Befreiung von einer Verbindlichkeit (negatives Schuldanerkenntnis)


+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

M kündigt seinen Mietvertrag mit V und zieht aus. Bei Übergabe erstellt V ein Abnahmeprotokoll. Obwohl die Wohnung Mängel hat, die M eigentlich beseitigen müsste, hält V fest, dass keine Mängel erkennbar seien. M und V unterzeichnen das Protokoll.

Einordnung des Falls

Befreiung von einer Verbindlichkeit (negatives Schuldanerkenntnis)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. V und M haben ein negatives Schuldanerkenntnis vereinbart (§ 397 Abs. 2 BGB).

Diese Rechtsfrage lösen [...Wird geladen] der Jurist:innen in Studium und Referendariat richtig.

...Wird geladen

Ja, in der Tat!

Ein negatives Schuldanerkenntnis (§ 397 Abs. 2 BGB) ist ein Vertrag zwischen Gläubiger und Schuldner, der feststellt oder regelt, dass eine Schuld nicht mehr besteht. Auf das negative Schuldanerkenntnis ist § 397 Abs. 2 BGB (Erlass) anzuwenden (nicht: § 780ff. BGB). Indem V im Abnahmeprotokoll festhält, dass keine Mängel bestünden (obwohl tatsächlich noch welche bestehen), vereinbart er mit M, dass M keine die bestehenden Mängel nicht beseitigen muss.

2. Durch das negative Schuldanerkenntnis des V hat M „etwas erlangt“ (§ 812 Abs. 1 Alt. 1 BGB).

Diese Rechtsfrage lösen [...Wird geladen] der Jurist:innen in Studium und Referendariat richtig.

...Wird geladen

Ja!

„Etwas“ im Sinne von § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB ist jeder vermögenswerte Vorteil. Der Vorteil muss tatsächlich in das Vermögen des Schuldners übergegangen sein. Man kann vier Kategorien unterscheiden: (1) Rechte (z.B. Eigentum), (2) vorteilhafte Rechtsstellungen (z.B. Besitz), (3) Befreiung von Verbindlichkeiten, (4) erlangte Nutzungen. V hat anerkannt, dass M keine Mängel beseitigen muss. Dadurch wurde M von seiner Verbindlichkeit frei, die Mängel zu beseitigen (3).

Jurafuchs kostenlos testen


Pilea

Pilea

19.8.2023, 09:29:53

Kommt es hier darauf an, ob V die Mängel bemerkt hat?

LL

Leo Lee

19.8.2023, 10:43:49

Hallo Pilea, die Pflicht des V, etwaige Mängel zu beseitigen, hängt nicht davon ab, ob er sie auch bemerkt. Denn gem. § 535 I 1, 2 BGB besteht die Pflicht unabhängig davon, ob sie - vom Mieter oder Vermieter - bemerkt werden. Ich vermute, dass du mit "bemerken" meinst, inwiefern die Wahrnehmung und die "Meldung" der Mängel bedeutend sind. Hier musst du beachten, dass etwa im Kaufrecht die Rechte i.d.R. ausgeübt werden müssen (etwa bei Nacherfüllung muss der Käufer diese verlangen). Aber auch beim Mietvertrag muss der MIETER diese anzeigen (ansonsten wird er seines Rechtes verlustig, etwa gem. § 563c BGB). Aber die Pflicht, die Mängel überhaupt zu beheben (also der Verkäufer oder Vermieter) bestehen schon "kraft Gesetzes" :). Liebe Grüße - für das Jurafuchsteam - Leo

Pilea

Pilea

19.8.2023, 23:24:49

Danke! Ich präzisiere nochmal: kommt es für den wirksamen Abschluss eines Schuldaufhebungsvertrags darauf an, dass dem V bewusst ist, dass er dem Mieter das Beheben von Mängeln erlässt? Oder reicht es aus, wenn die beiden den Vertrag "vorsorglich" schließen, V aber (noch) keine Kenntnis der Mängel hat?

BE

Benedikt

27.9.2023, 14:48:31

Ich denke das ist Auslegungssache. Grundsätzlich hat Mieter ein Interesse an Rechtssicherheit und der Vermieter an möglichen Ansprüchen. Wenn sowas in der Klausur kommt, würde ich es über die Auslegung von Willenserklärungen lösen. Wenn zB keine Mängel festgestellt worden sind, wäre ein Vertragsschluss, der nur die Schuld für festgestellte Mängel erlässt unnütz.


© Jurafuchs 2023