+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
P ist Prokuristin einer Supermarktkette. Sie erklärt gegenüber Filialleiterin F, sie ermächtige sie zur eigenständigen Vornahme aller Geschäfte, die für die Leitung ihres Supermarkts normalerweise notwendig sind.
Einordnung des Falls
Erteilung der Handlungsvollmacht, § 54 Abs. 1 HGB
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Handlungsvollmacht ist eine Art der rechtsgeschäftlich erteilten Vertretungsmacht.
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Ja, in der Tat!
Die Handlungsvollmacht (§ 54 HGB) ist eine rechtsgeschäftlich erteilte Vollmacht (§§ 164ff. BGB), für deren Umfang eine gesetzliche Vermutung besteht. Es gibt drei Formen der Handlungsvollmacht: Generalhandlungsvollmacht, Arthandlungsvollmacht und Spezialhandlungsvollmacht (§ 54 Abs. 1 HGB). Alle Formen sind (im Gegensatz zur Prokura) auf Geschäfte und Rechtshandlungen beschränkt, die der Betrieb eines derartigen Handelsgewerbes mit sich bringt (=gewöhnliche Geschäfte) (§ 54 Abs. 1 HGB). Handlungsvollmacht kann ausdrücklich oder konkludent erteilt werden. Die Erteilung kann durch den Geschäftsinhaber selbst, einen Prokuristen oder einen anderen Handlungsbevollmächtigten erfolgen (§ 54 Abs. 1 HGB).
2. Handlungsvollmacht kann ausdrücklich und konkludent erteilt werden (§ 54 Abs. 1 HGB).
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Ja!
Die Handlungsvollmacht wird durch einseitig empfangsbedürftige Willenserklärung gegenüber dem Vertreter (= Innenhandlungsvollmacht, § 167 Abs. 1 Alt. 1 BGB) oder gegenüber dem Dritten, gegenüber dem die Vertretung stattfinden soll (=Außenhandlungsvollmacht, § 167 Abs. 1 Alt. 2 BGB) erteilt. Sie kann auch durch öffentliche Bekanntmachung erfolgen. Das HGB nennt keine Besonderheiten bezüglich der Erteilung der Handlungsvollmacht. Die Erteilung muss daher anders als bei der Prokura nicht ausdrücklich erfolgen. Sie kann auch konkludent erteilt werden oder als Duldungs- oder Anscheinsvollmacht bestehen.
3. P‘s Erklärung gegenüber F beinhaltet die Erteilung von Handlungsvollmacht (§ 54 Abs. 1 HGB).
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Genau, so ist das!
Jede in einem Handelsgewerbe erteilte Vollmacht, die keine Prokura ist, ist eine Handlungsvollmacht (§ 54 Abs. 1 HGB). Welche handelsrechtliche Vollmacht erteilt werden soll, ist durch Auslegung der Erteilungserklärung zu ermitteln (§§ 133, 157 BGB).
P erklärt, F‘s Ermächtigung soll Handlungen umfassen, die für die Leitung ihrer Supermarktfiliale typisch und notwendig sind. F soll in der Lage sein, die Filiale eigenständig zu leiten, ohne für gewöhnliche branchenübliche Geschäfte eine „Erlaubnis“ zu benötigen. Prokura umfasst neben gewöhnlichen Geschäften (irgend-)eines Handelsgewerbes auch außergewöhnliche Geschäfte. Eine Erstreckung auf außergewöhnliche Geschäfte ist P‘s Erklärung nicht zu entnehmen.
4. P hat F wirksam Handlungsvollmacht erteilt (§ 54 Abs. 1 HGB).
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Ja, in der Tat!
Handlungsvollmacht kann durch den Geschäftsinhaber selbst, einen Prokuristen oder einen anderen Handlungsbevollmächtigten (=Unterhandlungsvollmacht) erteilt werden (§ 54 Abs. 1 HGB). Handlungsvollmacht wird grundsätzlich von Kaufleuten erteilt (§ 54 Abs. 1 HGB). Nach herrschender Meinung ist die Kaufmannseigenschaft des Vertretenen nicht zwingend erforderlich und § 54 Abs. 1 HGB auf nichtkaufmännische Unternehmen analog anwendbar.
P ist Prokuristin einer Supermarktkette. Die wirksame Erteilung der Prokura an P setzt die Kaufmannseigenschaft des Unternehmensträgers der Supermarktkette voraus. P kann als Prokuristin eines Handelsgewerbes Handlungsvollmacht für dieses erteilen.
5. Die Handlungsvollmacht kann (freiwillig) in das Handelsregister eingetragen werden.
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Nein!
Die Handlungsvollmacht ist weder eintragungsfähig noch eintragungspflichtig. Es liegt keine gesetzliche Bestimmung vor, welche die Eintragung vorschreibt oder überhaupt zulässt.