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Klassisches Klausurproblem

M2 will die Eheleute E ausrauben. Er bittet M1 mitzumachen. Sie verabreden, dass M1 an der Tür klingelt und E1 überwältigt. Dann soll M2 rein stürmen und E2 fesseln, so dass sie ungestört nach Geld suchen können. Als M1 klingelt, wird M2 von der Polizei verhaftet. M1 hatte nämlich nur zum Schein zugesagt und die Polizei informiert.

Einordnung des Falls

Vermeintliche Mittäterschaft

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. M2 hatte Tatentschluss zu einem schweren Raub in Mittäterschaft (§§ 249 Abs. 1, 250 Abs. 1 Nr. 1b, 25 Abs. 2, 22, 23 Abs. 1 StGB).

Ja, in der Tat!

Die Tat blieb unvollendet. Der Versuch ist strafbar nach §§ 12, 23 Abs. 1 StGB. M2 müsste Tatentschluss besessen haben. M2 wusste, dass das Geld der E für ihn eine fremde bewegliche Sache war. Ferner wollte er auf Grundlage eines gemeinsamen Tatplans im arbeitsteiligen Zusammenwirken mit M1 Personengewalt gegen die E einsetzen, um die Wegnahme des Geldes zu ermöglichen oder wenigstens zu erleichtern und um sich das Geld rechtswidrig zuzueignen. Schließlich plante er E2 zu fesseln, also ein sonstiges Mittel im Sinne von § 250 Abs. 1 Nr. 1b StGB zu verwenden. Folglich hatte M2 Tatentschluss zu einem gemeinschaftlichen schweren Raub.

2. Bei der Mittäterschaft ist umstritten, nach welchen Kriterien das unmittelbare Ansetzen zu bestimmen ist.

Ja!

M2 müsste zur Erfüllung des Tatbestandes unmittelbar angesetzt haben (§ 22 StGB). Das Versuchsstadium ist erreicht, wenn der Täter subjektiv die Schwelle zum „Jetzt geht es los“ überschreitet und objektiv zur tatbestandsmäßigen Angriffshandlung ansetzt, so dass sein Tun nach seiner Vorstellung ohne wesentliche Zwischenakte in die Erfüllung des Tatbestandes übergeht. Wann dies der Fall ist, wenn - wie hier - nach dem gemeinsamen Tatplan die Beteiligten in zeitlichem Abstand verschiedenartige Tatbeiträge leisten und dadurch das gewünschte Ergebnis herbeiführen sollen, ist strittig. Vertreten werden die Einzel- und die Gesamtlösung.

3. Auf Grundlage der Einzellösung hat M2 unmittelbar zur Tat angesetzt (§ 22 StGB).

Nein, das ist nicht der Fall!

Nach der Einzellösung soll das unmittelbare Ansetzen für jeden Mittäter gesondert bestimmt werden, so dass verschiedene Mittäter zu jeweils unterschiedlichen Zeitpunkten ins Versuchsstadium eintreten können. Hier hat M2 jedenfalls nicht in eigener Person unmittelbar angesetzt, denn M1 betätigte die Klingel, während M2 sich nur im Hintergrund hielt. Danach hat M2 nicht unmittelbar zur Tatbestandserfüllung angesetzt. Gegen die Einzellösung lässt sich ins Feld führen, dass sie den Grundgedanken der Mittäterschaft nicht gerecht wird und denjenigen Mittäter unbillig privilegiert, der seinen Tatbeitrag erst zu einem späten Zeitpunkt erbringen soll.

4. Auf Grundlage der herrschenden Gesamtlösung hätte M2 jedenfalls dann unmittelbar zur Tat angesetzt, wenn M1 ein echter Mittäter gewesen wäre (§ 22 StGB).

Ja, in der Tat!

Nach der Gesamtlösung treten alle Mittäter in das Versuchsstadium ein, sobald einer von ihnen zur Tatbegehung unmittelbar ansetzt. Bei Raubdelikten, bei denen der Täter nach dem Öffnen der Tür sofort Raubmittel gegen das Opfer vollführen wollte und damit bereits ein Tatbestandsmerkmal erfüllt hätte, kann in dem Klingeln an der Tür der Versuchsbeginn gesehen werden. Hätte sich die Lage so dargestellt, wie sie sich M2 vorgestellt hat, wäre er also in das Versuchsstadium eingetreten, so wie M1 an der Tür klingelte. M1 war aber nur vermeintlich Mittäter. Umstritten ist, wie sich eine solche Scheinmittäterschaft auf den Versuchsbeginn auswirkt.

5. Innerhalb der Gesamtlösung lehnt eine Ansicht die Grundsätze der Gesamtlösung bei nur vermeintlicher Mittäterschaft ab.

Ja!

Nach dem 2. Strafsenat des BGH und Teilen der Lit. gilt der Grundsatz, dass alle Mittäter in das Versuchsstadium eintreten, sobald einer von ihnen zur Tatbestandserfüllung unmittelbar ansetzt, nur, wenn dieser Beteiligte dabei (noch) mit dem Willen handelt, die Tat zur Ausführung zu bringen. Das mittäterschaftliche Zusammenwirken und das unmittelbare Ansetzen existiere nur in der Vorstellung des M2. Dies könne aber nicht ausreichen, denn ansonsten würde lediglich die verwerfliche Gesinnung bestraft und nicht die Tat. Nach dieser verengenden Ansicht hätte M2 nicht unmittelbar zur Tat angesetzt, so dass bloß eine Verabredung zum Verbrechen bliebe.

6. Innerhalb der Gesamtlösung wendet eine Ansicht die Grundsätze der Gesamtlösung auch bei vermeintlicher Mittäterschaft an.

Genau, so ist das!

Nach dem 4. Strafsenat des BGH und Teilen der Lit. gelten die Kriterien der Gesamtlösung auch bei vermeintlicher Mittäterschaft, da schlicht ein untauglicher Versuch vorliege. Die Gegenansicht übersähe den weiten, von einer subjektiven Betrachtung ausgehenden Wortlaut des § 22 StGB. Entscheidend sei die Vorstellung des Täters von der Tauglichkeit der Handlung, die als unmittelbares Ansetzen zur Tatbestandserfüllung anzusehen sei. Hiernach bildet also die bloße Vorstellung des M2 von einer in Wahrheit nicht existenten Mittäterschaft das Bindeglied zwischen ihm und M1. Danach hat M2 unmittelbar angesetzt. Rechtswidrigkeit und Schuld liegen vor.

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