Schadensersatz bei Reisemangel

23. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Der zu der von R bei V gebuchten Pauschalreise zugehörige Flug ist ausgebucht. Am Schalter wird R auf einen Alternativflug umgebucht. Um diesen noch zu erwischen, muss R zum Gate rennen. Auf dem Weg rutscht R aus und bricht sich seinen Knöchel. R informiert V.

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Einordnung des Falls

Schadensersatz bei Reisemangel

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. R könnte ein Schadensersatzanspruch aus §§ 651i Abs. 3 Nr. 7, 651n Abs. 1 BGB zustehen.

Ja, in der Tat!

Die Voraussetzungen des Schadensersatzanspruchs sind (1) ein Pauschalreisevertrag, (2) ein Mangel, den (3) der Reiseveranstalter verschuldet hat und (4) ein zurechenbarer Schaden. Der Schadensersatz ist ausgeschlossen, wenn der Veranstalter dem Mangel infolge einer unterbliebenen Mängelanzeige nicht abhelfen konnte (§ 651o Abs. 2 BGB). Es ist umstritten, ob ein Verschulden erforderlich ist. Die h.M. bejaht dies. Allerdings werde das Verschulden vermutet („es sei denn“) und der Veranstalter könne sich nur aus den abschließend in § 651n Abs. 1 Nr. 1-3 genannten Gründen exkulpieren.
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2. Es liegen ein Mangel (§ 651i Abs. 2 BGB), welchen V verschuldet hat, und eine Mängelanzeige (§ 651o BGB) vor.

Ja!

Wann ein Mangel vorliegt, bestimmt § 651i Abs. 2 BGB. Es besteht eine gesetzliche Vermutung, dass der Reiseveranstalter den Mangel verschuldet hat (vgl. § 651n Abs. 1 BGB: „es sei denn“). Den von R bei V gebuchten speziellen Flug konnte R nicht antreten. Dieser Mangel wurde auch nicht durch die Ersatzleistung ausgeglichen. Es gehört zur üblichen Beschaffenheit, dass man sicher zum Flug kommt und nicht zu einem potenziell gefährlichen Rennen gezwungen ist. In der hier vorliegenden Situation liegt also ein Mangel. V hat nichts vorgetragen, um sich von der Verschuldensvermutung zu exkulpieren, sodass es hierbei bleibt. R hat V informiert und ihr damit den Mangel auch angezeigt i.S.d. § 651o BGB.

3. Die mit dem Knöchelbruch verbundenen Schmerzen stellen einen kausalen Schaden dar.

Genau, so ist das!

Ein Schaden ist eine materielle oder immaterielle Einbuße. Der Schaden ist nach der Äquivalenztheorie kausal, wenn der Mangel nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Schaden entfiele (conditio sine quo non). Adäquat ist eine Bedingung dann, wenn nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge und nicht nur nach eigenartigen und unwahrscheinlichen Umständen den fraglichen Erfolg herbeiführen kann. Die Schmerzen stellen eine immaterielle Einbuße. Hätte R nicht rennen müssen, wäre dieser Schaden nicht eingetreten.Daneben sind mit dem Knöchelbruch auch weitere Schäden verbunden, wie z.B. Heilbehandlungskosten, Arbeitsunfähigkeit, u.ä.

4. Der Knöchelbruch ist auch adäquat kausal.

Ja, in der Tat!

Adäquat kausal ist eine Bedingung dann, wenn sie nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge und nicht nur nach eigenartigen und unwahrscheinlichen Umständen den fraglichen Erfolg herbeiführen kann. Daran kann es fehlen, wenn der Geschädigte selbst in völlig ungewöhnlicher oder unsachgemäßer Weise in den schadensträchtigen Geschehensablauf eingreift und eine weitere Ursache setzt, die den Schaden endgültig herbeiführt. Es liegt nicht außerhalb des zu erwartenden Verlaufs der Dinge, dass bei einer Überbuchung ein Ersatzflug gebucht wird, für den dann die Zeit knapp sein kann. Dies wiederum kann für den betroffenen Fluggast zu Hektik und Unachtsamkeit führen. Der Sturz des R war nicht derart ungewöhnlich oder unsachgemäß, dass der Zurechnungszusammenhang dadurch unterbrochen wird.

5. Der Schaden ist auch vom Schutzzweck der Norm umfasst.

Ja!

Eine vertraglichen Haftung besteht nur für die Schadensfolgen, zu deren Abwendung die verletzte Vertragspflicht übernommen wurde. Zweck der Haftung ist nicht eine Entlastung vom allgemeinen Lebensrisiko. Sturzschäden gehören grundsätzlich zum normalen Lebensrisiko. Das Rennen war ein willentliches, selbstgefährdendes Handeln. Allerdings hat sich R nur in diese Lage versetzt, weil er durch die Bereitstellung des Ausweichflugs dazu herausgefordert wurde. Folgen solcher Herausforderungsfälle gehören nicht zum allgemeinen Lebensrisiko und begründen demnach eine Haftung.

6. R hat einen Anspruch auf Schadensersatz (§§ 651i Abs. 3 Nr. 7, 651n Abs. 1 BGB).

Genau, so ist das!

Die Voraussetzungen des Schadensersatzanspruchs sind (1) ein Pauschalreisevertrag, (2) ein Mangel, den (3) der Reiseveranstalter verschuldet hat und (4) ein zurechenbarer Schaden. Der Schadensersatz ist ausgeschlossen, wenn der Veranstalter dem Mangel infolge einer unterbliebenen Mängelanzeige nicht abhelfen konnte (§ 651o Abs. 2 BGB). In der Bereitstellung des kurzfristigen Ausweichflugs liegt ein Mangel. Der Knöchelbruch begründet eine materielle und immateriellen Einbuße, also einen Schaden. Dieser Schaden ist kausal, adäquat und vom Schutzzweck der Norm umfasst. R hat V den Mangel auch angezeigt.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Ruhe im Sturm

Ruhe im Sturm

30.10.2023, 15:56:21

Auf was lässt sich im vorliegenden Fall die Mängelanzeige von R konkret stützen? Wird hiervon bei Sachverhalts naher Auslegung ausgegangen, da sie am Schalter einen Alternativflug erhielt? Oder ist es hier in der Gestalt, dass nach § 651o II selbst bei einer Mängelanzeige durch R der V gar keine Abhilfe schaffen konnte, da der konkrete Flug zu dieser Zeit wegen Überbuchung unmöglich war (und eine Ersatzleistung nach § 651 k III ausschiede) und es somit nicht mehr auf die Mängelanzeige ankam? Die Formulierung "R informiert V" bezieht sich ja wohl nur auf ihre Verletzung?

LELEE

Leo Lee

5.11.2023, 07:59:47

Hallo Ruhe im Sturm, in der Tat ist der Fall in dieser Hinsicht etwas tricky. Gemeint war jedoch das, was du als Zweites gesagt hast: Ersatzleistung behebt Mangel nicht und aufgrund dieses Mangels, was zur fehlenden Zeit führt, hat sich der R verletzt. Die Information an sich bezieht sich natürlich nur auf die Verletzung, allerdings ist gem. §§ 133, 157, 242 BGB dieser Erklärung nach lebensnaher Auslegung auch die Anzeige des Mangels – was zur Verletzung erst führte – zu entnehmen :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo


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