Zivilrecht

BGB Allgemeiner Teil

Verjährung

Verjährungshöchstfristen für Schadensersatzansprüche nach § 199 Abs. 3 BGB

Verjährungshöchstfristen für Schadensersatzansprüche nach § 199 Abs. 3 BGB

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A parkt sein Auto am 15.05.2022 in einem Parkhaus. Der Unbekannte U fährt versehentlich mit seinem Auto beim Ausparken den Seitenspiegel des A ab und verschwindet. A bemerkt dies, als er zurückkommt. Er hofft, das Kennzeichen des U mithilfe von Überwachungsbändern herauszufinden.

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Einordnung des Falls

Verjährungshöchstfristen für Schadensersatzansprüche nach § 199 Abs. 3 BGB

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. A hat Schadensersatzansprüche gegen U wegen des abgefahrenen Seitenspiegels.

Ja, in der Tat!

Wird bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs eine Sache beschädigt, so ist der Halter verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen (§ 7 Abs. 1 Alt. 3 StVG). U ist Halter eines Kfz und hat bei dessen Betrieb das Eigentum des F verletzt, wodurch ein Vermögensschaden entstanden ist.Daneben besteht auch ein deliktischer Anspruch (§ 823 Abs. 1 BGB).
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2. Die Schadensersatzansprüche des A gegen U unterliegen der Regelverjährungsfrist (§ 195 BGB).

Ja!

Nach § 195 BGB beträgt die regelmäßige Verjährungsfrist 3 Jahre. Sie gilt immer dann, wenn keine gesetzliche Sonderregelung besteht. Gesetzliche Sonderregelungen sind nicht ersichtlich. Damit gilt die Regelverjährungsfrist.

3. Die Regelverjährungsfrist beginnt am 01.01.2023 nur zu laufen, wenn A bis dahin die Identität des U herausfindet.

Genau, so ist das!

Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem (1) der Anspruch entstanden ist und (2) der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Die Schadensersatzansprüche sind am 15.05.2022 entstanden. A hat bislang zwar von den anspruchbegründenden Umständen, nicht jedoch von der Person des Schuldners, dem Unbekannten U, Kenntnis erlangt.

4. Die Schadensersatzansprüche des A unterliegen Verjährungshöchstfristen.

Ja, in der Tat!

Schadensersatzansprüche, die nicht auf der Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit beruhen, verjähren (a) ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von Ihrer Entstehung an oder (b) ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kennntis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an (§ 199 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 und 2 BGB). A hat Schadensersatzansprüche gegen U, die nicht auf der Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit beruhen.

5. Die Schadensersatzansprüche des A unterliegen einer Verjährungshöchstfrist von 30 Jahren (§ 199 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 BGB).

Nein!

Auf einer Eigentumsverletzung beruhende Schadensersatzansprüche (a) ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von Ihrer Entstehung an oder (b) ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kennntis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an (§ 199 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 und 2 BGB). Maßgeblich ist die früher endende Frist (§ 199 Abs. 3 S. 2 BGB). As Schadensersatzansprüche entstanden am 15.05.2022. Am gleichen Tag beging U auch die sie begründende Verletzungshandlung. Die zehnjährige Höchstfrist endet damit früher.

6. Die Verjährungshöchstfrist der Schadensersatzansprüche des A begann am 16.05.2022 zu laufen.

Genau, so ist das!

Die zehnjährige Verjährungshöchstfrist des § 199 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BGB beginnt mit der Anspruchsentstehung zu laufen. Sie wird somit durch ein Ereignis iSd § 187 Abs. 1 BGB ausgelöst. As Schadensersatzansprüche sind am 15.05.2022 entstanden. Die Verjährungshöchstfrist hat somit am 16.05.2022 zu laufen begonnen.

7. Die Verjährungshöchstfrist der Schadensersatzansprüche des A endet mit Ablauf des 15.05.2032.

Ja, in der Tat!

Nach § 188 Abs. 2 BGB endigt eine Frist, die nach einem mehrere Monate umfassenden Zeitraum bestimmt ist, im Falle des § 187 Abs. 1 BGB mit dem Ablauf desjenigen Tages des letzten Monats, welcher durch seine Zahl dem Tage entspricht, in den das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt. Die Verjährungsfrist beträgt 10 Jahre und ist damit ein mehrere Monate umfassender Zeitraum. Die Verletzungshandlung als das die Frist auslösende Ereignis war am 15.05.2022. Damit endet die Frist mit Ablauf des 15.05.2032.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

SI

silasowicz

16.8.2023, 15:41:44

Eine Nachfrage zu § 199 III: Heißt das, dass bei Einschlägigkeit von Nr. 1 Nr. 2 gesperrt ist?

