Zivilrecht
BGB Allgemeiner Teil
Abgabe und Zugang von Willenserklärungen
Wirksamwerden – Zugang: Tatsächliche Kenntnisnahme, bevor sie nach den gewöhnlichen Umständen zu erwarten war.
Wirksamwerden – Zugang: Tatsächliche Kenntnisnahme, bevor sie nach den gewöhnlichen Umständen zu erwarten war.
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
M will Geschäftsräume kündigen. Die Kündigung muss am 31.1. zugehen. M fährt am 31.1. um 23 Uhr zu V’s Büro und wirft sie in den Briefkasten. Da V im Büro etwas vergessen hatte, fährt er dort um 23.30 Uhr noch einmal hin. Er guckt auch in den Briefkasten und entdeckt die Kündigung.
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Einordnung des Falls
Wirksamwerden – Zugang: Tatsächliche Kenntnisnahme, bevor sie nach den gewöhnlichen Umständen zu erwarten war.
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 1 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Die Kündigung an V wird erst wirksam, wenn mit der Leerung des Briefkastens zu den üblichen Geschäftszeiten des V zu rechnen ist, mithin am 1.2.
Nein, das ist nicht der Fall!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Foxtrot Bravo
25.2.2021, 16:26:18
Rein praxisnah: die Beweislast des fristgerechten Zugangs trägt hier doch der M, demnach müsste er im Zivilprozess beweisen, dass V tatsächlich - gerade nicht normalen Umständen entsprechend - doch noch am späten Abend des 31.1. Kenntnis genommen hat oder?
Speetzchen
25.2.2021, 20:48:32
ja, da hast du Recht !
deliaco
10.1.2024, 23:11:07
Etwas blöde Frage aber: Wie kommt man darauf, dass M hier die Beweislast trägt?
QuiGonTim
28.1.2024, 11:08:24
Es ist ein allgemeiner Grundsatz des Zivilprozessrechts, dass eine Partei die Tatsachenbehauptungen zu beweisen hat, die für sie günstig sind. Würden M und V später beispielsweise über das Bestehen von Mieitzinszahlungsansprüchen des V gegen M streiten, käme es darauf an, bis wann das Mietverhältnis bestanden, mithin ob und wann die Kündigung des M wirksam wurde. Da M daran gelegen ist, dass seine Kündigung noch am 31.01. wirksam wurde, ist die Tatsachenbehauptung, dass V das Kündigungsschreiben noch am 31.01. zur Kenntnis nahm, für M günstig (für V ungünstig). M trägt also die Beweislast.
Leo123!
4.11.2024, 18:20:44
Auch genannt - Rosenberg’sche Formel !
Sirius Black
2.3.2024, 15:56:53
Im Text der Frage hat sich ein kleiner Zahlendreher bezüglich des Datums eingeschlichen. Es müsste sich um den 1.2. handeln, nicht um den 2.1.
Leo Lee
3.3.2024, 18:40:54
Hallo Sirius Black, vielen Dank für den Hinweis! In der Tat hatte sich hier der Fehlerteufel eingeschlichen! Wir haben den Fehler nun korrigiert und möchten uns bei dir vielmals dafür bedanken, dass du uns dabei hilfst, die App zu perfektionieren und freuen und auf weiter Feedbacks von dir! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo
Sternensilber
25.8.2024, 22:08:17
Hier wird gesagt, dass die tatsächliche Kenntnisnahme den Zugang bewirkt, weil das Vertrauen des Empfängers auf die Wirksamkeit der Kündigungserklärung Schutz bedürfe. Hier wird der Empfänger aber gerade benachteiligt, dass er zufälligerweise die viel zu spät eingeworfen Kündigungserklärung noch liest. Die Regel die ihn schützen soll, hilft dem Erklärenden, der die Erklärung zu Unzeit einwirft. Gibt es eine Möglichkeit, dies zu berücksichtigen. Oder ist die Regel absolut?
Timurso
26.8.2024, 13:54:05
Die Regel dürfte relativ absolut sein. Was du hier beachten musst: Der Empfänger ist hier nicht schutzwürdig, da er die Erklärung tatsächlich zur Kenntnis nimmt. Der Grundgedanke des Gesetzes bei Fristen wie dieser ist ja immer, dass der Empfänger mindestens Zeit X zwischen Kenntnis von der Kündigung und Vertragsende haben soll. Da man auch den Verkehrsschutz berücksichtigen muss, wird auf den Machtbereich + gewöhnliche Kenntnisnahme anstatt der tatsächlichen Kenntnisnahme abgestellt. Dies stellt ein Abweichen von der eigentlich erforderlichen Kenntnis zuungunsten des Empfängers dar. Wenn er nun tatsächliche Kenntnis hat, steht er daher besser, als das Gesetz es erfordern würde. Dieser Zeitpunkt ist daher für die Bestimmung des Zugangs vorrangig und wirkt gerade nicht zulasten des Empfängers, der dadurch sicher die gesamte Kündigungsfrist lang Kenntnis von der Willenserklärung hat, was bei den normalen Zugangsregeln dagegen nicht mal der Fall sein muss.