Umfang des Strafantrags

21. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A wird wegen Diebstahls (§ 242 StGB) von Waren (Wert: 20 Euro) in einem Kaufhaus in Tateinheit mit Hausfriedensbruch (§ 123 StGB) verurteilt. Das Kaufhaus stellte auf einem mit „Diebstahls-Protokoll” überschriebenen Formular wirksam Strafantrag „wegen Diebstahls”. Darin steht auch, dass A bereits Hausverbot hatte.

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Einordnung des Falls

Umfang des Strafantrags

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Betrifft der Diebstahl geringwertige Sachen, handelt es sich um ein absolutes Antragsdelikt (§ 248a StGB).

Nein, das trifft nicht zu!

Der Diebstahl geringwertiger Sachen (§§ 242, 248a StGB) stellt ein relatives Antragsdelikt dar. Der Strafantrag kann also auch durch die Bejahung des besonderen öffentlichen Interesses ersetzt werden. Geringwertigkeit liegt vor, wenn der Verkehrswert der Waren zur Tatzeit zumindest unter 25 Euro liegt. Die genaue Wertgrenze darüber ist in der Rechtsprechung umstritten. Da vorliegend der Strafantrag im Hinblick auf den Diebstahl unproblematisch vorliegt, wäre es falsch, in der Klausur die Bejahung des besonderen öffentlichen Interesses zu erörtern. Dies spielt nur eine Rolle, wenn ein Strafantrag nicht vorliegt oder zurückgenommen wurde. Dazu später mehr.
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2. Beim Hausfriedensbruch handelt es sich um ein absolutes Antragsdelikt (§ 123 Abs. 2 StGB).

Ja!

Gemäß § 123 Abs. 2 StPO wird der Hausfriedensbruch nur auf Antrag verfolgt. Durch die Bejahung des besonderen öffentlichen Interesses kann der Strafantrag hier also nicht ersetzt werden. Liegt kein Strafantrag vor, der sich auf den Hausfriedensbruch erstreckt, ist das Urteil in der Revisionsinstanz aufzuheben und das Verfahren im Hinblick auf den Hausfriedensbruch einzustellen (§ 354 Abs. 1 StPO).

3. Das Kaufhaus hat wirksamen Strafantrag lediglich im Hinblick auf den Diebstahl gestellt, nicht aber für den Hausfriedensbruch.

Nein, das ist nicht der Fall!

§ 77 Abs. 1 StGB spricht von der „Tat” im Sinne des § 264 Abs. 1 StPO. Dies ist der gesamte historische Vorgang, der nach natürlicher Auffassung einen einheitlichen Lebensvorgang darstellt. Im Zweifel umfasst ein gestellter Antrag also die gesamte Tat. Eine rechtlich falsche oder nicht erschöpfende Bewertung des Geschehens durch den Antragssteller ist unschädlich, außer der Strafantrag ist auf einzelne Delikte beschränkt. Das ist durch Auslegung des Antrags zu ermitteln. Es handelt sich um eine prozessuale Tat. Eine Beschränkung ist nicht ersichtlich. Das Kaufhaus nahm in das Formular den Vermerk auf, dass A bereits Hausverbot wegen Diebstahls hatte. Es wies die Strafverfolgungsbehörden also sogar ausdrücklich auf den über den Diebstahl hinausgehenden Unrechtsgehalt des Verhaltens des A hin.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

ri

ri

10.3.2024, 23:30:59

Kleiner Hinweis - jedenfalls für die Berliner im Ref - : Die Unterscheidung zwischen bedingt und relativ wird in der Ausbildung nicht vorgenommen und ist teilweise bei den Ausbildern komplett unbekannt. Der BGH verwendet für Delikte, bei denen Antrag oder öffentliches Interesse ausreichen als "relative"

Antragsdelikte

(vgl. BGH, Beschluss vom 20.04.2017 - 2 StR 79/17, RdNr. 24 - https://openjur.de/u/2117637.html - zu § 230 I 1 StGB) , daran würde ich mich orientieren. Also statt drei Begriffen (bedingt, relativ und absolut) nur zwei verwenden (relativ i.S.v. auch Bezug zum öffentlichen Interesse und absolut i.S.v. losgelöst vom öffentlichen Interesse).

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

14.3.2024, 12:10:36

Hi Ri, vielen Dank für den guten Hinweis! Die Terminologie bei den

Antragsdelikte

n ist leider nicht einheitlich. Während der BGH und die Praxis tatsächlich lediglich eine binäre Unterteilung in

absolute und relative Antragsdelikte

vornehmen, wird in der (Kommentar-)Literatur zum Teil zwischen absoluten, bedingten und relativen

Antragsdelikte

n differenziert (bzw. statt "bedingtes

Antragsdelikt

" auch noch andere Begrifflichkeiten verwendet). Da das Assessorexamen ein Praktikerexamen ist, haben wir uns aber entschieden, auf diese Unterscheidung nur noch im allgemeinen StPO Kurs einzugehen (vgl. https://applink.jurafuchs.de/AIl6vKAfXHb). Denn auch in den anderen Bundesländern ist die binäre Einteilung tatsächlich gebräuchlicher. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team


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