Bloße Zerstörung/bloßes Wegwerfen

22. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

T und O sind Mitglieder zweier verfeindeter Rockerbanden. Um dem O eins auszuwischen, nimmt T ihm die (für O heilige) Jacke ("Kutte") ab. Ziel des Unterfangens war von Anfang an, die "Kutte" verschwinden zu lassen.

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Einordnung des Falls

Bloße Zerstörung/bloßes Wegwerfen

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Das subjektive Tatbestandsmerkmal der Zueignungsabsicht umfasst eine Ent- und eine Aneignungskomponente.

Ja!

Die Zueignungsabsicht besteht aus dem (zumindest Eventual-)Vorsatz der dauerhaften Enteignung sowie der Absicht zumindest vorübergehender Aneignung.
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2. T handelte mit dem Vorsatz, O dauerhaft zu enteignen.

Genau, so ist das!

Zueignungsabsicht enthält als eine Komponente den Vorsatz der dauerhaften Enteignung, also die Verdrängung aus der Eigentümerstellung. Diese müsste T also zumindest billigend in Kauf genommen haben. Vorliegend kam es dem T sogar im Sinne von dolus directus 1. Grades (Absicht) darauf an, den O faktisch aus seiner Eigentümerstellung zu verdrängen

3. T handelte außerdem in der Absicht sich die "Kutte" zumindest vorübergehend anzueignen. Er hat sich somit nach § 242 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.

Nein, das trifft nicht zu!

Aneignungsabsicht setzt voraus, dass es dem Täter gerade darauf ankommt sich als Eigentümer zu gerieren bzw. sich die Sache in sein Vermögen einzuverleiben. Zu einem solchen "Einverleiben" soll es aber gerade nicht kommen, wenn die Wegnahme lediglich notwendiger Zwischenschritt zum Zwecke der Zerstörung oder des Wegwerfens ist.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Vulpes

Vulpes

7.1.2021, 14:39:17

Verleibt er sich die Jacke nicht notwendigerweise für kurze Zeit ein, um sie dann wegschmeißen zu können? Ähnlich wird die Aneignungskomponente ja konstruiert, wenn der Täter eine Sache wegnimmt um sie später einem Freund zu schenken. Bliebe ansonsten diese Handlung nicht straflos? Unterschlagung wäre doch mangels objektiver Zueignung ebenfalls ausgeschlossen und das wäre doch dann eine eklatante Strafbarkeitslücke.

Speetzchen

Speetzchen

7.1.2021, 19:28:06

wenn der Täter die Sache nur wegnimmt, um sie ohne vorherigen Eigengebrauch sogleich zu zerstören oder sie wegzuwerfen, eignet sich der Täter die Sache nicht an. In deinem Fall, wo der Täter die Sache seinem Freund schenken will, will sich der Täter zumindest kurz als Eigentümer gerieren, da er sich als Eigentümer des Geschenks ausgibt. Aneignungskomponente daher (+)

Vulpes

Vulpes

7.1.2021, 20:21:26

Erstmal danke für die Antwort. Das bedeutet, deiner Mn wäre der Täter tatsächlich straflos?

Speetzchen

Speetzchen

8.1.2021, 08:41:32

In dem Fall wäre er nur wegen Sachbeschädigung nach § 303 zu bestrafen.

  HYPERION

HYPERION

25.7.2022, 14:17:40

Das heißt, wenn er die Jacke verschenkt verbleibt es mangels Erfüllung des objektiven Tatbestands des Par. 303 StGB bei einer Straflosigkeit? Der Eigentümer könnte lediglich einen Anspruch aus 816 Abs. 1 BGB gegen ihn gelten machen?

Sambadi

Sambadi

2.2.2023, 11:48:09

Ne wenn er die Jacke verschenkt, dann tritt er ja als berechtigter (Eigentümer), nämlich Schenker auf, womit er eine vorübergehende

Aneignungsabsicht

hat!

Sambadi

Sambadi

2.2.2023, 11:50:41

Allerdings könnte man doch auch argumentieren, dass auch bei einer Zerstörung der Jacke eine vorübergehende Aneignung stattfindet, bzw ein kurzes Auftreten als Berechtigter. Denn würde ihm die Sache tatsächlich gehören, wäre 303 StGB ja auch nicht erfüllt, weil es dann keine fremde Sache wäre.

AG

agi

11.10.2024, 16:31:30

@[Sambadi](136933) „Aneignung ist die beabsichtigte Einverleibung der Sache in das Vermögen des Täters (Selbst-Aneignung) oder eines Dritten (Dritt-Aneignung).“ Wenn man nur auf das Zerstören aus ist, besteht meiner Meinung nach zu keinem Zeitpunkt die Einverleibung in das eigene Vermögen, oder in das eines Dritten.

MIC

Michael

18.10.2021, 08:30:31

Indem T die Kutte verschwinden lassen will, handelt er doch so, als wenn ihn die Sache gehören würde, also wie ein Eigentümer. Eigentumsanmaßung? Wieso haben wir dann hier keine

Zueignungsabsicht

?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

18.10.2021, 09:42:34

Hallo Michael, du hast natürlich Recht, dass ein Eigentümer mit seiner Sache verfahren darf, wie er mag und sie insofern auch zerstören darf (vgl.

§ 903 BGB

). Dennoch subsumiert die herrschende Meinung das bloße Zerstören und Wegwerfen nicht als "Aneignung" im Sinne des § 242 BGB. Verständlich wird es vielleicht, wenn man sich die weitere Prüfung besieht. Denn T wäre in diesem Fall ja keineswegs strafbar, sondern wegen Sachbeschädigung (§ 303 Abs. 1 BGB) zu bestrafen. Schaut man sich jetzt die Zielrichtung seines Handelns an, dann wird klar, dass die Wegnahme lediglich ein Durchgangsstadium ist, um gerade diesen Tatbestand zu erfüllen. Eine Strafbarkeit wegen Diebstahl passt insofern nicht zu dem intendierten Vorhaben. Um also den Sinn und Zweck der Norm zu treffen, muss man den Begriff der Aneignung insoweit etwas enger fassen. Ist es nun etwas verständlicher? Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

MIC

Michael

18.10.2021, 10:16:58

Macht es verständlich. Vielen Dank! Aber wie sieht es aus, wenn hier jemand in eine Wohnung einbricht, einen Gegenstand entwendet und diesen dann weit entfernt versteckt, damit ihn der Eigentümer nicht findet? Dann läge hier ja nur Hausfriedensbruch und ggf. Sachbeschädigung bzgl. des Einbruchs vor? Oder kann man bei einem Transport, welcher nicht mit unerheblichem Aufwand verbunden ist, von einer zumindest vorübergehenden Aneignung ausgehen?

LI

lililaw

2.2.2022, 18:28:10

Das würde mich auch interessieren

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

3.2.2022, 14:42:58

Auch in dem von euch benannten Beispiel würde es regelmäßig wohl an der

Aneignungsabsicht

fehlen. Schaut euch hierzu gerne auch den folgenden Fall an: https://applink.jurafuchs.de/qppBkblBlnb Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team


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