+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Gastwirtin U beantragt bei der zuständigen Behörde B eine Gaststättenerlaubnis. Die Räumlichkeiten haben nur zwei Toiletten, obwohl durch ein einschlägiges Gesetz mindestens drei vorausgesetzt werden. B erlässt die Erlaubnis. U fragt sich, ob die Erlaubnis rechtmäßig ist.
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Einordnung des Falls
Einführung: Unterscheidung Rechtswidrigkeit und Nichtigkeit
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Die Erlaubnis könnte rechtmäßig sein. Geprüft wird die formelle und materielle Rechtmäßigkeit.
Genau, so ist das!
Ein Verwaltungsakt ist rechtswidrig, wenn die Behörde bei seinem Erlass gegen Rechtsnormen mit Außenwirkung verstößt. Der Verwaltungsakt ist formell rechtswidrig, wenn die Behörde einen Rechtsverstoß beim Vorgang des Erlasses des Verwaltungsakts begeht. Materielle Rechtswidrigkeit liegt dagegen vor, wenn die durch den Verwaltungsakt getroffene Regelung gegen geltendes materielles Recht verstößt. Formelle Rechtswidrigkeit bezieht sich also auf die Art und Weise, wie ein Verwaltungsakt zu Stande kommt. Materielle Rechtswidrigkeit hingegen betrifft den Inhalt des Verwaltungsakts. Die erlassene Gaststättenerlaubnis ist ein Verwaltungsakt. Dieser müsste formell und materiell rechtmäßig sein. Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
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2. Der Verwaltungsakt ist bereits formell rechtswidrig.
Nein, das trifft nicht zu!
Ein Verwaltungsakt ist formell rechtmäßig, wenn (1) die zuständige Behörde unter Einhaltung von (2) Form- und (3) Verfahrensvorschriften gehandelt hat. Die materielle Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsakts setzt voraus, dass dieser inhaltlich mit dem geltenden Recht im Einklang steht. Die zuständige Behörde B hat die Gaststättenerlaubnis erlassen. Verfahrens- und Formfehler sind aus dem Sachverhalt nicht ersichtlich. Der Verwaltungsakt ist formell rechtmäßig. Bei der formellen Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsakts ist immer an die Anhörung (§ 28 (L)VwVfG) zu denken. Weiterhin muss beachtet werden, dass ein Verwaltungsakt zwar grundsätzlich formfrei erlassen werden kann (§ 37 Abs. 2 (L)VwVfG); sofern er aber schriftlich oder elektronisch ergeht, sind bestimmte Formvorschriften einzuhalten. Besonders relevant ist die Begründung des Verwaltungsakts (§ 39 (L)VwVfG). Gibt es im Fall - so wie hier - keine Anhaltspunkte für einen formellen Fehler der Behörde, kannst du die wichtigsten Vorschriften kurz nennen und feststellen, dass diese ausgehend vom Sachverhalt eingehalten sind. Formulierungsvorschlag: „Formelle Fehler sind nicht ersichtlich.“ 3. Die Genehmigung verstößt inhaltlich gegen geltendes Recht und ist damit materiell rechtswidrig.
Ja!
Ein Verwaltungsakt ist materiell rechtswidrig, wenn die durch den Verwaltungsakt getroffene Regelung gegen geltendes materielles Recht verstößt. Dabei kann es sich um ungeschriebene oder geschriebene Rechtsnormen handeln. Entscheidend ist allein, dass diese Außenwirkung haben, es sich also nicht bloß um Verwaltungsvorschriften handelt. Denn was die Behörde „intern“ macht, ist mit Blick auf den Schutzzweck des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 GG) weniger relevant. Es geht vor allem darum, dass Bürgerinnen und Bürger vor einem rechtswidrigen Verhalten der Verwaltung geschützt werden sollen. Die Gaststättenerlaubnis regelt, dass U in den Räumlichkeiten mit nur zwei Toiletten eine Gaststätte betreiben darf. Ein Gesetz bestimmt allerdings, dass es mindestens drei Toiletten geben muss. Der Verwaltungsakt verstößt damit inhaltlich gegen geltendes Recht. Damit ist die Genehmigung materiell rechtswidrig. 4. Ein rechtswidriger Verwaltungsakt ist immer unwirksam.
Nein, das ist nicht der Fall!
Auch rechtswidrige Verwaltungsakte können wirksam sein. Die Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsakts ist streng von der Nichtigkeit des Verwaltungsakts zu unterscheiden! Aus § 43 Abs. 2, Abs. 3 VwVfG ergibt sich, dass (nur) nichtige Verwaltungsakte unwirksam sind. Das bedeutet, dass durch nichtige Verwaltungsakte keinerlei Regelungen getroffen werden. Die Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsakts führt nur unter den Voraussetzungen der §§ 44ff. VwVfG zur Nichtigkeit des Verwaltungsakts. Liegt ein rechtswidriger Verwaltungsakt vor, muss im Anschluss also immer gesondert geprüft werden, ob sich aus dieser Rechtswidrigkeit auch die Nichtigkeit ergibt (Fehlerfolge). Die Gaststättenerlaubnis ist nicht allein deswegen unwirksam, weil sie materiell rechtswidrig ist. Die Unterscheidung von Rechtswidrigkeit und Nichtigkeit wird an verschiedenen Stellen im Verwaltungsrecht und Verwaltungsprozessrecht sichtbar und relevant, so z.B. auch im Rechtsschutzsystem der VwGO. Wir erklären Dir hier, worauf es ankommt.