Verbrennen eines Menschen bei Bewusstsein

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

T will die von ihm schwangere O qualvoll töten. Er fügt ihr vier Messerstiche zu und schüttet zwei Liter Benzin über ihren Kopf. Nach Entzünden des Benzins gerät O sofort in Brand. Trotz überaus heftiger Schmerzen versucht O noch, die Jacke abzustreifen. Sie stirbt frühestens eine Minute nach Brandbeginn.

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Einordnung des Falls

Verbrennen eines Menschen bei Bewusstsein

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. T hat O "grausam" getötet (§ 211 Abs. 2 Gr. 2 Var. 2 StGB).

Ja, in der Tat!

Grausam tötet, wer dem Opfer aus gefühlloser, unbarmherziger Gesinnung besonders starke Schmerzen oder Qualen körperlicher oder seelischer Art zufügt, die über das für die Tötung erforderliche Maß hinausgehen. Entscheidend ist eine in objektiver Hinsicht hochgradig schmerzvolle Tötungsaktion. Ausnahmsweise kann eine Tötung auch grausam sein, wenn der Tod des Opfers nicht im Moment, sondern erst in Sekunden oder Minuten nach dem grausamen Verhalten eintritt (sog. protrahierte Tötung). BGH: Bei der regelmäßig mit der Auslösung von "Vernichtungsschmerzen" verbundenen Tötung durch Verbrennen genüge bereits ein Zeitraum von wenigen Sekunden für die Erfüllung des Mordmerkmals der Grausamkeit. Bei O trete hinzu, dass sie durch die Stiche und das Überschütten des Benzins bereits in Todesangst versetzt wurde und zudem die Gewissheit hatte, dass auch das ungeborene Kind versterben würde (RdNr. 6).
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2. T hatte Vorsatz bezüglich der Grausamkeit der Tötung (§ 211 Abs. 2 Gr. 2 Var. 2 StGB).

Ja!

Der Vorsatz muss sich auf alle objektiven Tatbestandsmerkmale beziehen (Umkehrschluss aus § 16 StGB). "Grausamkeit" ist ein tatbezogenes, objektives Mordmerkmal. Der Täter hat Vorsatz bezüglich der Grausamkeit, wenn er die Umstände kennt und will, die den Leidenszustand des Opfers bedingen. Rspr. und h.M. fordern zudem, dass die Vorgehensweise einer gefühllosen, unbarmherzigen Gesinnung entspringt. Diese ergibt sich regelmäßig bereits aus dem vom Vorsatz getragenen, objektiv grausamen Verhalten. T wollte O qualvoll töten und hat sich bewusst für das Verbrennen entschieden. Er hatte Vorsatz bezüglich der Grausamkeit und eine gefühllose, unbarmherzige Gesinnung.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Helena

Helena

21.1.2022, 18:46:10

Was hat es mit der Jacke im Sachverhalt Auf sich?

Marilena

Marilena

23.1.2022, 11:11:49

Hallo Helena, danke für die Frage! Der Umstand, dass sich O noch versucht hat, die Jacke abzustreifen, zeigt, dass sie nicht sofort nach Entzünden infolge eines Schocks ohnmächtig geworden ist (dann würde es an den vom Merkmal der Grausamkeit vorausgesetzten schweren Qualen fehlen), sondern eben noch bewusst gehandelt hat und dabei allerhöchste Schmerzen aushalten musste. T hatte gegen das Urteil des Landgerichts Revision eingelegt und eine Verletzung sachlichen Rechts insbesondere hinsichtlich der Annahme der Grausamkeit geltend gemacht mit der Begründung, die Kammer habe eine völlige Schmerzlosigkeit aufgrund eines von O erlittenen Schocks und damit einhergehender Bewusstlosigkeit nicht tragfähig ausgeschlossen. Dazu ganz deutlich der BGH: „Wie lange der Zeitraum schwerster Qualen ab dem Entzünden des Benzins exakt gedauert hat, ist hier ohne Belang. Selbst wenn man - was nach den Feststellungen überaus fernliegt - von der kürzestmöglichen Zeitspanne ausgeht ("10, 20 oder 30 Sekunden", UA S. 70, oder gar etwas weniger), wäre an der Erfüllung des Mordmerkmals der Grausamkeit nicht zu zweifeln. Der Senat vertritt die Auffassung, dass bei der regelmäßig mit der Auslösung von "Vernichtungsschmerzen" verbundenen Tötung durch Verbrennen (vgl. auch MüKo-StGB/Schneider, 2. Aufl., § 211 Rn. 131 mwN) ein Zeitraum von wenigen Sekunden genügen kann" BGH, 8.11.2016, 5 StR 390/16, RdNr 7). Beste Grüße für das Jurafuchs-Team Marilena

TO

tonys

18.1.2024, 01:12:00

Der BGH schrieb allerdings auch, dass bereits das Überschütten mit Benzin (mit den vorangegangenen Messerstichen) zu höchster Todesangst führe mit dem Zusatz der Gewissheit, dass auch ihr ungeborenes Kind sterben würde. Hier wären also seelische Qualen (und damit das Merkmal der Grausamkeit) schon gegeben, auch wenn sie direkt danach bewusstlos geworden wäre und es nicht mehr geschafft hätte, noch ein paar Schritte zu gehen, geschweige denn zu versuchen sich die Jacke auszuziehen, richtig?

Burumar🐸

Burumar🐸

13.7.2022, 17:34:26

Verwirklicht T hier dann auch Delikte gegen das ungeborene Kind?

Nora Mommsen

Nora Mommsen

23.7.2022, 15:34:26

Hallo Burumar, § 212 StGB verlangt als taugliches Tatobjekt einen "anderen" Menschen. Rechtsfähig im Strafrecht ist der Mensch ab Beginn der Eröffnungswehen. Die Leibesfrucht ist an sich nicht rechtsfähig im Strafrecht und daher auch kein taugliches Tatobjekt der §§ 211 ff. StGB. Diese Lücke schließt § 218 StGB sofern nicht die Ausschlussgründe des § 218a StGB greifen. § 218 StGB schützt die Leibesfrucht vor vorsätzlicher Beendigung der Schwangerschaft. Abgesehen davon ist jede fahrlässige Tötung und jede vorsätzliche Schädigung des Ungeborenen nach unserer Rechtsordnung straflos. § 212 StGB und § 218 StGB stehen in Idealkonkurrenz zueinander. Wusste also der Täter von der Schwangerschaft, macht er sich tateinheitlich gem § 211 ff. StGB und § 218 StGB strafbar. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team


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