Referendariat

Die ZVR-Klausur

Drittwiderspruchsklage, § 771 ZPO

Gesamthandsgemeinschaften: Nicht-rechtsfähiger Verein

Gesamthandsgemeinschaften: Nicht-rechtsfähiger Verein

26. Dezember 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

D ist Mitglied im Briefmarkenverein S. S ist nicht ins Vereinsregister eingetragen. D ist kein Mitglied des Vorstands von S. G verklagt S erfolgreich auf Zahlung von €5.000. G lässt bei D - ohne dessen Einwilligung - eine wertvolle Briefmarke, die dem Verein gehört, pfänden.

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Einordnung des Falls

Gesamthandsgemeinschaften: Nicht-rechtsfähiger Verein

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. D kann mit der Drittwiderspruchsklage (§ 771 ZPO) gegen die Pfändung der Briefmarke vorgehen.

Nein, das ist nicht der Fall!

Die Zulässigkeitsvoraussetzungen der Drittwiderspruchsklage (§ 771 ZPO) lauten: (1) Statthaftigkeit, (2) Zuständigkeit des Gerichts, (3) Rechtsschutzbedürfnis. Die Drittwiderspruchsklage (§ 771 ZPO) ist statthaft, wenn der Kläger als Dritter ein die Veräußerung hinderndes Recht (Interventionsrecht) geltend macht (§ 771 Abs. 1 ZPO). Die gepfändete Briefmarke ist Vereinsvermögen. Eine hypothetische Veräußerung der Briefmarke durch S würde nicht rechtswidrig in die Mitgliedsrechte des D eingreifen. Auch der Besitz ist kein Interventionsrecht (§ 771 Abs. 1 ZPO). Die Drittwiderspruchsklage (§ 771 ZPO) ist unzulässig.
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2. Statthafter Rechtsbehelf für D ist die Vollstreckungserinnerung (§ 766 ZPO).

Ja, in der Tat!

Die Vollstreckungserinnerung ist statthaft (§ 766 Abs. 1 S. 1 ZPO), wenn der Erinnerungsführer gegen Vollstreckungsmaßnahmen mit der Rüge der Verletzung formellen Rechts vorgeht. D kann geltend machen, das Vollstreckungsorgan (der Gerichtsvollzieher) habe gegen die Vorschrift des § 809 ZPO verstoßen. Diese Vorschrift stellt eine formelle Regelung für das Vollstreckungsverfahren dar. D wendet sich also gegen einen formellen Fehler des Gerichtsvollziehers. Die Erinnerung (§ 766 ZPO) ist statthaft.

3. Die Vollstreckungserinnerung (§ 766 ZPO) des D ist begründet und hat Erfolg.

Ja!

Die Vollstreckungserinnerung (§ 766 Abs. 1 ZPO) ist begründet, wenn die angegriffene Vollstreckungsmaßnahme nicht zulässig war. Ein Dritter, der Gewahrsam an dem gepfändeten Gegenstand hat, muss der Pfändung zustimmen (§ 809 ZPO). Gegen diese Vorschrift hat der Gerichtsvollzieher verstoßen. Zwar genügt für die Zwangsvollstreckung in das Vereinsvermögen ein Titel gegen den Verein (§ 735 ZPO). Aus einem solchen Titel darf aber nur in Vereinsvermögen vollstreckt werden, das sich im Gewahrsam der Organe des S befindet. D ist kein Organ des S. G müsste sich daher auch einen Titel (zumindest einen Duldungstitel) gegen D besorgen.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Isabell

Isabell

8.1.2021, 21:14:18

Haften die Mitglieder von Vereinen für den Verein nicht erst ab Entlastung des Vorstandes?

Christian Leupold-Wendling

Christian Leupold-Wendling

8.1.2021, 23:14:12

Hi Isabell, das Eigentum an der Briefmarke gehört zum Vereinsvermögen.

TH

Thjolly

19.9.2023, 09:08:34

Sieht die hM den Besitz nicht auch als

Interventionsrecht

an (so zumindest BGHZ 2, 164 und bei Kaiser ZVR Rn.40)? Gewichtiges Argument mit Verweis auf die dem Besitz nach 858 ff. BGB zukommende Ausschlussfunktion und bei

Recht zum Besitz

zukommende Nutzungsfunktion, sodass er eigentumsähnlich (Vgl. Funktionen des 903 BGB) ist. Ihm kommt also mehr als nur die von der Gegenansicht behaupte

tat

sächliche Position zu.

JURA

juravulpes

12.4.2024, 13:44:19

Besitz wird von der im Vordringen befindlichen/mittlerweile herrschenden Ansicht nicht als

Interventionsrecht

eingeordnet. Dafür sprechen mE auch die besseren Argumente: Besitz ist eine

tat

sächliche Position und schon terminologisch kein Recht. Die dem Besitz zukommende Ausschlussfunktion wird durch §

809 ZPO

geschützt, dessen Verletzung im Wege der Vollstreckungserinnerung geltend gemacht werden kann. Sofern der Besitz berechtigt ist, kommt es für die Annahme eines

Interventionsrecht

s auf die Einordnung des den Besitz tragenden obligatorischen oder dinglichen Rechts an.

