§ 126 S. 1 HGB bei subjektiver Unmöglichkeit

21. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Die Schwestern S1 und S2 betreiben die Schmuck-OHG, in der sie antike Schmuckstücke an- und verkaufen. Beide sind auch privat Sammler solcher Objekte; S1 ist etwa Eigentümerin einer Unikatkette. Als die vermögende V den Laden betritt und sich nach einer solchen Kette erkundigt, verkauft S2 sie ihr im Namen der OHG. S1 weigert sich, die Kette herzugeben.

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Einordnung des Falls

§ 126 S. 1 HGB bei subjektiver Unmöglichkeit

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die OHG und V haben einen Kaufvertrag über die Kette geschlossen.

Ja, in der Tat!

V hat sich mit der OHG – vertreten durch S2 (§ 164 Abs. 1 BGB) – über den Kauf der Kette geeinigt (§ 433 BGB). Ob die OHG selbst Eigentümerin ist oder die Kette verschaffen kann, spielt für den Abschluss des Kaufvertrags keine Rolle.
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2. Grundsätzlich haftet S1 für Verbindlichkeiten der OHG persönlich.

Ja!

Die Gesellschafter haften für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft den Gläubigern als Gesamtschuldner unmittelbar, persönlich, primär und unbeschränkt (§ 126 S. 1 HGB). Dabei ist die Verpflichtung des Gesellschafters grundsätzlich inhaltlich identisch mit der Verpflichtung der Gesellschaft (Erfüllungstheorie), sofern es sich um eine vertretbare Handlung handelt.MoPeG-Änderung (ab 1.1.2024): § 128 HGB a.F. = § 126 HGB n.F.;

3. V kann von der OHG die Übereignung der Kette verlangen.

Nein, das ist nicht der Fall!

Der Anspruch auf Übereignung (§ 433 Abs. 1 S. 1 BGB) setzt voraus, dass die Erfüllung des Anspruchs möglich ist. Unmöglichkeit liegt vor, wenn die geschuldete Leistung nicht oder vom Schuldner nicht erbracht werden kann (§ 275 Abs. 1 BGB). Es handelt sich bei der Kette um ein Unikat, also um eine Stückschuld. S1 weigert sich, die Kette der OHG oder V zu übereignen und ist gegenüber der OHG auch nicht dazu verpflichtet. Deshalb ist es wiederum der OHG subjektiv unmöglich, die Kette an V zu übereignen. Diese Unmöglichkeit bestand wohl schon anfänglich. V hat gegen die OHG daher keinen Anspruch auf Übereignung der Kette (§ 433 BGB), sondern nur ggf. einen Schadensersatzanspruch nach § 311a Abs. 2 S. 1 BGB.

4. V kann wegen § 126 S. 1 HGB von S1 die Übereignung der Kette verlangen.

Nein, das trifft nicht zu!

Der Gesellschafter kann sich im Falle seiner persönlichen Inanspruchnahme (§ 126 S. 1 HGB) auf die Einwendungen der Gesellschaft berufen (§ 128 Abs. 1 HGB). Die OHG haftet der V infolge ihres anfänglichen Unvermögens zur Leistungserbringung nur auf Schadensersatz statt der Leistung gem. § 311a Abs. 2 S. 1 BGB und nicht auf Erfüllung (§ 433 BGB). Darauf kann sich nach hM auch die in Anspruch genommene Gesellschafterin S1 berufen (§ 128 Abs. 1 HGB). Wäre S1 hingegen aus irgendwelchen Gründen im Innenverhältnis zur Übereignung der Kette an die Gesellschaft verpflichtet, so stünde die Einwendung des anfänglichen Unvermögens weder der OHG noch S1 zu; der S1 müsste dann für die Schuld einstehen.MoPeG-Änderung (ab 1.1.2024): § 128 HGB a.F. = § 126 HGB n.F.; 129 HGB a.F. = § 128 HGB a.F.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Dogu

Dogu

28.6.2024, 15:14:40

Ungewöhnliche Konstellation mit hohem Lerneffekt. : )

LELEE

Leo Lee

28.6.2024, 19:40:15

Hallo Dogu, vielen Dank für dein Feedback! In der Tat ist diese Konstellation eine, die nicht jeden Tag rankommt. Umso eindrucksvoller sind diese Fälle natürlich, sodass sie länger im Gedächtnis bleiben ;). Wir wünschen dir noch viel Spaß bei den anderen ebenfalls sehr tollen Fällen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo


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