Fehlender Strafantrag - relative Antragdelikte

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

N zeigt bei der Polizei an, B habe seinen Freund O mehrfach stark geschlagen. O äußert sich dazu nicht. Bei B handelt es sich um einen polizeibekannten Täter. Staatsanwältin S will nun Anklage erheben.

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Einordnung des Falls

Fehlender Strafantrag - relative Antragdelikte

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Da es sich bei § 223 StGB um ein Offizialdelikt handelt, kann S ohne Antrag des O Anklage erheben.

Nein, das trifft nicht zu!

Zu unterscheiden ist zwischen Offizialdelikten und Antragsdelikten. Letztere werden von Rechtsprechung und Ausbildungsliteratur üblicherweise in absolute und relative Antragdelikte aufgegliedert. Offizialdelikte werden von Amts wegen verfolgt; Antragsdelikte, wenn ein Antrag des Verletzten vorliegt oder - im Falle der relativen Antragsdelikte - wenn ein besonderes öffentliches Interesse besteht. Bei § 223 StGB handelt es sich ausweislich § 230 StGB nicht um ein Offizialdelikt. Vielmehr wird § 223 StG nur auf Antrag verfolgt, es sei denn, ein besonderes öffentliches Interesse wird bejaht (= relatives Antragsdelikt). Die Terminologie bei den Antragsdelikten ist nicht einheitlich. In der Literatur wird zum Teil auch zwischen absoluten, bedingten und relativen Antragsdelikten differenziert. Mehr dazu findest Du: hier
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2. S kann hier auch ohne Antrag des O Anklage erheben.

Ja!

Auch wenn kein Strafantrag vorliegt, kann das relative Antragsdelikt des § 223 StGB von Amts wegen verfolgt werden, wenn ein besondere öffentliches Interesse an der Strafverfolgung besteht. Da es sich bei B um einen polizeibekannten Täter handelt, liegt die Bejahung eines besonderen öffentlichen Interesse durch S nahe. Mithin liegen die Voraussetzungen des § 230 StGB vor. Ein Verfahrenshindernis wegen fehlenden Strafantrags besteht nicht.Eine Konkretisierung für das besondere öffentliche Interesse bei Körperverletzungsdelikten findest Du in Nr. 234 RiStBV.Prüfungsaufbau: Anders als bei Fehlen des Antrags bei einem absoluten Antragsdeliktes werden die Prozessvoraussetzungen eines relativen Antragdeliktes regelmäßig erst nach der Tatbestandprüfung thematisiert. Sollte jedoch evident ein besonderes öffentliches Interesse abzulehnen sein, mag es sich allein aus Zeitgründen anbieten, auch in dieser Konstellation noch vor Tatbestandprüfung ein Verfahrenshindernis anzunehmen.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

flari0n

flari0n

13.2.2024, 19:31:19

Liebes Jurafuchs-Team, ich nehme an, dass es euch bewusst ist, aber falls nicht: die Unterscheidung zwischen relativen und bedingten

Antragsdelikte

n, die ihr im StPO-Kurs behandelt, halten nicht alle Aufgaben durch. So wird in diesem Abschnitt die Bezeichnung „relatives AD“ bei einem bedingten AD mal als „falsch“ bezeichnet, in dieser Aufgabe wird dann aber erläutert, es handele sich bei § 223 StGB wegen der Möglichkeit der Verfolgung bei öffentlichem Interesse gem. § 230 StGB um ein relatives AD. Just saying :)

HI

Hille93

8.3.2024, 11:35:29

Guter Hinweis! Das hat mich auch irritiert.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

14.3.2024, 10:37:47

Hallo ihr beiden, vielen Dank für euren Hinweis. Die Differenzierung in absolute, relative und bedingte

Antragsdelikte

(vgl. hierzu folgende Aufgabe: https://applink.jurafuchs.de/AIl6vKAfXHb) wird tatsächlich vor allem in der Literatur vertreten, wohingegen der BGH (vgl. https://openjur.de/u/2117637.html (RdNr. 29)) lediglich zwischen absoluten und relativen

Antragsdelikte

n unterscheidet. Wir werden das angleichen und mit entsprechenden Hinweisen versehen. Aufgrund der Praxis des BGH empfiehlt sich für das Assessorexamen aber tatsächlich die (einfachere) binäre Einteilung, je nachdem ob der Antrag zwingende Strafverfolgungsvoraussetzung ist (=absolut) oder durch das besondere öffentliche Interesse ersetzte werden kann (=relativ). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team


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