TAT

Tat

17.1.2024, 22:29:47

§ 7

35 ZPO

ist seit dem 1.1.2024 weggefallen

LELEE

Leo Lee

20.1.2024, 14:20:44

Hallo

Tat

, vielen Dank für diesen sehr wichtigen Hinweis! In der

Tat

ist das Redaktionsteam gerade dabei, die „überholten“ Aufgaben an das MoPeG anzupassen. Da diese sehr viele sind und auch über viele Gebiete hin verstreut sind, bitten wir an dieser Stelle um Verständnis und Nachsicht :). Wir werden alles tun, damit die Änderungen so schnell wie möglich kommen! Wir würden uns weiterhin freuen, wenn du uns weiterhin unter bearbeitungsbedürftigen Aufgaben mitteilen würdest, dass eine Änderung des MoPeGs nötig ist. Wir möchten die Gelegenheit nehmen, um dir dafür zu danken, dass du uns dabei hilfst, die App zu perfektionieren :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

MARCE

Marcel13

10.10.2024, 16:07:24

Die Aufgabe ist immer noch nicht nachgearbeitet. Nur zur Info :)

KLA

KlarKarl

6.12.2024, 17:18:08

Immer noch nicht

JURAFU

jurafuchsles

7.7.2024, 10:44:15

wie ist es denn jetzt nach dem neuen Recht ?

Tobias Krapp

Tobias Krapp

2.8.2024, 16:20:51

Hallo jurafuchsles, danke für deine Nachfrage! An der Lösung selbst ändert sich nichts. Auch nach dem MoPeG sind Vereinsmitglieder Dritte, es sei denn sie sind Vereinsorgan oder

Besitzdiener

für ein Organ. Nur der Hintergrund und die Begleitvorschriften haben sich geändert: Das MoPeG hat den ohnehin verunglückten Begriff des "nichtsrechtsfähigen Vereins" in § 54 BGB a.F. gestrichen und bezeichnet einen nicht eingetragenen Verein nun als "Verein ohne Rechtspersönlichkeit", § 54 BGB n.F. Dieser ist nun nach § 54 I S. 1 oder 2 BGB n.F. (je nachdem um welchen Vereinstyp es sich handelt), entweder dem eingetragenen Verein gleichgestellt und insoweit rechts- und damit parteifähig (§ 50 ZPO) oder die Rechts- und

Parteifähigkeit

ergibt sich aus der Verweisung auf das Recht der GbR, die ihrerseits nach § 705 II BGB n.F. rechts- und damit parteifähig ist. Daher wurde im Rahmen des MoPeG § 50 II ZPO a.F., der die

Parteifähigkeit

des nicht rechtsfähigen Vereins klarstellte, gestrichen. Eine Klarstellung ist nun schlicht nicht mehr notwendig, denn die Rechts- und

Parteifähigkeit

ergibt sich jetzt bereits ausdrücklich aus den genannten Normen. In der Folge wurde auch § 7

35 ZPO

a.F. aufgehoben, nach dem zur Zwangsvollstreckung in das Vermögen eines nicht rechtsfähigen Vereins ein gegen den Verein ergangenes Urteil "genügte". Durch die Neuregelungen in § 54 BGB n.F. ist zur Zwangsvollstreckung in das Vermögen eines solchen Vereins ein Titel gegen den Verein nicht nur "genügend", sondern vielmehr erforderlich, entweder nach § 54 I S. 1 BGB n.F. iVm § 750 I ZPO oder nach § 54 I S. 2 BGB n.F. iVm § 722 Abs. I BGB n.F. All dies ändert also nichts daran, dass Vereinsmitglieder Dritte iSd §

809 ZPO

sind: Sie sind, wie die neuen Regelungen zeigen, nach wie vor weder Gläubiger noch Schuldner des Vollstreckungsverfahrens. Im Fall ist D auch weder Organ noch

Besitzdiener

für ein Organ. Also ist unverändert die Vollstreckungserinnerung hier zulässig und begründet. Viele Grüße - für das Jurafuchsteam - Tobias

Tobias Krapp

Tobias Krapp

2.8.2024, 16:24:51

@[Wendelin Neubert](409)

EN

Entenpulli

3.10.2024, 13:29:19

@[

Tobias Krapp

](259492) Danke für die ausführliche Erklärung. Ich verstehe allerdings nicht, wieso D im vorliegenden Fall nicht

Besitzdiener

sein soll.

Nocebo

Nocebo

24.7.2024, 13:48:38

Es stimmt, dass - wie in der Lösung vermerkt - der bloße Besitz selbst kein

InterventionsRECHT

darstellt. Das

Recht zum Besitz

gibt jedoch nach hM, jedenfalls aber nach gewichtiger aA

tat

sächlich ein

Interventionsrecht

. Der Hinweis hierauf fehlt in dieser Aufgabe und sollte ergänzt werden. Man darf wohl davon ausgehen, dass hier eine Leihe von dem Verein vorliegt, wodurch ein

Recht zum Besitz

bestehen würde. Dann hätte die

Drittwiderspruchsklage

Erfolg. Die Erinnerung daneben natürlich auch. "Der Besitz an einer beweglichen Sache als solcher gewährt nach heute wohl hM noch kein „die Veräußerung hinderndes Recht“ iSv § 771 Abs. 1, wohl aber das

Recht zum Besitz

(OLG Rostock NJOZ 2005, 253; MüKoZPO/K. Schmidt/Brinkmann Rn. 39; Musielak/Voit/Lackmann Rn. 24; Wieczorek/Schütze/Spohnheimer Rn. 25; Zöller/Herget Rn. 14.5: „Besitz“, jeweils mwN; aA Stamm ZZP 124 (2011), 317 (332 ff.))." (BeckOK ZPO/Preuß, 53. Ed. 1.7.2024, ZPO § 771 Rn. 29)


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