Autorennen – einverständliche Fremdgefährdung
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
T nimmt als Fahrer an einem illegalen Autorennen am Bodensee teil. O steigt in Kenntnis dieses Wettkampfes als Beifahrerin ein. Bei einem hochriskanten Überholmanöver des T prallt der umgebaute VW Golf mit tödlichen Folgen für O gegen einen Baum.
Einordnung des Falls
Autorennen (BGHSt 53, 55 – einverständliche Fremdgefährdung)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Da O sich eigenverantwortlich selbst gefährdet hat, ist der Erfolg dem T nicht objektiv zuzurechnen.
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Nein, das trifft nicht zu!
2. Der Strafbarkeit des T wegen fahrlässiger Tötung (§ 222 StGB) steht die rechtfertigende Einwilligung der O entgegen.
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Nein!
3. Die Tötung oder Verletzung eines anderen Menschen ist stets gerechtfertigt, wenn dieser in diese einwilligt.
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Nein!
4. Es ist aber stets zulässig, in das bloße Risiko des eigenen Todes einzuwilligen.
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Nein, das ist nicht der Fall!
Fundstellen
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Elijah
29.3.2020, 17:54:54
Es liegt doch nah, dass bei einem Autorennen lebensgefährliches passieren kann. Genauso, dass man als Beifahrer nichts ausrichten kann. Trotzdem ist O eingestiegen, in Kenntnis des Rennens. Wieso gilt das nicht als Selbstgefährdung?
Marilena
29.3.2020, 21:14:41
Ja da stimme ich Dir an sich zu. Für die Frage, wer die Gefährdungsherrschaft innehatte, ist aber das unmittelbar zum Erfolgseintritt führende Geschehen maßgeblich. Also nicht das Einsteigen ins Auto, sondern das Geschehen unmittelbar vor sowie ab Beginn des Überholvorgangs. Hierbei hatte ausschließlich der Fahrzeugführer die Herrschaft. Beifahrer waren in diesem Zeitraum dagegen – ohne die Möglichkeit, ihre Gefährdung durch eigene Handlungen abzuwenden – lediglich den Wirkungen des Fahrverhaltens der Fahrer ausgesetzt.
Elijah
29.3.2020, 21:17:24
Ah okay, danke! 😊
lennart20
21.4.2023, 11:46:23
Wie genau gelingt eine Angrenzung von der eigenverantwortlichen Selbstgefährdung zur rechtfertigenden Einwilligung?
JCF
1.5.2023, 15:16:29
Man schaut auf die Tatherrschaft: Liegt die Tatherrschaft beim "Opfer", handelt es sich i.d.R. um eine eigenverantwortliche Selbstgefährdung, sodass bereits der objektive Tatbestand entfällt. Liegt die Tatherrschaft bei einem Dritten, so kann dieser gerechtfertigt sein, wenn das "Opfer" eine wirksame Einwilligung abgegeben hat.
Diaa
27.6.2023, 17:29:36
Irgendwie ist das Ergebnis widersprüchlich. Im vorigen HIV-Fall wurde eine Selbstgefährdung bejaht, doch hier wird eine solche mit dem Arg. abgelehnt, dass der T die alleinige Tatherrschaft über das Überholmanöver besitzt. Doch ich frage mich, wieso hier "der Einstieg ins Auto trotz Kenntnis vom Wettkampfes" nicht als eigene Selbstgefährdung betrachtet wird. Jedem ist bewusst, dass ein, insbesondere illegales, Autorennen gefährliche und in den meisten Fällen tödlich Folgen hat. Vielen Danke für eure Mühe, liebes Fuchs-Team!
Diaa
27.6.2023, 17:30:54
tödliche ***
Nora Mommsen
3.7.2023, 09:56:29
Hallo Diaa, ich verstehe, dass das widersprüchlich erscheint. Wichtig ist aber im Kopf zu behalten, dass es nicht allein auf die Kenntnis von der Gefährdung, sondern auch auf die Tatherrschaft über die letzte Handlung ankommt. Das Opfer gefährdet sich selbst, wenn es selbstgefährdende Handlungen vornimmt oder sich in eine schon bestehende Gefahr hineinbegibt und die Tatherrschaft nicht allein bei dem "Täter" liegt. Bei dem einverständlich vorgenommenen Geschlechtsverkehr aus dem von dir angesprochenen Fall beherrschten beide das Geschehen gemeinsam. Zudem hatte O ebenso Kenntnis wie T von der Infektion. Somit lag keine alleinige Tatherrschaft des T vor. In dem Autorennenfall hatte O zwar auch Kenntnis von dem Rennen, allerdings hatte er keinen Einfluss auf die Fahrweise und Steuerung des Autos. Die Tatherrschaft "über den letzten Akt" lag ganz allein bei T. Somit scheidet eine eigenverantwortliche Selbstgefährdung aus. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team