LELEE

Leo Lee

17.8.2023, 13:07:30

Hallo silasowicz, Abs. 3 ist in der Tat subsidiär, aber - Achtung - nur ggü. Abs. 2. Denn Abs. 1 stellt nur den Maßstab dar, der nach Abs. 2 und subsidiär Abs. 3 modifiziert wird. D.h., wenn Abs. 2 greift, ist Abs. 3 nicht anzuwenden. Beispiele für Abs. 3 sind etwa Verletzung von I. Eigentum II. Vermögen III.

Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb

IV.

APR

. Ansonsten kann ich dir die Lektüre von MüKo-BGB, 9. Auflage, Grothe § 199 Rn. 53 empfehlen :). Liebe Grüße - für das Jurafuchsteam - Leo

Dogu

Dogu

5.10.2023, 22:10:20

Ich glaube die Frage bezog sich auf das Verhältnis von § 199 III Nr. 1 und 2 und nicht auf das Verhältnis von Abs. 2 zum Rest von §

199 BGB

. ;) Nr. 1 sperrt mE nicht Nr. 2, sondern nach Absatz 3 S. 2 ist die früher endende Frist maßgeblich. Die Frage wäre natürlich, ob überhaupt ein Fall denkbar ist, bei dem die Frist nach Nr. 2 früher endet als nach Nr. 1

QUIG

QuiGonTim

20.10.2023, 10:38:39

Könnte mit bitte mal jemand den § 199 Abs. 3 Nr. 2 BGB erklären? Warum wird dort eine Verjährungshöchstfrist für Ansprüche „ohne Rücksicht auf ihre Entstehung“, also für nicht entstandene Ansprüche geschaffen?

SE.

se.si.sc

20.10.2023, 11:18:22

Der Kerngedanke von § 199 II und III BGB ist, umgangssprachlich ausgedrückt, ja: "Irgendwann ist's auch mal gut!" Vornehmer ausgedrückt lässt sich nach langer Zeit oft ohnehin nicht mehr eindeutig aufklären, was genau damals vor langer Zeit passiert ist. Gleichzeitig möchte man zu lange Schwebezeiten der Rechtsunsicherheit und Rechtsunklarheit vermeiden, die dadurch entstehen, dass der Schuldner stets noch damit rechnen muss, rechtlichen Ansprüchen wegen eines bestimmten Eriegnisses ausgesetzt zu sein (zum Ganzen zB MüKo-BGB, § 199 Rn 2). Vor diesem Hintergrund sagt § 199 III 1 Nr 2 BGB, dass für (bestimmte) SchE-Ansprüche nach 30 Jahren sogar dann Verjährung eintritt, wenn der Schadensersatzanspruch noch gar nicht entstanden ist (ähnlich die Regelung in § 199 II BGB). Beispiel: SchE wegen Falschberatung durch einen Anwalt bei einem Vertragsschluss. Der Schaden entsteht aber erst mehr als 30 Jahre später, weil es zB auf die Klausel, hinsichtlich derer falsch beraten wurde, erst nach so langer Zeit einmal ankommt. In diesem Fall ist der SchE-Anspruch gegen den Anwalt ausnahmsweise eben schon im Zeitpunkt seines Entstehens sofort verjährt, § 199 III 1 Nr 2 BGB.

QUIG

QuiGonTim

20.10.2023, 11:36:34

Vielen Dank für die schnelle und ausführliche Antwort. :)

LELEE

Leo Lee

21.10.2023, 14:01:10

Hallo QuiGonTim, wie se.si.sc zutreffend beschrieben hat mit den Worten „irgendwann ists auch mal gut“ ist allen voran der Rechtsfrieden beabsichtigt. Ansonsten könnte „jeder kommen“ und seine Ansprüche nach 100 Jahren noch durchsetzen :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

Niklas3461

Niklas3461

12.7.2024, 12:33:11

Liebes Jura-Fuchs-Team, erstmal Danke für die tolle Aufgabe. Hier wird in der ALG auf § 7 I Alt. 3 StVG abgestellt als Halterhaftung. Das bei Lebensnaher Auslegung der Fahrer eines Fahrzeugs typischerweise auch der Halter ist leuchtet mir ein, daneben wäre aber auch ein Anspruch gem. § 18 I StVG gegen den U als Fahrzeugführer einschlägig oder, selbst wenn der U nicht der Halter des Fahrzeugs ist. Oder ? Danke für die Zeit die Ihr für die Beantwortung der Frage aufwendet. Beste Grüße Niklas

TI

Timurso

12.7.2024, 12:38:37

Ja, auch darauf ließe sich ein Anspruch stützen. Ist nur in der Praxis nicht so relevant, weil dafür nachgewiesen werden müsste, dass U gefahren ist. Das ist mit den Bildern der Überwachungskameras oft schwieriger, als über das Kennzeichen den Halter zu ermitteln. Das gilt aber für den § 823 BGB ebenso, auf den im Fall auch hingewiesen wird.


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