Strafrecht

Strafrecht Allgemeiner Teil

Rechtfertigungsgründe

Notwehr nach § 32 Abs. 1 StGB – nicht gegenwärtig (noch nicht unmittelbar bevorstehend)

Notwehr nach § 32 Abs. 1 StGB – nicht gegenwärtig (noch nicht unmittelbar bevorstehend)

22. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

T erfährt von einem bevorstehenden Überfall auf sein Bordell. Eine halbe Stunde vor dem Überfall begibt sich T zum 100 m entfernten Treffpunkt der Angreifer und vertreibt dieselben mit einer Flinte.

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Einordnung des Falls

Notwehr nach § 32 Abs. 1 StGB – nicht gegenwärtig (noch nicht unmittelbar bevorstehend)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. T hat den Tatbestand der Nötigung nach § 240 Abs. 1 StGB erfüllt.

Ja!

Eine Nötigung (§ 240 Abs. 1 StGB) erfordert den Einsatz von Gewalt oder Drohung mit einem empfindlichen Übel, also das Inaussichtstellen eines künftigen Übels, auf welches der Täter zumindest Einfluss zu haben vorgibt. T verfolgte mit seinem Auftritt den Zweck, die Angreifer einzuschüchtern und zum Verschwinden zu bewegen. Andernfalls würde er Gebrauch von seiner Waffe machen.
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2. Der Überfall auf das Bordell des T würde einen "Angriff" (§ 32 Abs. 2 StGB) darstellen.

Genau, so ist das!

Ein Angriff ist jede durch menschliches Verhalten drohende Verletzung rechtlich geschützter Interessen. Darunter fallen strafrechtlich geschützte Rechtsgüter sowie sonstige rechtlich geschützte Interessen. Ein Überfall unter Gewaltanwendung verletzt eine Vielzahl geschützter Interessen, wie beispielsweise die Willensentschließungsfreiheit, das Vermögen, die Gesundheit oder das Hausrecht.

3. Der Angriff war auch bereits "gegenwärtig (§ 32 Abs. 2 StGB).

Nein, das trifft nicht zu!

Ein Angriff ist gegenwärtig, wenn er unmittelbar bevorsteht, bereits stattfindet oder noch fortdauert. Unmittelbar bevorstehend ist dabei ein Verhalten, das zwar noch kein Recht verletzt, aber unmittelbar in eine Verletzung umschlagen kann. Der Überfall sollte erst eine halbe Stunde später stattfinden. Zudem befanden sich die Angreifer noch 100 m vom Bordell entfernt. Es fehlt ein ausreichender zeitlicher und örtlicher Zusammenhang für einen unmittelbar bevorstehenden Angriff.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

🦊LEXD

🦊LEXDEROGANS

22.3.2021, 11:56:49

Würde Gegenwärtigkeit auch dann verneint, wenn das Bordell gänzlich abseits der Zivilisation gelegen wäre (Polizei und Nachbarn können nur innerhalb von 1h den Ort erreichen) und der einmal aufgewiegelte Mob auch sofort zum

Überfall

übergehen würde? Weniger starke aber gleichgeeignete Abwehrmittel ließen sich ja womöglich nur in diesem Vorstadium (Mob hat sich erst getroffen und ist noch nicht aufgewiegelt) realisieren...

ENU

ehemalige:r Nutzer:in

2.5.2021, 15:52:53

So wie ich das mit dem "unmittelbar bevorstehend" verstehe, geht es vor allem darum, dass es dem sich Verteidigenden nicht zumutbar wäre, noch zu warten, weil er damit die Chance auf Abschwächung oder Abwendung des Erfolges aufgeben oder erheblich schwächen würde. Danach wäre er in deinem Fall wahrscheinlich dennoch gerechtfertigt. Man kann aber sicherlich andere Ansichten vertreten; bei Notwehr muss man was Überdehnungen des Wortlautes ja auch vorsichtig sein.

Sparvey Hecter (StGBae)

Sparvey Hecter (StGBae)

16.10.2024, 17:46:54

Gibt es für das Kriterium der „Gegenwärtigkeit“ eine Art Faustformel o.Ä.? Ich hätte die Gegenwärtigkeit hier auch verneint, habe mich aber dennoch gefragt, wie es aussehen würde, wenn sich der Mob z.B. zwei Häuser weiter zum Angriff bereit gemacht hätte. Nachtrag: Der Kommentar über mir beantwortet das Ganze mehr oder weniger.


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