Sachmangel: Übliche Beschaffenheit, § 434 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 BGB – Tiere mit Abweichungen vom physiologischen Idealzustand


mittel

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Neues Kaufrecht 2022
Pferde

K kauft von V für €7.000 eine Stute zur Nutzung als Reitpferd. Nach Übergabe stellt der Tierarzt einen Befund der Röntgenklasse III fest. In Röntgenklasse III fallen „Befunde, die deutlich von der Norm abweichen, bei denen klinische Erscheinungen in Zukunft aber trotzdem wenig wahrscheinlich sind." Das Pferd hat derzeit keine Symptome. Der Markt reagiert auf solche Befunde mit Preisabschlägen von 25%.

Einordnung des Falls

Sachmangel: Übliche Beschaffenheit, § 434 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 BGB – Tiere mit Abweichungen vom physiologischen Idealzustand

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Stute hat einen Sachmangel, da sie von der„vereinbarten Beschaffenheit“ abweicht (§ 434 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB).

Nein!

Eine Kaufsache muss zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs den subjektiven Anforderungen entsprechen (§ 434 Abs. 1 BGB). Hierzu gehört die vereinbarte Beschaffenheit (§ 434 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB). Anhaltspunkte zur Bestimmung der Beschaffenheit ergeben sich aus § 434 Abs. 2 S. 2 BGB. Eine Vereinbarung liegt vor, wenn der Verkäufer in vertragsgemäß bindender Weise die Gewähr für das Vorhandensein einer Eigenschaft der Kaufsache übernimmt und damit seine Bereitschaft zu erkennen gibt, für alle Folgen des Fehlens dieser Eigenschaft einzustehen. V und K haben keine bestimmte Beschaffenheit zu den körperlichen Merkmalen des Tieres oder zur Einordnung seiner Befunde in eine bestimmte Röntgenklasse vereinbart (RdNr. 18).§ 434 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB n.F. entspricht dem bis zum 31.12.2021 geltenden § 434 Abs. 1 S. 1 BGB a.F.

2. Die Stute hat einen Sachmangel, da da ihr die Eignung für die „im Vertrag vorausgesetzte Verwendung“ fehlt (§ 434 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB).

Nein, das ist nicht der Fall!

Auf eine nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung (§ 434 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB) kommt es an, wenn keine Beschaffenheit vereinbart ist (§ 434 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB). In beiden Fällen handelt es sich um ein subjektives Kriterium. Für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung genügt eine konkludente Übereinstimmung der Parteien. V und K haben vereinbart, dass sich die Stute als Reitpferd eignen müsse. Diese Eignung war im Zeitpunkt des Gefahrübergangs gegeben. BGH: Eine nur geringe Wahrscheinlichkeit, dass bei einem Fortschreiten der sogenannten Röntgenveränderung klinische Symptome auftreten, reiche nicht aus, um für den maßgeblichen Zeitpunkt des Gefahrübergangs die Eignung als Reitpferd auszuschließen (RdNr. 19).§ 434 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB n.F. entspricht dem bis zum 31.12.2021 geltenden § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BGB a.F.

3. Die Stute hat einen Sachmangel, da ihr die übliche und erwartbare Beschaffenheit fehlt (§ 434 Abs. 1, Abs. 3 S. 1 Nr. 2b BGB).

Nein, das trifft nicht zu!

BGH: Entscheidend sei nicht, welche Beschaffenheit der Käufer (oder Markt) tatsächlich erwarte und wie er auf eine hiervon abweichende Beschaffenheit reagiere (Preisabschläge). Maßgeblich sei die objektiv berechtigte Käufererwartung. Bei Tieren gehöre nicht zur üblichen Beschaffenheit, dass sie physiologischen Idealnormen entsprächen. Abweichungen und damit verbundene Risiken für die spätere Entwicklung des Tieres seien geradezu typisch. Preisabschläge, die darauf zurückzuführen seien, dass der Markt bei der Preisfindung von einer besseren als der tatsächlich üblichen Beschaffenheit von Sachen gleicher Art ausginge, begründeten keinen Mangel (RdNr. 25f.). Die Entscheidung erging noch unter Geltung des bis zum 31.12.2021 geltenden § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2, S. 3 BGB a.F. (jetzt: § 434 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 + 2 BGB)

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ALE

Alex1.Sem

11.6.2020, 13:29:30

Wäre schön, wenn im Sachverhalt stehen würde, wie lange nach der Übergabe die Röntgenaufnahmen geschahen.

Christian Leupold-Wendling

Christian Leupold-Wendling

11.6.2020, 15:16:09

Hi Alex, warum?

frausummer

frausummer

23.1.2021, 11:27:18

Verstehe ich das richtig, dass die Käuferin keinerlei Rechte hat und nicht mal um die 25% Abschlag den Kaufpreis mindern könnte?

Speetzchen

Speetzchen

24.1.2021, 21:44:13

ja, da kein Sachmangel vorliegt. ☺

BECK

Becksi

11.2.2023, 09:19:29

Im Sachverhalt steht, dass der Befund deutlich von der Norm abweicht. Heißt das nicht, dass ein solcher Befund üblicherweise nicht vorliegt und das Pferd damit nicht die Beschaffenheit aufweist, die bei "Sachen" derselben Art üblich ist?

Nora Mommsen

Nora Mommsen

11.2.2023, 12:04:50

Hallo Becksi, für alles andere als Tiere ist das absolut richtig. Jetzt ist es so, dass Tiere Lebewesen sind und der BGH daher andere Anforderungen daran stellt. Vielmehr kann der Käufer nicht erwarten, dass eine Idealbeschaffenheit gegeben ist - denn die Entstehung ist eher eine Laune der Natur. Daher sind gerade solche Abweichungen, die keine physiologischen Erscheinungen nach sich ziehen werden in der Regel noch "üblich", auch wenn sie von der Norm abweichen. Der Käufer kann eben nicht erwarten, dass ein Tier in jeder Hinsicht der Norm entspricht. Gerade zu Pferdekäufen gibt es eine extensive Rechtsprechung, insb. auch des OLG Hamm. Da es (wie meistens) auf den Einzelfall ankommt, lohnt es sich sicherlich sich nochmal mit unterschiedlichen Fällen auseinanderzusetzen, um ein Gespür dafür zu bekommen. Vergleiche z.B. NJW 2020, 2879, mit weiteren Nachweisen. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

BECK

Becksi

11.2.2023, 13:21:27

Danke Nora!

SAB

Sascha B.

30.8.2023, 10:44:21

Warum wird in der Frage auf § 434 III 1 Nr.2b verwiesen? Es lag doch keine öffentliche Äußerung vor?

LEA

Lea

12.9.2023, 10:42:12

Wenn im Sachverhalt stehen würde, dass das Pferd eine hoch seltene Krankheit hätte, die nur in 1 von 100.000 Fällen auftritt, würde man dann einen Sachmangel bejahen können ?


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