Referendariat: Prozessrecht & Klausurtypen
Die Revisionsklausur im Assessorexamen
Begründetheit I: Vorliegen der Verfahrensvoraussetzungen
Eröffnungsbeschluss - Nachholung in der Hauptverhandlung
Eröffnungsbeschluss - Nachholung in der Hauptverhandlung
17. April 2025
10 Kommentare
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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
A wird vor der großen Strafkammer angeklagt. Sie ist mit zwei Berufsrichtern und zwei Schöffen besetzt (§ 76 Abs. 2 GVG). Zu Beginn der mündlichen Hauptverhandlung ergeht ein Eröffnungsbeschluss in dieser Besetzung. As Verteidiger rügt den Beschluss als fehlerhaft, verhandelt aber zur Sache. Gegen die Verurteilung legt er Revision ein.
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Einordnung des Falls
Eröffnungsbeschluss - Nachholung in der Hauptverhandlung
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Nach der Rspr. hat As Revision schon deshalb Erfolg, weil der Eröffnungsbeschluss erst in der Hauptverhandlung gefasst wurde.
Nein!
Jurastudium und Referendariat.
2. Nach einer teilweise vertretenen Ansicht ist die Nachholung des Eröffnungsbeschlusses in der Hauptverhandlung generell unzulässig.
Genau, so ist das!
3. Die notwendige Ladungsfrist ist vorliegend nicht eingehalten (§§ 216 Abs. 1 S. 1, 217 Abs. 1 StPO). Kann A hierauf ihre Revision stützen?
Nein, das trifft nicht zu!
4. As Revision hat aber Erfolg, da der Eröffnungsbeschluss in falscher Besetzung gefasst wurde.
Ja!
5. Da ein Verfahrenshindernis vorliegt, verweist das Revisionsgericht das Verfahren zurück.
Nein, das ist nicht der Fall!
Fundstellen
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Anonym
3.7.2024, 08:39:18
Ich verstehe nicht ganz, warum die Ladungsfrist hier „natürlich“ nie eingehalten werden kann, wenn der Eröffnungsbeschluss erst in der HV beschlossen wird. Sind Ladung und Eröffnungsbeschluss dieselbe Sache? Wie kann dann ohne Ladung überhaupt ein Termin stattfinden, zu dem der Angeklagte erscheint? Vielleicht könnte das in der Aufgabe noch klargestellt werden.
Entenpulli
29.7.2024, 09:05:58
§ 215 S. 1 StPO: "Der Beschluß über die Eröffnung des Hauptverfahrens ist dem Angeklagten spätestens mit der Ladung zuzustellen." Ich vermute daher, dass diese Frsit und nicht die in § 217 StPO gemeint ist.
jurafuchsles
9.10.2024, 10:15:11
Es ist die Frist in § 217 gemeint, da § 215 darauf verweist (mit der Ladung zuzustellen) und zwischen der Zustellung der Ladung und der Hauptverhandlung eine Woche liegen muss.

vulpes iuris
26.10.2024, 16:36:39
Den folgenden Absatz verstehe ich nicht: „Dem Zweck, dem Angeklagten die Belastung eines Prozesses zu ersparen, wird durch die Ablehnung (§
204 StPO) mehr Rechnung getragen, als durch die Einstellung. Denn diese müsste in einer neuen Verhandlung ausgesprochen werden.“ Der Schlüssel zum Verständnis mag sich im vorangehenden Absatz verbergen, aber auch den fand ich schon nicht ganz einfach — und beim etwas abrupten (?) Übergang zum zitierten Text habe ich leider völlig den Faden verloren. Kann jemand eine Verbindung knüpfen oder den Kontext erhellen?

2cool4lawschool
4.2.2025, 15:18:26
Hey @[vulpes iuris](261497), dachte mir dasselbe! Warschl. ist damit gemeint, dass die Möglichkeit, den EB erst in der Verhandlung nachzuholen, nicht zwingend eine Verschlechterung für den Angeklagten darstellt, weil er ja immer noch durch §
204 StPOgeschützt ist. Ohne den EB befindet man sich ja noch nicht "offiziell" im Hauptverfahren, weil es formal noch nicht eröffnet wurde. Vielleicht liege ich hier auch falsch.. @[Sebastian Schmitt](263562) @[Lukas_Mengestu](136780): könnt ihr hier weiterhelfen?

Sebastian Schmitt
8.2.2025, 16:44:36
Hallo @[vulpes iuris](261497), vielen Dank für den Hinweis und @[2cool4lawschool](265024) für die Erinnerung. In der Tat mussten wir hier sprachlich etwas nachbessern. In der Sache geht es um Folgendes: Gehen wir mal davon aus, die An
klageschriftist "OK" (
Umgrenzungsfunktion+ Informationsfunktion gegeben) und wir nehmen an, wir könnten den Eröffnungsbeschluss (nachfolgend der Einfachheit halber: EB) nicht (!) nachholen. Dann würden wir vorläufig einstellen, einen EB fassen und wieder von vorne starten, inklusive einer neuen (!) öffentlichen Hauptverhandlung. Das alles ausgehend davon, dass wir womöglich ohnehin schon in der ersten Hauptverhandlung sitzen. Der Zweck des EB, so die Rspr, sei bei ordnungsgemäßer An
klageschrifteher formaler Natur, solle nämlich dem Angeklagten lediglich die Belastung einer Hauptverhandlung in solchen Fällen ersparen, in denen an dem Vorwurf der StA nichts dran ist (= kein
hinreichender Tatverdacht, §§ 170 I, 203 StPO). Wenn aber klar sei, dass sich das Gericht mit dem Anklagevorwurf ohnehin in der Sache befassen muss, weil eben
hinreichender Tatverdacht(+), und zusätzlich die An
klageschriftOK ist, sei dem Angeklagten mit einer vorübergehenden Einstellung des Verfahrens kaum geholfen. Sie führe, wie oben gezeigt, zu einer weiteren öffentlichen Hauptverhandlung und der fehlende EB könne zwar nicht nachgeholt werden, sehr wohl könne aber ein neuer EB ergehen. Der Angeklagte könnte von seinem Recht aus §§ 217 II, 218 StPO
Gebrauch machen, wird aber ohnehin häufig mit der Fortführung des Verfahrens einverstanden sein. Vor diesem Hintergrund ist die Rspr eben pragmatisch und sagt, dass wir dann auch grds zulassen können, dass der EB einfach nachgeholt wird (zum Ganzen KK-StPO/Schneider, 9. Aufl 2023, § 207 Rn 21). Wir haben das jetzt sprachlich in der Aufgabe konkreter gefasst. Diesen Thread hier lasse ich zur Vertiefung mal stehen. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team