Strafrecht
BT 1: Totschlag, Mord, Körperverletzung u.a.
Schwere Körperverletzung, § 226 StGB
Ein wichtiges Glied des Körpers verliert: Prothese steht dem Verlust nicht entgegen
Ein wichtiges Glied des Körpers verliert: Prothese steht dem Verlust nicht entgegen
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
T geht mitten in der Limburger Altstadt mit einer Axt und einem Beil auf die O los. Dabei trennt er ihr rechtes Bein ab. O erhält später eine Beinprothese. Damit sieht man ihr beim Gehen das Handicap gar nicht mehr an. Sie kann damit auch mit einem Fahrrad oder mit Inlineskates fahren.
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Einordnung des Falls
Ein wichtiges Glied des Körpers verliert: Prothese steht dem Verlust nicht entgegen
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Os Bein ist ein "Glied des Körpers" (§ 226 Abs. 1 Nr. 2 StGB).
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. Os Bein ist ein "wichtiges" Glied des Körpers (§ 226 Abs. 1 Nr. 2 StGB).
Genau, so ist das!
3. O hat das Bein trotz der Beinprothese "verloren" (§ 226 Abs. 1 Nr. 2 Var. 1 StGB).
Ja, in der Tat!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Jurafuchsu
23.2.2021, 16:40:28
Warum steht der Ersatz bei einem Auge entgegen aber hier nicht? Wie im vorherigen Fall
gelöscht
16.3.2021, 16:03:14
Hallo Jurafuchsu, Transplante und Implantate werden durch das Einsetzen zu dauerhaften Teilen des menschlichen Körpers (MüKoStGB/Hardtung, 3.A. 2017, StGB § 226 RdNr. 17f.). Im Fall mit dem Auge konnte die Beeinträchtigung durch ein dauerhaft mit dem Körper verbundenen Hilfsmittel beseitigt werden. Es ist anerkannt, dass bei nur vorübergehend mit dem Körper verbundenen Hilfsmitteln, die eine Entstellung nicht äusserlich kaschieren können die schwere Folge nicht beseitigt wird. Wenn O kurze Hosen anziehen würde, wäre ihre Prothese für alle sichtbar (Entstellung).
gelöscht
16.3.2021, 16:11:02
Es ist umstritten, ob nur vorübergehend mit dem Körper verbundene Hilfsmittel ebenfalls eine Beseitigung darstellen können. Nach Rspr und hL kann dies der Fall sein, wenn dadurch die Entstellung verhindert werden konnte. Die Entstellung ist nach dieser Ansicht das massgebliche Kriterium. Allein das äussere Erscheinungsbild sei von Belang. Eine andere Ansicht lässt solche Hilfsmittel nicht ausreichen. Es könne nicht genügen, dass die Verletzung äusserlich kaschiert wurde, aber gleichwohl vorhanden ist. Ausserdem sei der Körper schliesslich immernoch dauerhaft verletzt und dies eben nicht durch ein körperliches Hilfsmittel behoben worden. Viele Grüße Adrian, für das Jurafuchs-Team 🙂
Jonny27
8.4.2021, 12:04:48
Ich hoffe ich interpretiere die Frage von dir @Jurafuchsu nicht falsch, aber so wie ich das sehe musst du hier besonders zwischen § 226 I Nr. 1 und Nr. 2 trennen. Bei Nr. 1 geht es um den Verlust des Sehvermögens, der gerade durch eine künstliche Linse eben nicht dauerhaft ist und somit nicht verloren. Bei Nr. 2 geht es um den Verlust eines Körperglieds als solches, also nicht um die Funktion des Glieds wie bei Nr. 1. Demnach ersetzt die Prothese funktional zwar das Glied, aber es ist eben trotzdem das Glied, hier das Bein, dauerhaft verloren. Wie @Vulpes ausführlich veranschaulicht hat, kann man für diese Differenzierung auch gute Argumenten bringen. LG Jonny