Abgrenzung Verpflichtungsklage und Leistungsklage bei Zugang zu einer öffentlichen Einrichtung: Privatrechtlich-rechtlich organisiert
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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Die Gemeinde G betreibt ein Schwimmbad durch eine GmbH, deren alleinige Gesellschafterin sie ist, als öffentliche Einrichtung. Kassierer K verweigert Luise Liesviel (L) den Zugang, weil er Streit mit ihrem Bruder hat. L will ins Schwimmbad gehen und klagt.
Einordnung des Falls
Abgrenzung Verpflichtungsklage und Leistungsklage bei Zugang zu einer öffentlichen Einrichtung: Privatrechtlich-rechtlich organisiert
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO ist ausgeschlossen, da G das Schwimmbad durch eine GmbH betreibt.
Nein, das ist nicht der Fall!
2. Es geht um die Frage, ob L einen Zugangsanspruch hat. Die streitentscheidenden Normen sind daher öffentlich-rechtlich.
Ja, in der Tat!
3. Die statthafte Klageart richtet sich nach dem Klagebegehren. Statthaft ist die Verpflichtungsklage, wenn L den Erlass eines Verwaltungsakts begehrt.
Ja!
4. Eine öffentliche Einrichtung kann auch privatrechtlich betrieben werden. Begehrt L den Zutritt zu einer öffentlichen Einrichtung?
Ja, in der Tat!
5. Der Bürger erhält Zugang zu einer privatrechtlich betriebenen öffentlichen Einrichtung durch Erlass eines Verwaltungsakts.
Nein!
6. L begehrt, dass die Gemeinde auf die GmbH einwirkt, sodass sie Zugang zur Einrichtung erhält. Statthaft ist die allgemeine Leistungsklage.
Genau, so ist das!
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evanici
29.8.2023, 15:00:32
Verstehe ich es richtig, dass allein der Unterschied, dass die Einrichtung privatrechtlich betrieben wird im Ergebnis zu einer anderen Klageart führt ggü. einem öffentlich-rechtlichen Träger, bei dem durch die Widmung zur allgemeinen Benutzung der Zugang in der Handlungsform des VA gewährt wird, weswegen dort die Verpflichtungsklage statthaft ist?
Nilson2503
3.9.2023, 16:35:30
Genau. Dadurch, dass die Einrichtung privatrechtlich betrieben wird, kann der Zugang logischerweise nicht mittels VA gewährt werden. Die Verpflichtungsklage kann somit nicht statthaft sein. Vielmehr wird dem Begehren dadurch gerecht, dass die Gemeinde auf die GmbH einwirkt, um den Zugang zu ermöglichen. Statthaft ist dann die allg. Leistungsklage.
philosophe
12.6.2024, 13:01:37
Wie würde hier der stattgebende Tenor lauten?
Nikudo
12.6.2024, 15:49:16
Mein Vorschlag ist: Die Beklagte (Gemeinde G) wird verurteilt, auf die Beigeladene (GmbH) einzuwirken, der Klägerin Zugang zum Schwimmbad zu gewähren.
![Wendelin Neubert](/_next/image?url=https%3A%2F%2Fwissen.jurafuchs.de%2Fimage%2F%25252Fassets%25252Fsecure%25252Fusers%25252Favatar__fhcwshdpydzyycxpapvnu.jpeg%3Ftype%3Draw&w=3840&q=75)
Wendelin Neubert
13.6.2024, 09:47:31
Sehr gute Frage @[philosophe ](239289)! Und ja @[Nikudo](224828), das geht in die richtige Richtung. Die meisten (Ober)Verwaltungsgerichte tenorieren wie folgt: „Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin Zugang zur (weiter spezifizierten) öffentlichen Einrichtung durch (entsprechende) Einwirkung auf die Beigeladene zu verschaffen.“ (vgl. z.B. VG München, Beschl. v. 24.05.2018 – M 7 E 18.2240, BeckRS 2018, 9370; VG Frankfurt a.M., NVwZ 2023, 777, 778; ähnlich OVG Lüneburg, Beschl. v. 18.06.2018 - 10 ME 207/18, Rn. 9). Vereinzelt (und m.E. für den ordnungsgemäßen Tenor nicht zwingend) wird die Form der Einwirkung präzisiert, also z.B. dass die Beklagte auf die Beigeladene „durch Gesellschafterbeschluss“ einwirken muss, der Klägerin Zugang zu verschaffen (vgl. z.B. BVerwG, NVwZ 2018, 73; VG Düsseldorf, Beschluss. v. 20.05.2003 – 1 L 542/03, BeckRS 2003, 151766). Achtung: Ist das Rechtsschutzziel spezifischer – z.B. die Klägerin begehrt Zugang zu bestimmten Zeiten, zu bestimmten Räumlichkeiten oder nach Maßgabe bestimmter (Vertrags-)Bedingungen –, ist der Antrag entsprechend zu präzisieren. Wir haben die Aufgabe dahingehend ergänzt. Beste Grüße - Wendelin für das Jurafuchs-Team