Bereicherungsrechtliche Rückabwicklung bei irrtümlicher Leistung (Einseitiger Irrtum)


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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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S ist an der F-OHG und an der T-KG beteiligt. F und T schulden Gläubiger G jeweils Werklohn i.H.v. €1000. G spricht mit S über die Zahlung von Ts Verbindlichkeit. Als F €1000 „zur Zahlung der Verbindlichkeit“ an G überweist, denkt G, dies erfolge zugunsten der T, da er von S' Beteiligung an F weiß.

Einordnung des Falls

Bereicherungsrechtliche Rückabwicklung bei irrtümlicher Leistung (Einseitiger Irrtum)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Fraglich ist, ob F an G geleistet hat (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB).

Ja, in der Tat!

Leistung ist die bewusste, zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens. F hat bewusst Gs Vermögen gemehrt. Fraglich ist, ob die Mehrung auch zweckgerichtet ist. Dies ist der Fall, wenn F eine Tilgungsbestimmung abgegeben hat, die erklärt, dass F mit der Zahlung eine eigene Schuld gegenüber G begleichen möchte.

2. Mit der Überweisung hat S für F eine Tilgungsbestimmung (§ 366 BGB) vorgenommen, die erklärt, eine eigene Schuld begleichen zu wollen.

Nein!

Die Tilgungsbestimmung stellt eine einseitig empfangsbedürftige Willenserklärung dar. Wie jede Willenserklärung unterliegt sie der Auslegung nach §§ 133, 157 BGB. Sie ist grundsätzlich nicht erforderlich (Theorie der realen Leistungsbewirkung). S hatte mit G bereits über die Bezahlung der Verbindlichkeit der T geredet. Ein objektiver Empfänger musste ohne weitere Angaben deshalb davon ausgehen, dass die eingegangene Zahlung eine Schuld der T begleichen soll, nicht der F. Die Tilgungsbestimmung hat also ausgesagt, dass F eine Schuld der T begleichen möchte (§ 267 BGB). Es liegt somit eine irrtümliche Leistung der F für T vor.

3. F kann das Geld ohne weiteres von G im Wege der Leistungskondiktion zurückfordern (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB).

Nein, das ist nicht der Fall!

Die Leistungskondiktion setzt voraus, dass der Anspruchsgegner (1) etwas (2) durch Leistung und (3) ohne Rechtsgrund erlangt hat (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB). G hat €1000 erlangt. Gs Vermögen wurde auch durch eine Leistung der F gemehrt. Allerdings besteht derzeit noch ein Rechtsgrund für diese Zahlung. F hat nämlich durch die mit der Zahlung abgegebene Tilgungsbestimmung erklärt, eine Schuld der T begleichen zu wollen. Für diese bestand ein Rechtsgrund, nämlich der Werkvertrag zwischen G und T. Eine Leistungskondiktion der F gegen G scheidet deshalb zunächst aus.

4. F kann das Geld von T zurückfordern (§ 812 Abs. 1 Alt. 2 BGB).

Ja, in der Tat!

Es kommt eine Nichtleistungskondiktion in Form der Fallgruppe der Rückgriffskondiktion in Betracht. Diese ist anwendbar, wenn ein Dritter eine fremde Schuld tilgt und dadurch den Schuldner von dessen Verbindlichkeit gegenüber dem Gläubiger befreit. Voraussetzung ist , dass der Schuldner die Befreiung von einer Verbindlichkeit nicht durch Leistung und ohne Rechtsgrund erlangt hat. F hat irrtümlich für T geleistet. Dadurch wurde Ts Schuld gegenüber G getilgt. T sieht sich auch keinen anderweitigen Ersatzansprüchen ausgesetzt, sodass T die Befreiung von ihrer Verbindlichkeit erlangt hat. Dies erfolgte nicht durch Leistung, da F lediglich an G geleistet hat. Für die Befreiung von der Verbindlichkeit liegt kein Rechtsgrund vor.Die Subsidiarität der Rückgriffskondiktion ergibt sich daraus, dass beim bloßen Austausch des Gläubigers keine Befreiung von der Verbindlichkeit erfolgt wäre und damit der Schuldner nichts erlangt hat.

5. Alternativ könnte F die Tilgungsbestimmung anfechten und das Geld von G zurückverlangen (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB).

Ja!

Alternativ könnte F die abgegebene Tilgungsbestimmung auch anfechten, da ein Inhaltsirrtum vorliegt (§ 119 Abs. 1 Alt. 1 BGB). Dies hätte zur Folge, dass der Rechtsgrund – nämlich der Werkvertrag zwischen T und G – für die Leistung entfiele. Denn ohne entsprechende Tilgungsbestimmung bringt die Zahlung die Verbindlichkeit der T nicht zum Erlöschen (§ 362 Abs. 1 BGB). Da F in diesem Fall rechtsgrundlos an G geleistet hat, könnte sie das Geld von G über die Leistungskondiktion herausverlangen. Sofern die Leistung also tatsächlich Erfüllungswirkung entfaltet, steht dem Leistenden ein Wahlrecht zu, ob er auf den eigentlichen Schuldner zurückgreift oder - nach Anfechtung der Tilgungsbestimmung - auf den Zahlungsempfänger.

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