Grundfall: Extremfall (Folter)

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Rapper X wird wegen Überfall eines Goldtransporter verurteilt. Um X zur Preisgabe des Verstecks der Beute zu zwingen, setzen die Justizvollzugsbeamten im Rahmen der Haft des X Elektroschocks gegen X ein.

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Einordnung des Falls

Grundfall: Extremfall (Folter)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Sind die Justizvollzugsbeamten verpflichtet, die Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) des X zu achten?

Ja, in der Tat!

Aus dem Wortlaut von Art. 1 Abs. 3 GG folgt, dass die vollziehende Staatsgewalt unmittelbar an die Grundrechte gebunden ist. Die Grundrechte umfassen nach ganz herrschender Ansicht auch die Menschenwürde gemäß Art. 1 Abs. 1 GG.Die Justizvollzugsbeamten gehören zur vollziehenden Staatsgewalt. Sie handeln im Rahmen der Haft dem X gegenüber in dieser Funktion. Sie sind insofern dem X gegenüber unmittelbar an die Grundrechte gebunden und haben dessen Menschenwürde zu achten.Das BVerfG und die ganz herrschende Lehre ordnen die Menschenwürde als Grundrecht ein. Vereinzelte Gegenansichten lehnen jede subjektive Dimension des Art. 1 Abs. 1 GG ab. Die Argumente werden an anderer Stelle des Kurses vertieft.
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2. Der persönliche Schutzbereich der Menschenwürde ist eröffnet.

Ja!

Die Menschenwürde schützt in persönlicher Hinsicht jeden Menschen und damit jede natürliche Person. X ist als natürliche Person vom persönlichen Schutzbereich der Menschenwürde umfasst. Der persönliche Schutzbereich ist somit eröffnet.

3. Ist der sachliche Schutzbereich der Menschenwürde vorliegend eröffnet?

Genau, so ist das!

Nach der Objektformel ist die Menschenwürde betroffen, wenn ein bestimmter Mensch zum Objekt staatlichen Handelns gemacht wird. Dies ist insbesondere der Fall, wenn ein Mensch als vertretbare Größe einer Abwägung oder als bloßes Mittel zum Zweck staatlichen Handelns eingestuft wird X wird mittels der Elektroschocks physisches Leid hinzugefügt. Dies geschieht einzig zum Zweck der Erlangung einer Aussage einer Aussage. X wird insofern zu ebendiesem Zweck zum bloßen Mittel staatlichen Handelns eingestuft. Sein physisches Leid wird dem Zweck nachrangig in Kauf genommen. X wird mithin zum Objekt staatlichen Handelns gemacht. Der sachliche Schutzbereich der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) ist eröffnet. In der konkreten Anwendung der Objektformel haben sich verschiedene Fallgruppen herausgebildet. Hierzu zählt auch die Folter als offenkundiger Fall einer Menschenwürdeverletzung. Bei der hier beschriebenen Verhörmethode mit Elektroschocks handelt es sich um einen Fall von Folter. Die Fallgruppen können dir helfen, ein Gefühl dafür zu entwickeln, ob eine Menschenwürdeverletzung in Betracht kommt. Du wirst die Fallgruppen im weiteren Verlauf des Kurses kennenlernen. In der Klausur solltest du aber immer am konkreten Fall unter die Objektformel subsumieren.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Burumar🐸

Burumar🐸

2.4.2023, 14:38:24

Wäre Art 104 I S 2 hier nicht spezieller? Wie verhält sich die Norm zur Menschenwürde?

kaan00

kaan00

6.1.2024, 11:51:50

!reminder

MO

moritz

22.7.2023, 12:32:47

Xataaaar zu willlddd chrrrrrrrr

DOD

Dodo

9.1.2024, 17:47:54

Bitte gib ihm gute kommentare

Alexandra Sawenko

Alexandra Sawenko

23.4.2024, 09:17:32

Hi, ich habe mehrfach gelesen, dass die Objektsformell erst unter dem Eingriff thematisiert wird und nicht im sachlichen Schutzbereich, wo die Leistungs- und Mitgifttheorie thematisiert werden, da sie Ansätze der positiven Bestimmung des sachlichen Gehalts der Menschenwürde darstellen. Das BVerfG bedient sich jedoch der Objektformel, die dem Begriff negativ über den Eingriff definiert.

QUIG

QuiGonTim

19.6.2024, 14:32:21

Ich habe einmal gelernt, dass es in Menschenwürde-Fällen ratsam sei vom dreistufigen Aufbau (Schutzbereich - Eingriff - Rechtfertigung) abzuweichen und stattdessen etwas freier zunächst zu schildern, dass sich die Menschenwürde nicht sinnvoll positiv bestimmen lasse und sie daher negativ, vom (nicht zu rechtfertigenbden) Eingriff her zu bestimmen sei. Liege ich damit falsch?

LUC1502

luc1502

1.8.2024, 11:54:10

Hu @[QuiGonTim](133054), du liegst überhaupt nicht falsch damit; vielmehr macht auch das BVerfG diese Prüfung aus der Perspektive des "potenziellen Eingriffs" her; du kannst hier quasi "Schutzbereich und Eingriff gleichzeitig prüfen" eben weil sich der Schutzbereich der Menschenwürde positiv kaum bestimmen lässt. Ich hoffe, das hilft dir!

Anwalp

Anwalp

31.8.2024, 16:57:52

Ein weiser Mann sagte mal: "Wer sagt, der krumme Weg war der leichte, labert Scheiße." - Xatar, Lauf der Dinge, Album: Holland Job

Foxxy

Foxxy

2.9.2024, 13:45:09

Hallo Anwalp, vielen Dank für dein Lob! Deine positive Rückmeldung motiviert uns, weiterhin unser Bestes zu geben. Beste Grüße, Foxxy, für das Jurafuchs-Team


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