich würde hier einen Schaden nach

Differenzhypothese

ablehnen. Das schädigende Ereignis war die mangelhafte

Erfüllung

des Werkvertrags. Vorher hat das Licht nicht funktioniert, hinterher auch nicht. Daher sehe ich hier keinen ersatzfähigen Schaden. Auch den gezahlten Werklohn kann man imo nicht als Schaden in dem Sinne ansetzen, ihm steht ja weiterhin ein (gleichwertiger) Nach

erfüllung

sanspruch gegenüber, jedenfalls bis der

Rücktritt

erklärt wird, der bringt ja aber auch das

Geld

zurück.

JAM

Jan Moritz

11.8.2024, 02:31:56

Erstmal danke für deine Antwort! Die

Differenzhypothese

besagt , dass man die Vermögenslage vergleichen muss mit und ohne den schädigendem Ereignis . Das schädigende Ereignis ist die mangelhafte Leistung . Ohne das schädigende Ereignis wäre das Vermögen nicht gemindert gewesen. Mit der Mangelhaften Leistung hingegen schon . Demnach ergibt sich meiner Meinung nach eine unfreiwillige Vermögenseinbusse bei einem solchen Vergleich und somit ein Schaden . Ich weiß nicht , ob ich deine Antwort falsch interpretiere , aber so wie ich es verstehe , würde das ja aus deiner Sicht bedeuten , dass man bei einer mangelhaften Leistung nie einen Schaden hat . Du hast gesagt , dass es keinen Schaden gibt , weil die Lampe von Anfang an mangelhaft war . Das würde aber bedeuten in einem Erst-Recht Schluss , dass man anscheinend nie einen schaden hat , wenn der

Schuld

ner Mangelhaft leistet. Gerade wenn der

Schuld

ner mangelhaft leistet , hat man in der Regel einen Schaden , den man ersetzt bekommen möchte Das ist ja in gewisser Weise der Normalfall , dass die Sache bei Gefahrübergang mangelhaft ist und inforlgedessen Schäden entstehen. Es kann auch sein , dass ich deine Antwort falsch verstanden habe . Ich bin dir aber sehr dankbar für deine Antwort ! Hoffe du verstehst was ich meine .

G0d0fMischief

G0d0fMischief

18.11.2024, 11:15:48

@[Jan Moritz](201057) ich glaube, das § 637 BGB gegenüber

§ 281 BGB

spezieller ist. Zwar kann man über

§ 281 BGB

auch Aufwendungen ersetzt verlangen, aber das ist soweit ich weiß nicht ganz unumstritten. Zwar dürften hier die Voraussetzungen gegeben sein, da sich der Besteller zur Vornahme der Aufwendungen hätte herausgefordert fühlen können. Jedoch dürfte § 637 BGB als spezieller Vorschrift, die genau diese Fälle regelt, dem

§ 281 BGB

vorausgehen.

UT

unvorsätzlicher Totschläger

26.11.2024, 18:06:37

Hey, ich glaube der große Unterschied ist das Ver

schuld

enserfordenis bei §281. Das dürfte bei 637 ja nicht bestehen

Cosmonaut

Cosmonaut

17.2.2025, 11:44:17

@[Sebastian Schmitt](263562) @[Nora Mommsen](178057) @[Leo Lee](213375) Könnte jmd. vom JF-Team dieses Verhältnis zwischen 637 und 280 ff. einmal fachkundig aufklären? Vielen Dank

Sebastian Schmitt

Sebastian Schmitt

17.2.2025, 12:49:57

Hallo @[Jan Moritz](201057), vielen Dank für die gute Nachfrage und @[Cosmonaut](188718) für die Erinnerung. Du hast hier schon einige gute Hinweise bekommen, die in die richtige Richtung gehen. Ich werde mal versuchen, das Ganze noch etwas aufzuklären. In der Tat hat der Besteller neben den Rechten aus § 637 BGB auch das Recht auf Schadensersatz aus §§ 634 Nr 4 iVm

281 BGB

. Aufwendungen zur Mangelbeseitigung können also auch als Schaden ersatzfähig sein (so explizit MüKoBGB/Busche, 9. Aufl 2023, § 637 Rn 18 mit Verweis auf § 634 Rn 46). Ein Problem mit der

Differenzhypothese

sehe ich vor diesem Hintergrund nicht, @[Timurso](197555). Deine Argumentation, Jan Moritz, finde ich dabei durchaus plausibel. Die Frage von

Aufwendungen als Schaden

ist zwar nicht gerade unumstritten, wie @[G0d0fMischief](217996) sagt, weil sich die "Freiwilligkeit" der Aufwendung oft mit der Unfreiwilligkeit des Schadens beißt. Allerdings geht es hier nicht um diejenigen Aufwendungen, die nicht (!) unmittelbar mit dem Mangel verknüpft sind, sondern um solche, die allein der Mangelbeseitigung dienen. Letztere sind nach meinem Eindruck jedenfalls nach der hM grds als Schaden ersatzfähig (vgl näher BeckOGK/Brand, Stand 1.3.2022, § 249 Rn 9). Ein Vorgehen nach § 637 BGB kann ggü

§ 281 BGB

einige Vorteile für den Besteller haben, insbesondere: 1. kommt es für § 637 BGB in der Tat nicht auf ein Ver

schuld

en an, wie @[un

vorsätzlich

er Totschläger](262504) richtig sagt. Bei §§ 280 ff BGB wird es dagegen bekanntermaßen "nur" vermutet. 2. hat der Besteller nach § 637 III BGB unproblematisch die Möglichkeit, schon einen Vorschuss zu verlangen. Dadurch vermeidet er im Grundsatz, zunächst eigenes

Geld

vorschießen und sich anschließend darum kümmern zu müssen, ob/wie er sich das vom Werkunternehmer zurückholt. Wichtig kann das vor allem bei größeren und/oder aufwändig festzustellenden Mängeln sein (vgl zB BeckOGK/Rast, Stand 1.1.2025, § 637 Rn 145). Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team

Lota Coffee

Lota Coffee

1.4.2025, 09:34:35

Zu der Problematik der Aufwendungen, welche der Besteller im Wege des Schadensersatzes geltend machen will, habe ich in einer Klausurlösung gelesen, dass sich der Besteller zu den Aufwendungen als

freiwillige Vermögensopfer

durch die Mangelhaftigkeit des Werkes herausgefordert fühlen durfte. Insofern soll dann eine Geltendmachung als Schaden (= unfreiwilliges Vermögensopfer) zu bejahen sein.

Juraminator

Juraminator

22.5.2025, 12:05:21

Erlischt der Nach

erfüllung

sanspruch eigentlich durch die Selbstvornahme? Müsste ja eigentlich der Fall sein, da dann nichts mehr existiert woran man nacherfüllen könnte.

LUC1502

luc1502

22.5.2025, 15:21:54

Hi @[Peter im Pech](213415) Richtig erkannt! In einem solchen Fall läge eine

Zweckerreichung

und somit eine obj

Unmöglichkeit

gem. §275 I BGB vor.


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