Strafrecht
BT 1: Totschlag, Mord, Körperverletzung u.a.
Mord, § 211 StGB
Verbrennen eines Menschen bei Bewusstsein
Verbrennen eines Menschen bei Bewusstsein
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
T will die von ihm schwangere O qualvoll töten. Er fügt ihr vier Messerstiche zu und schüttet zwei Liter Benzin über ihren Kopf. Nach Entzünden des Benzins gerät O sofort in Brand. Trotz überaus heftiger Schmerzen versucht O noch, die Jacke abzustreifen. Sie stirbt frühestens eine Minute nach Brandbeginn.
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Einordnung des Falls
Verbrennen eines Menschen bei Bewusstsein
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. T hat O "grausam" getötet (§ 211 Abs. 2 Gr. 2 Var. 2 StGB).
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. T hatte Vorsatz bezüglich der Grausamkeit der Tötung (§ 211 Abs. 2 Gr. 2 Var. 2 StGB).
Ja!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Helena
21.1.2022, 18:46:10
Was hat es mit der Jacke im Sachverhalt Auf sich?
Marilena
23.1.2022, 11:11:49
Hallo Helena, danke für die Frage! Der Umstand, dass sich O noch versucht hat, die Jacke abzustreifen, zeigt, dass sie nicht sofort nach Entzünden infolge eines Schocks ohnmächtig geworden ist (dann würde es an den vom Merkmal der Grausamkeit vorausgesetzten schweren Qualen fehlen), sondern eben noch bewusst gehandelt hat und dabei allerhöchste Schmerzen aushalten musste. T hatte gegen das Urteil des Landgerichts Revision eingelegt und eine Verletzung sachlichen Rechts insbesondere hinsichtlich der Annahme der Grausamkeit geltend gemacht mit der Begründung, die Kammer habe eine völlige Schmerzlosigkeit aufgrund eines von O erlittenen Schocks und damit einhergehender Bewusstlosigkeit nicht tragfähig ausgeschlossen. Dazu ganz deutlich der BGH: „Wie lange der Zeitraum schwerster Qualen ab dem Entzünden des Benzins exakt gedauert hat, ist hier ohne Belang. Selbst wenn man - was nach den Feststellungen überaus fernliegt - von der kürzestmöglichen Zeitspanne ausgeht ("10, 20 oder 30 Sekunden", UA S. 70, oder gar etwas weniger), wäre an der Erfüllung des Mordmerkmals der Grausamkeit nicht zu zweifeln. Der Senat vertritt die Auffassung, dass bei der regelmäßig mit der Auslösung von "Vernichtungsschmerzen" verbundenen Tötung durch Verbrennen (vgl. auch MüKo-StGB/Schneider, 2. Aufl., § 211 Rn. 131 mwN) ein Zeitraum von wenigen Sekunden genügen kann" BGH, 8.11.2016, 5 StR 390/16, RdNr 7). Beste Grüße für das Jurafuchs-Team Marilena
tonys
18.1.2024, 01:12:00
Der BGH schrieb allerdings auch, dass bereits das Überschütten mit Benzin (mit den vorangegangenen Messerstichen) zu höchster Todesangst führe mit dem Zusatz der Gewissheit, dass auch ihr ungeborenes Kind sterben würde. Hier wären also seelische Qualen (und damit das Merkmal der Grausamkeit) schon gegeben, auch wenn sie direkt danach bewusstlos geworden wäre und es nicht mehr geschafft hätte, noch ein paar Schritte zu gehen, geschweige denn zu versuchen sich die Jacke auszuziehen, richtig?
Burumar🐸
13.7.2022, 17:34:26
Verwirklicht T hier dann auch Delikte gegen das ungeborene Kind?
Nora Mommsen
23.7.2022, 15:34:26
Hallo Burumar, § 212 StGB verlangt als taugliches Tatobjekt einen "anderen" Menschen. Rechtsfähig im Strafrecht ist der Mensch ab Beginn der Eröffnungswehen. Die Leibesfrucht ist an sich nicht rechtsfähig im Strafrecht und daher auch kein taugliches Tatobjekt der §§ 211 ff. StGB. Diese Lücke schließt § 218 StGB sofern nicht die Ausschlussgründe des § 218a StGB greifen. § 218 StGB schützt die Leibesfrucht vor vorsätzlicher Beendigung der Schwangerschaft. Abgesehen davon ist jede fahrlässige Tötung und jede vorsätzliche Schädigung des Ungeborenen nach unserer Rechtsordnung straflos. § 212 StGB und § 218 StGB stehen in Idealkonkurrenz zueinander. Wusste also der Täter von der Schwangerschaft, macht er sich tateinheitlich gem § 211 ff. StGB und § 218 StGB strafbar. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team