Gesamthandsgemeinschaften: Nicht-rechtsfähiger Verein


mittel

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D ist Mitglied im Briefmarkenverein S. S ist nicht ins Vereinsregister eingetragen. D ist kein Mitglied des Vorstands von S. G verklagt S erfolgreich auf Zahlung von €5.000. G lässt bei D - ohne dessen Einwilligung - eine wertvolle Briefmarke, die dem Verein gehört, pfänden.

Einordnung des Falls

Gesamthandsgemeinschaften: Nicht-rechtsfähiger Verein

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. D kann mit der Drittwiderspruchsklage (§ 771 ZPO) gegen die Pfändung der Briefmarke vorgehen.

Nein, das ist nicht der Fall!

Die Zulässigkeitsvoraussetzungen der Drittwiderspruchsklage (§ 771 ZPO) lauten: (1) Statthaftigkeit, (2) Zuständigkeit des Gerichts, (3) Rechtsschutzbedürfnis. Die Drittwiderspruchsklage (§ 771 ZPO) ist statthaft, wenn der Kläger als Dritter ein die Veräußerung hinderndes Recht (Interventionsrecht) geltend macht (§ 771 Abs. 1 ZPO). Die gepfändete Briefmarke ist Vereinsvermögen. Eine hypothetische Veräußerung der Briefmarke durch S würde nicht rechtswidrig in die Mitgliedsrechte des D eingreifen. Auch der Besitz ist kein Interventionsrecht (§ 771 Abs. 1 ZPO). Die Drittwiderspruchsklage (§ 771 ZPO) ist unzulässig.

2. Statthafter Rechtsbehelf für D ist die Vollstreckungserinnerung (§ 766 ZPO).

Ja, in der Tat!

Die Vollstreckungserinnerung ist statthaft (§ 766 Abs. 1 S. 1 ZPO), wenn der Erinnerungsführer gegen Vollstreckungsmaßnahmen mit der Rüge der Verletzung formellen Rechts vorgeht. D kann geltend machen, das Vollstreckungsorgan (der Gerichtsvollzieher) habe gegen die Vorschrift des § 809 ZPO verstoßen. Diese Vorschrift stellt eine formelle Regelung für das Vollstreckungsverfahren dar. D wendet sich also gegen einen formellen Fehler des Gerichtsvollziehers. Die Erinnerung (§ 766 ZPO) ist statthaft.

3. Die Vollstreckungserinnerung (§ 766 ZPO) des D ist begründet und hat Erfolg.

Ja!

Die Vollstreckungserinnerung (§ 766 Abs. 1 ZPO) ist begründet, wenn die angegriffene Vollstreckungsmaßnahme nicht zulässig war. Ein Dritter, der Gewahrsam an dem gepfändeten Gegenstand hat, muss der Pfändung zustimmen (§ 809 ZPO). Gegen diese Vorschrift hat der Gerichtsvollzieher verstoßen. Zwar genügt für die Zwangsvollstreckung in das Vereinsvermögen ein Titel gegen den Verein (§ 735 ZPO). Aus einem solchen Titel darf aber nur in Vereinsvermögen vollstreckt werden, das sich im Gewahrsam der Organe des S befindet. D ist kein Organ des S. G müsste sich daher auch einen Titel (zumindest einen Duldungstitel) gegen D besorgen.

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Isabell

Isabell

8.1.2021, 21:14:18

Haften die Mitglieder von Vereinen für den Verein nicht erst ab Entlastung des Vorstandes?

Christian Leupold-Wendling

Christian Leupold-Wendling

8.1.2021, 23:14:12

Hi Isabell, das Eigentum an der Briefmarke gehört zum Vereinsvermögen.

TH

Thjolly

19.9.2023, 09:08:34

Sieht die hM den Besitz nicht auch als Interventionsrecht an (so zumindest BGHZ 2, 164 und bei Kaiser ZVR Rn.40)? Gewichtiges Argument mit Verweis auf die dem Besitz nach 858 ff. BGB zukommende Ausschlussfunktion und bei Recht zum Besitz zukommende Nutzungsfunktion, sodass er eigentumsähnlich (Vgl. Funktionen des 903 BGB) ist. Ihm kommt also mehr als nur die von der Gegenansicht behaupte tatsächliche Position zu.

JURA

juravulpes

12.4.2024, 13:44:19

Besitz wird von der im Vordringen befindlichen/mittlerweile herrschenden Ansicht nicht als Interventionsrecht eingeordnet. Dafür sprechen mE auch alle Argumente: Besitz ist eine tatsächliche Position und schon terminologisch kein Recht. Die dem Besitz zukommende Ausschlussfunktion wird durch §

809 ZPO

geschützt, dessen Verletzung im Wege der Vollstreckungserinnerung geltend gemacht werden kann. Sofern der Besitz berechtigt ist, kommt es für die Annahme eines Interventionsrechts auf die Einordnung des den Besitz tragenden obligatorischen oder dinglichen Rechts an.

TAT

Tat

17.1.2024, 22:29:47

§ 735 ZPO ist seit dem 1.1.2024 weggefallen

LELEE

Leo Lee

20.1.2024, 14:20:44

Hallo Tat, vielen Dank für diesen sehr wichtigen Hinweis! In der Tat ist das Redaktionsteam gerade dabei, die „überholten“ Aufgaben an das MoPeG anzupassen. Da diese sehr viele sind und auch über viele Gebiete hin verstreut sind, bitten wir an dieser Stelle um Verständnis und Nachsicht :). Wir werden alles tun, damit die Änderungen so schnell wie möglich kommen! Wir würden uns weiterhin freuen, wenn du uns weiterhin unter bearbeitungsbedürftigen Aufgaben mitteilen würdest, dass eine Änderung des MoPeGs nötig ist. Wir möchten die Gelegenheit nehmen, um dir dafür zu danken, dass du uns dabei hilfst, die App zu perfektionieren :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

JURAFU

jurafuchsles

7.7.2024, 10:44:15

wie ist es denn jetzt nach dem neuen Recht ?


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