Gewöhnliche Verwendung, § 434 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BGB
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
K produziert Vogelfutter. Sie kauft bei V eine Abfüllmaschine. In der Auftragsbestätigung gibt V an, die Maschine schaffe "bis zu 40 Tüten/Minute". K möchte 20 Tüten/Minute abfüllen. Nach Lieferung stellt K fest, dass die Maschine nicht mal das schafft. Zum Verpacken nach industriellen Maßstäben ist sie aber grundsätzlich geeignet.
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Einordnung des Falls
Gewöhnliche Verwendung, § 434 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BGB
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Die Verpackungsmaschine hat einen Sachmangel, da sie von der vereinbarten Beschaffenheit" abweicht (§ 434 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB).
Nein!
Jurastudium und Referendariat.
2. Ein Sachmangel kann sich subsidiär auch daraus ergeben, dass sich die Kaufsache nicht für die „nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung“ eignet (§ 434 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB).
Genau, so ist das!
3. Die Verpackungsmaschine hat einen Sachmangel, da sie sich nicht für die „nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung“ eignet (§ 434 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB).
Nein, das trifft nicht zu!
4. Die Verpackungsmaschine hat einen Sachmangel, da ihr die Eignung für die „gewöhnliche Verwendung“ fehlt (§ 434 Abs. 1, Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BGB)
Nein!
Jurastudium und Referendariat.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Ehrenmanntheorie
2.4.2022, 13:05:04
Würde man in diesem Fall dann aber einen Mangel nach § 434 III S. 1 Nr. 2b annehmen können?
Lukas_Mengestu
6.4.2022, 12:53:07
Hallo kläschen, § 434 Abs. 3 S. 1 Nr. 2b BGB passt auf diese Konstellation letztlich nur bedingt, da es hier um öffentliche Äußerungen geht. Äußerungen eines Verkäufers zählen darunter nur dann, wenn diese außerhalb der Verkaufsgespräche erfolgen. Denn ansonsten liegt bereits eine
Beschaffenheitsvereinbarungnach § 434 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB vor. Selbst wenn man darunter subsumieren wollte, müsste man fragen, ob die Aussage "bis zu" einen Schluss auf eine bestimmte Mindestmenge zulässt. Dies hat der BGH im Hinblick auf die
Beschaffenheitsvereinbarunggerade verneint. Gleiches müsste insoweit auch für § 434 Abs. 3 S. 1 Nr. 2b BGB gelten. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Kübra
25.12.2023, 22:50:07
Hallo :) ich wollte fragen, wie es sich auf die gewöhnliche Verwendung bzw. auf die
übliche Beschaffenheitauswirkt, wenn die gesamte Gattung der Sache genau denselben Mangel hat. Danke :))
Jan
26.12.2023, 18:19:58
Ich glaube, das ist dann ähnlich wie bei den Dieselskandal-Fällen. Es wird eine mangelfreie Vergleichsgruppe herangezogen, also der Begriff der Gattung wird dann glaube ich ausgedehnt.
DerChristoph
26.1.2024, 11:29:54
Hallo zusammen, unabhängig vom Schwerpunkt des Falles: Wie wirkt sich denn der Zeitpunkt der Äußerung aus? Hier wurde ja die Aussage zur Leistungsfähigkeit der Maschine erst in der Auftragsbestätigung getätigt, also NACH Vertragsschluss. Dadurch dürfte die Angabe ja ohnehin nicht vertragswesentlich sein, oder? Vielleicht anders dargestellt: Ich kaufe ein Auto ohne Angabe zur Farbe, der Verkäufer sagt in der Auftragsbestätigung, dass es schwarz sei und liefert dann ein weißes Auto. Ist das dann ein kaufrechtlicher Sachmangel? Eigentlich nicht, oder?
Leo Lee
27.1.2024, 18:02:48
Hallo DerChristoph, vielen Dank für diese sehr gute Frage! In der Tat wurden hier Angaben zur Leistungsfähigkeit erst in der Auftragsbestätigung getätigt. Beachte allerdings, dass allerdings in Fällen der Auftragsbestätigung (i.Ü. auch bei automatischen „Replies“) MIT DIESEN Bestätigungen der Vertrag zustande kommt (dies gilt insb. für Onlineshops). Einen Fall bzgl. dieses Themenkreises findest du i.Ü. hier: https://applink.jurafuchs.de/liKwV71jGGb! I.Ü. kann ich dir hierzu die Lektüre von MüKo-BGB 9. Auflage, Busche § 147 Rn. 4 sehr empfehlen :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo
Natze
16.2.2024, 16:04:23
ich verstehe nicht warum der Verkäufer bei Datenangaben soweit schutzbedürftig wirkt, dass seine falschen Angaben nicht beachtlich sind? er gibt eine Laufleistung an, unterschreitet sie evident und nicht nur manchmal. Gerade in diesem Fall sind ja die Verkäuferangaben unstreitig vorhanden. Die würde ich dann auch subjektiv mit einfließen lassen. Geschweige denn sie im objektiven Mangel an der „Öffentlichkeit“ scheitern zu lassen. wo macht es den Unterschied, wenn ein Autohändler mit 300ps wirbt und effektiv aber 50 ps maximal möglich sind. würde doch auch jeder aufschreien. wer kann mich aufklären?
Philip Karbus
14.4.2024, 12:20:48
Der Frage schließe ich mich gerne an. Vor allen Dingen stellt sich mir die Frage, wo die Grenze zu ziehen ist. Wenn es nun auf die Abfüllgeschwindigkeit gerade ankommt, weil zur Produktivitätssteigerung eine weniger leistungsfähige Maschine ausgetauscht werden soll, dann will der Käufer doch gerade subjektiv diese Beschaffenheit vereinbaren...