Erschlichenes Einverständnis: Täuschung unter Verstoß gegen Strafprozessrecht


+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

T hat in einem Strafverfahren gegen den Beschuldigten O die Rolle als verdeckt ermittelnde Polizeibeamtin. Unter Verstoß gegen § 110c S. 2 StPO täuscht sie O darüber, ein strafprozessuales Zutrittsrecht zu Os Wohnung zu haben. Daraufhin gewährt O ihr Einlass.

Einordnung des Falls

Erschlichenes Einverständnis: Täuschung unter Verstoß gegen Strafprozessrecht

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 1 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. T hat die Wohnung "gegen den Willen des Berechtigten betreten" (§ 123 S. 1 StGB).

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Nein!

Gegen den Willen erfordert eine tatsächliche Willensbildung des Berechtigten dahingehend, dem Betreten des Raums durch den Täter nicht zuzustimmen. Ein Einverständnis des Berechtigten schließt bereits die Tatbestandsmäßigkeit des Verhaltens aus. Dies gilt nach h.M. auch für das durch Täuschung (über Motiv oder Absichten) erschlichene Einverständnis, selbst wenn die Täuschung unter Verstoß gegen Strafprozessrecht begangen wurde. § 123 Abs. 1 StGB stellt auf den tatsächlich geäußerten Willen ab, der gegebenenfalls von dem Willen abweichen kann, den der Hausrechtsinhaber gebildet hätte, wenn er alle Umstände gekannt hätte (hypothetischer Wille). O hat sein Einverständnis erklärt, dass T die Wohnung betritt.

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Jurakatze1987

Jurakatze1987

6.8.2020, 11:23:54

Ist der Fall nicht vergleichbar mit dem Dieb, der sich als Beamter ausgibt und dabei eine Sache beschlagnahmt? Man hat darin ja trotzdem einen Diebstahl gesehen, weil das Opfer glaubte zur Duldung der Beschlagnahme verpflichtet zu sein. Wenn T ein Zutrittsrecht vortäuscht liegt der Fall doch eigentlich ähnlich, oder? 🤔

Marilena

Marilena

6.8.2020, 15:39:24

Hallo Jurakatze1987, stimmt, das hört sich auf den ersten Blick nach einem ähnlichen Fall an. Klingt aber eher nach Betrug, oder täusche ich mich? Dass es im Rahmen des § 123 StGB auf den tatsächlich geäußerten Willen ankommt und nicht darauf, wie der wahre Wille ohne Täuschung geäußert worden wäre, ist in jedem Fall die h.M.

Jurakatze1987

Jurakatze1987

6.8.2020, 15:42:54

Ja, das kann schon sein. Aber wenn ein Betrug benötigt eine Verfügungsbefugnis. Ist das Opfer der Meinung, dass es rechtlich keine Wahl hat als herauszugeben, dann ist zwar eine Täuschung, aber es fehlt an der Verfügung, denn derjenige glaubt verpflichtet zu sein, die Sache herauszugeben.

Marilena

Marilena

6.8.2020, 15:55:48

Ja ich hab das gerade nochmal recherchiert, Du hattest das ganz richtig im Kopf. Bei scheinbaren „Beschlagnahmen“ unter Vortäuschung einer Amtsträgereigenschaft liegt nach h.M. nicht nur bei bloßer Duldung der angeblichen Sicherstellung, sondern auch bei Aushändigung der Sache durch das Opfer vor.

Marilena

Marilena

6.8.2020, 15:56:32

*liegt nach h.M. Wegnahme nicht nur bei...

Jurakatze1987

Jurakatze1987

6.8.2020, 15:59:09

Demnach muss das bei einer Vortäuschung eines Zutrittsrechts ähnlich liegen, denn der entgegenstehende Wille ist ja bei § 123 StGB wie bei § 242 StGB Tatbestandsmerkmal.

Marilena

Marilena

6.8.2020, 16:03:03

Ich finde Deine Überlegungen sehr schlüssig und lesenswert. Aber ich gehe davon aus, dass es unterschiedlich liegt. Denn ich hab mir dieses Fallbeispiel nicht ausgedacht, es steht so (oder ganz ähnlich) in jedem gängigen Kommentar und Lehrbuch.

Jurakatze1987

Jurakatze1987

6.8.2020, 16:13:51

https://www.lecturio.de/magazin/tathandlung-wegnahme-2/. Ja kann schon sein. Aber irgendwie finde ich es halt verwirrend.

Jurakatze1987

Jurakatze1987

5.8.2021, 15:52:44

Also bei mir klappt die Verlinkung. Da geht es um Probleme von § 242. Hab es eben nachgeprüft


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