Zuständigkeit bei Klageermäßigung
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
K verklagt B auf Zahlung von € 8.000 vor dem zuständigen Landgericht Köln. Sein Anwalt überzeugt ihn jedoch aufgrund der schlechten Beweislage dazu, die Klage um die Hälfte zu reduzieren. Der Klageantrag lautet nun auf Zahlung von € 4.000.
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Einordnung des Falls
Zuständigkeit bei Klageermäßigung
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Für die ursprüngliche Klage auf Zahlung von € 8.000 war das Landgericht sachlich zuständig.
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. Für eine Klage auf Zahlung von € 4.000 ist grundsätzlich das Amtsgericht sachlich zuständig.
Ja!
3. Für die Berechnung des Zuständigkeitsstreitwerts ist der Zeitpunkt der Klageeinreichung maßgeblich (§ 4 Abs. 1 Hs. 1 ZPO).
Genau, so ist das!
4. Das bei Klageerhebung sachlich zuständige Landgericht behält seine Zuständigkeit (§ 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO).
Ja, in der Tat!
5. Das Landgericht erklärt sich auf Antrag für unzuständig.
Nein!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
TeamRahad 🧞
7.1.2021, 09:04:18
Weiß zufällig jemand, warum 506 nur vom AG zum LG gilt und nicht umgekehrt? Findet der Gesetzgeber es weniger schlimm, sich eine Verhandlung vor dem AG zu erschleichen als vor dem LG? Oder ist in der Praxis das AG meistens attraktiver (zB oft bequemer weil kürzerer Anfahrtsweg)? Das LG kann ja durchaus auch Vorteile haben, zB besser spezialisierte Richter*innen ...
TeamRahad 🧞
7.1.2021, 09:05:48
*weniger schlimm, sich eine Verhandlung vor dem LG zu erschleichen als vor dem AG
t o m m y
7.1.2021, 11:56:15
aus dem bauch heraus: klage vorm AG, streitwert wird nachträglich erhoeht => ab zum LG, denn das AG darf grds nicht ueber wertvolle steitgegenstaende > 5000€ urteilen ('kognitionsbefugnis'). das sollen die profis am LG machen (ueberspitzt!), ausser der beklagte ist einverstanden. klage vorm LG, streitwert wird nachtraeglich verringert => es bleibt bei der
perpetuatio fori, denn das LG darf ueber jeden noch so wertvollen streitgegenstand entscheiden, also ja wohl auch ueber kleinkram. kein beduerfnis fuer eine verweisung nach unten.
t o m m y
7.1.2021, 11:59:48
klage 4000€ vorm AG,
widerklage6000€ => AG ist fuer
widerklagesachlich unzustaendig und müsste NUR die
widerklageauf antrag ans LG verweisen, aber das widerspricht ja komplett dem zweck der
widerklage: wuerde man NUR die
widerklageverweisen, dann wuerde der einheitliche rechtsstreit auseinandergerissen. deshalb 506: AG erklaert sich insgesamt fuer unzustaendigkeit und verweist den EINHEITLICHEN rechtsstreit nach oben. klage 6000€ vorm LG,
widerklage4000€: theoretisch ist das LG fuer die
widerklageunzustaendig. wenn man NUR die
widerklageans AG verweist, reisst man wieder den rechtsstreit auseinander. eine gesamtverweisung waere aber auch dumm, weil dann das AG auch ueber die 6000 entscheiden müsste. deshalb ist das LG fuer so eine
widerklagedirekt sachlich zustaendig (allgM)
TeamRahad 🧞
7.1.2021, 13:29:29
Danke t o m m y, das klingt nicht verkehrt 😊
Fahrradfischlein
16.3.2021, 20:09:31
Die Antwort von Tommy erklärt aber finde ich nicht die von TeamRahad aufgeworfene Frage, dass es unter Umständen auch vorteilhaft sein kann sich einen Prozess vor dem LG zu erschleichen. Denn die Klage/
Widerklagesituation ist ja an sich ein anderes Argument für die Anwendbarkeit der
perpetuatio forit o m m y
18.3.2021, 00:21:59
ein 'erschleichen' der 0815-normalzuständigkeit des LG ist, wenn ein solches denn mal ernsthaft vorliegen sollte, dann doch mE eher eine frage des rechtsmissbrauchs. aber als anderen begründungsansatz falls das gemeint ist: gäbe es 506 auch umgekehrt könnte der kläger einfach stetig teilweise zurücknehmen, erweitern, zurücknehmen, erweitern... und so den rechtsstreit zwischen LG und AG hin- und herschicken. deshalb muss einer zuständigkeit bleiben => das normalgericht (= LG). 506 e contrario kann man dann insofern als argument heranziehen, wenn man die
teilweise klagerücknahmenicht unter 261 III nr. 2 subsumieren will (wie ua putzo, wenn ich das noch richtig im kopf habe)
Isabell
6.7.2021, 09:29:12
Das mit den vermeintlich "wertvolleren" Streitwerten haut bei Mietstreitereien schon nicht mehr hin. Das kann sich schnell um sehr viel Geld drehen. Ganz davon ab, dass ein Streit um den eigenen Wohnsitz unabhängig vom finanziellen Wert, für die Betroffenen als extrem wertvoll begriffen werden kann. Nicht zuletzt wegen der oft angespannten Mietsituation in vielen Regionen. In Anbetracht dessen, dass man vorm LG zwingend einen Rechtsbeistand braucht, finde ich ein erschleichen der LG-Zuständigkeit wenig reizvoll. Aber vielleicht bin ich da einfach nicht kreativ genug 😅
ETBI3000
18.1.2022, 22:04:16
Ich hätte gesagt, dass es auf den höheren Schutz beim LG ankommt durch Anwaltszwang. Also bekommt man ihn auf Antrag, wenn man zuerst beim AG war, "verliert" ihn aber nicht nachträglich.
medoLaw
12.4.2022, 08:38:35
Kurz knackig : Bein Amtsgericht "erschleichst" du dir eine ganze Instanz und beim Landgericht halt nicht
WillezurGerechtigkeit
16.2.2021, 18:22:39
Eselsbrücke: Einmal LG, immer LG! :)
ri
24.9.2021, 14:12:23
Perpetuatio = Verewigung/Fortbestehen Fori von forum (Genitiv Singular) = Gerichtsstand