Zivilrecht
Examensrelevante Rechtsprechung ZR
Entscheidungen von 2021
GoA zur Gefahrenabwehr bei betrunkenem Transport des verletzten Geschäftsherrn zum Krankenhaus?
GoA zur Gefahrenabwehr bei betrunkenem Transport des verletzten Geschäftsherrn zum Krankenhaus?
25. Januar 2025
18 Kommentare
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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
A wird von X schwer verletzt. Der Krankenwagen kommt nicht. Der alkoholisierte B (BAK 1,5 ‰) beschließt, den bewusstlosen A mit Ys Pkw ins Krankenhaus zu fahren. B baut einen Unfall. Es ist unklar, inwieweit As bestehende Verletzungen durch den Unfall verstärkt wurden. A verlangt von B Schadensersatz.
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Einordnung des Falls
GoA zur Gefahrenabwehr bei betrunkenem Transport des verletzten Geschäftsherrn zum Krankenhaus?
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 9 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Vorliegend haftet B für Vorsatz und Fahrlässigkeit, da keine Haftungserleichterung in Betracht kommt.
Nein, das trifft nicht zu!
Jurastudium und Referendariat.
2. Die Haftungserleichterung des § 680 BGB setzt voraus, dass die Geschäftsführung die Abwendung einer dem Geschäftsherrn drohenden dringenden Gefahr bezweckt. Dies ist hier der Fall.
Ja!
3. Es war grob fahrlässig, dass B trotz seiner Alkoholisierung (BAK 1,5 ‰) die Fahrt zum Krankenhaus übernommen hat. Deshalb haftet B ungeachtet des Haftungsprivilegs des § 680 BGB für die Übernahme.
Nein, das ist nicht der Fall!
4. Die konkurrierenden Ansprüche aus § 18 StVG und § 823 Abs. 1 BGB sowie § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 229 StGB scheitern ebenfalls auch an dem mangelnden Verschulden des B.
Ja!
5. Als Anspruchsgrundlage des Schadensersatzanspruch von A gegen B kommt § 678 BGB in Betracht.
Ja, in der Tat!
6. Die Voraussetzungen der echten GoA liegen vor.
Ja!
7. B handelte entsprechend As Willen.
Nein, das ist nicht der Fall!
8. B haftet nach § 678 BGB nur, wenn er die Herbeiführung des Unfall zu vertreten hatte.
Nein, das trifft nicht zu!
9. Es war grob fahrlässig, dass B stark alkoholisiert (BAK 1,5 ‰) gefahren ist. Deshalb haftet B ungeachtet des Haftungsprivilegs des § 680 BGB für sein Ausführungsverschulden.
Nein!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Cecilie
13.11.2021, 13:42:21
Haftet Y theoretisch als Halter gem. § 7 StVG (wenn es sich nicht um eine schwarzfahrt handelt)?
Lukas_Mengestu
15.11.2021, 19:03:32
Hallo Cecilie, in der Tat haften die Halter auch für die Verletzung der Insassen verschuldensunabhängig, sofern die Insassen nicht bei dem Betrieb des
Fahrzeuges tätig waren, was teilweise beim Beifahrer zu Abgrenzungsschwierigkeiten führen kann (vgl. § 8 Nr. 2 StVG). Als bloßer Insasse, der mit dem Betrieb des
Fahrzeugs nichts zu tun hatte, fällt X aber nicht unter diesen Ausnahme
tatbestand. Sofern die Haftung also nicht als Schwarzfahrt ausgeschlossen ist (§ 7 Abs. 3 S. 1 StVG), besteht die Halterhaftung des Y. Dafür ist dann glücklicherweise die Haftpflichtversicherung da :-). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Der Paragraf
18.12.2021, 09:48:54
Liebes Team, es kommt zwar wegen § 680 BGB im Ergebnis und im Urteil nicht darauf an, hier wäre aber m.E. gegenüber einem
Ausführungsverschuldennach §§ 677,
280 I BGBvorrangig ein sog.
Übernahmeverschuldennach §
678 BGBzu prüfen, vgl. BGH NJW 1972, 475 unter II.1.b. Auf die Prüfung des §
678 BGBwirkt sich § 680 BGB dann so aus, dass nur noch grob fahrlässige oder vorsätzliche Unkenntnis des entgegenstehenden wirklichen oder mutmaßlichen Willens (§
678 BGB) des A eine Übernahmehaftung des B begründen, vgl. BGH NJW 1972, 475 unter II.2. LG
Lukas_Mengestu
20.12.2021, 14:50:21
Hallo "Der Paragraf", vielen Dank für den super Hinweis. Für die Frage, ob man hier §§ 280 Abs. 1, 677 BGB (Haftung bei echter, berechtigter GoA) oder §
678 BGB(Haftung bei echter, unberechtigter GoA) prüft, kommt es maßgeblich darauf an, ob man annimmt, dass As mutmaßlicher Wille auch die alkoholisierte Fahrt umfasst (dann berechtigte GoA) oder nicht (dann
unberechtigte GoA). In der Tat stellt sich der BGH (u.a. in dem von dir zitierten Urteil) auf den Standpunkt, dass hier nur eine
unberechtigte GoAin Betracht kommt, da es nicht dem mutmaßlichen Willen entspräche, bei einem absolut fahruntüchtigen Fahrer ins Auto zu steigen und dabei evtl. Unfälle in Kauf zu nehmen. Wir haben die Lösung insoweit nun entsprechend angepasst. Im Ergebnis ändert sich dadurch - wie Du auch schon zutreffend eingewandt hast - natürlich nichts. Denn sowohl die Übernahme- als auch die Ausführung des Geschäfts wurden hier jedenfalls nicht als grob fahrlässig eingeordnet. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Wendelin Neubert
21.12.2021, 10:17:47
@[Carlita](137035) Liebe Carla, für dich fyi. Beste Grüße - Wendelin
Speetzchen
5.1.2022, 12:09:09
Hallo, wenn man in der Urteilsklausur mit § 18 StVG beginnen würde, kann man dann i.R. des Verschuldens (ohne vorherige Prüfung der VSS der GoA) auf den Maßstab von §680 zurückgreifen ? Es ist doch dann auch im zweiten Examen - anders als in eurem 1. Hinweis - sinnvoll mit der GoA zu beginnen oder ?
Lukas_Mengestu
6.1.2022, 09:50:48
Hallo Speetzchen, grundsätzlich ist es üblich in Straßenverkehrsklausuren mit den besonderen Haftungstatbeständen der Halterhaftung (§ 7 Abs. 1 StVG) bzw. Fahrerhaftung (§§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG) zu beginnen. Denn für den
Anspruchsstellersind diese im Hinblick auf die Beweislast günstiger (bei der Halterhaftung bedarf es keines Verschuldens des Halters, bei der Fahrerhaftung wird das Verschulden vermutet). In der Tat müsstest Du dann aber inzident die Voraussetzungen der GoA prüfen (so macht es übrigens der BGH in seinem Urteil). In der Klausur ist es aber in der Tat übersichtlicher, wenn Du - wie hier - mit der GoA startest und damit die Inzidentprüfung vermeidest. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Ala
9.8.2024, 18:26:24
Kann man hier auch vertreten, dass der Geschäftsführer erkennen musste, dass die Übernahme der Geschäftsführung mit dem wirklichen oder dem mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn in
Widerspruchsteht? Bzw. muss man es nicht zumindest anprüfen?
CR7
16.8.2024, 14:14:16
Hier kann man dann gleich die dazugehörige Aufgabe im Strafrecht wiederholen: https://applink.jurafuchs.de/lqr4fxkK6Lb