Voreilige Selbstvornahme im Kaufrecht
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Youngtimersammlerin A kauft bei Händlerin H einen Opel Speedster. Er weist schon bei Gefahrübergang einen Mangel an der Kupplung auf. A lässt die Kupplung sofort in der Werkstatt ihres Vertrauens für €300 reparieren und will anschließend von H Ersatz dieser Kosten. Hätte A die Reparatur durch H selbst durchführen lassen, wären H insgesamt Kosten von €100 entstanden.
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Einordnung des Falls
Voreilige Selbstvornahme im Kaufrecht
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 9 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. A hatte einen Anspruch auf Nacherfüllung (§ 437 Nr. 1, 439 BGB).
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. Die Nacherfüllung ist unmöglich geworden (§ 275 BGB).
Ja!
3. A könnte wegen der Unmöglichkeit zurücktreten bzw. mindern (§ 437 Nr. 2, 326 Abs. 5 BGB).
Nein, das ist nicht der Fall!
4. A kann Schadensersatz wegen Unmöglichkeit verlangen (§§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1, 3, 283 S. 1 BGB).
Nein, das trifft nicht zu!
5. A kann die Reparaturkosten als Kosten der Nacherfüllung nach § 439 Abs. 2 BGB ersetzt verlangen.
Nein!
6. Der Anspruch des H auf Kaufpreiszahlung ist erloschen, weil die Nacherfüllung unmöglich geworden ist (§ 326 Abs. 1 S. 1 BGB).
Nein, das ist nicht der Fall!
7. A kann unmittelbar nach §§ 326 Abs. 2 S. 2, Abs. 4 BGB Ersatz der Kosten in Höhe von €100 verlangen, weil H diese erspart hat.
Nein, das trifft nicht zu!
8. A kann nach h.M. analog §§ 326 Abs. 2 S. 2, Abs. 4 BGB Ersatz der Kosten in Höhe von €100 verlangen, weil H diese erspart hat.
Nein!
9. A kann nach einem Teil der Literatur (u.a. Lorenz) analog §§ 326 Abs. 2 S. 2, Abs. 4 BGB Ersatz der Kosten in Höhe von €100 verlangen, weil H diese erspart hat.
Ja, in der Tat!
Fundstellen
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Fuchsfrauchen
5.3.2022, 12:29:43
Hallo liebes Team, was wäre denn, wenn A mit Motorschaden auf der Straße liegen bleibt, das Auto wird in der nächsten Werkstatt für 300€ repariert, H hätte aber nur Kosten iHv 100 € gehabt. Mein Bauchgefühl würde mir sagen, dass dann H die 300 € übernehmen muss, ich wüsste aber nicht wie ich das juristisch begründen würde. Danke!
Victor
5.3.2022, 17:27:18
Auch hier würde ich das entsprechend lösen bzgl. der Reparaturkosten. Denn auch dadurch würde das Recht zur zweiten
Andienungumgangen. Allerdings könnte er die Kosten der „Unannehmlichkeiten“, wie Transport zu H, Nutzungsausfall etc. im Umkehrschluss geltend machen.
jomolino
7.3.2022, 16:49:00
Ist es nicht anders zu werten wenn sozusagen ein Notfall vorliegt? Also z.B. könnte man sich ja auch vorstellen, es ist Wochenende und durch den Defekt besteht Brandgefahr des technischen Gerätes - da muss der Käufer doch berechtigterweise jemand anderes beauftragen dürfen?
jomolino
7.3.2022, 16:47:34
Wie ist es denn zu werten, dass ein Großteil der kaufrechtlichem Rechtsprechung nun eine Regelung erfahren hat, dies aber nicht. Da kann wohl kaum weiterhin von einer planwidrigen Regelungslücke gesprochen werden oder?
Lukas_Mengestu
11.3.2022, 14:19:12
Hallo nomamo, dies stützt in der Tat die herrschende Meinung, die ja von einer bewussten - und keiner planwidrigen - Regelungslücke ausgeht. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Diaa
2.10.2023, 17:23:22
Sehr gut aufgearbeitet, vielen Dank!!!
Leo Lee
7.10.2023, 17:46:57
Hallo Diaa, vielen Dank für die netten Worte! Ich werde sie an die Redaktion weiterleiten :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo
as.mzkw
27.9.2024, 15:25:37
Wäre § 326 II 1 BGB nicht auch einschlägig, wenn der Käufer die Mängelbeseitigung selbst vornimmt ohne dem Verkäufer zunächst die Möglichkeit zur Nacherfüllung einzuräumen?
Bioshock Energy
28.9.2024, 12:37:46
louisaamaria
2.10.2024, 12:09:20
Nach Rechtsprechung des BGH schon (vgl. zB BGH NJW 2008, 2837 Rn. 9)
paulmachtexamen
12.10.2024, 13:45:49
Wie wäre denn der Fall zu bewerten, wenn es sich um einen serienmäßig hergestellten Opel handelt? Dann läge zwar bezüglich der Nachbesserung Unmöglichkeit vor, nicht aber im Hinblick auf eine
Nachlieferung. Denn diese ist dem Verkäufer noch möglich (wenngleich ihm Einrede des 439 III zusteht). Stellt sich in einem solchen Fall dann überhaupt das Problem der
Selbstvornahme? Rücktritt/Minderung/SE wg Unmöglichkeit scheidet dann ja m.E. aus oder?