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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

F kauft bei Händler H eine gebrauchte Vase und eine neue Tischdecke, um ihre Wohnung zu dekorieren. In den AGB des H steht, dass die Gewährleistung des für alle verkauften Gegenstände, ob neu oder gebraucht, ausgeschlossen ist.

Einordnung des Falls

Verhältnis zu § 307 BGB

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Klausel verstößt hinsichtlich der Tischdecke gegen § 309 Nr. 8 b) lit. aa) BGB.

Ja!

§ 309 Nr. 8 b) BGB findet auf Verträge über die Lieferung neu hergestellter Sachen und über Werkleistungen Anwendung. Die Norm schützt die kauf- und werkvertraglichen Mängelgewährleistungsrechte, indem der Ausschluss und zahlreiche aufgeführte Beschränkungen des Nacherfüllungsanspruchs ausgeschlossen werden. Nach § 309 Nr. 8 b) lit. aa) BGB sind Ausschlüsse der Gewährleistungsrechte und Verweise auf Dritte unwirksam. Der Vertrag über die Tischdecke ist ein Kaufvertrag über die Lieferung neu hergestellter Sachen, sodass § 309 Nr. 8 b) BGB Anwendung findet. Die Klausel schließt die Gewährleistungsrechte der F aus, sodass sie gegen § 309 Nr. 8 b) lit. aa) BGB verstößt und damit unwirksam ist.

2. Die Klausel verstößt hinsichtlich der Vase gegen § 309 Nr. 8 b) lit. aa) BGB.

Nein, das ist nicht der Fall!

Im Gegensatz zu § 309 Nr. 8 a) BGB, gilt das Klauselverbot des § 309 Nr. 8 b) BGB nur für Kauf- und Werkverträge. Bei Kaufverträgen muss es sich zusätzlich um neu hergestellte Sachen handeln. Dies erklärt sich daraus, dass gebrauchte Sachen mängelanfälliger sein können und eine Begrenzung der Sachmängelhaftung berechtigt sein kann. Der Vertrag über die Vase stellt kein Vertrag über die Lieferung neu hergestellter Sachen dar, da die Vase gebraucht ist. § 309 Nr. 8 b) lit. aa) BGB findet daher keine Anwendung.

3. Damit die Klausel hinsichtlich der Tischdecke unwirksam ist, müsste diese auch gegen § 307 BGB verstoßen.

Nein, das trifft nicht zu!

Grundsätzlich ist § 307 BGB als Generalklausel der AGB Kontrolle neben den Klauselverboten des § 309 und § 308 BGB zu prüfen. Kommt man allerdings zu dem Ergebnis, dass eine Klausel schon wegen Verstoßes gegen § 309 BGB unwirksam ist, ist dieses Ergebnis endgültig. Eine anschließende Prüfung des § 307 BGB kann daher nicht dazu führen, dass die Klausel im Ganzen angemessen und doch wirksam ist. Die Klausel verstößt bereits gegen § 309 Nr. 8 b) lit. aa) BGB, sodass diese unwirksam ist. Eine Prüfung des § 307 BGB erübrigt sich hinsichtlich der Tischdecke.

4. Die Klausel könnte hinsichtlich der Vase gegen § 307 BGB verstoßen.

Ja!

Ist eine Klausel nicht an §§ 308, 309 BGB zu messen oder inhaltlich nicht zu beanstanden, ist nachfolgend die Generalklausel des § 307 BGB zu prüfen. Eine nach §§ 308, 309 BGB wirksame Klausel kann daher trotzdem unwirksam sein, wenn sie nach § 307 BGB den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt. Die Klausel verstößt hinsichtlich der Vase nicht gegen § 309 Nr. 8 b) lit. aa) BGB, da die Norm nicht auf den Kauf von gebrauchten Sachen Anwendung findet. Die Klausel könnte aber gegen § 307 BGB verstoßen, wenn sie die F entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt.

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MEMA

Method Man

27.11.2021, 07:49:09

Liebes Jurafuchs-Team, die Lösung irritiert mich etwas. Müsste die Klausel nicht auch beim Kaufvertrag über die Vase gem. § 309 BGB unwirksam sein? Wenn der Verwender die Klausel so offen formuliert, dass sie auch "verbotene" Fälle erfasst, ist die Klausel dann nicht in allen Fällen unwirksam? Hier ist sie ja auch nicht sprachlich teilbar, mit dem Blue-Pencil-Test käme man also auch nicht weiter. Vielen Dank im Voraus :)

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

29.11.2021, 10:47:43

Absolut berechtigter Hinweis. In der Tat war das Beispiel etwas unglücklich gewählt, da eine unteilbare Klausel auch dann unwirksam ist, wenn sie nur im Hinblick auf einen Teil ihres Anwendungsbereiches gegen ein Klauselverbot verstößt. Insoweit gilt das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion. Wir haben den Sachverhalt insoweit ergänzt, als dass die Klausel nun explizit neue und gebrauchte Gegenstände umfasst. Insoweit ließe sich im Rahmen des blue pencil Test die Unwirksamkeit der Klausel allein für die neuen Sachen feststellen. In einem zweiten Schritt bliebe aber dann dennoch die Prüfung des § 307 BGB im Hinblick auf den Gewährleistungsausschluss bei gebrauchten Sachen. Dieser stellt aber in der Regel keine unangemessene Benachteiligung dar. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

MEMA

Method Man

29.11.2021, 11:03:03

Sehr gut, vielen Dank :)

QUIG

QuiGonTim

17.10.2023, 07:52:29

Liebes Jurafuchs-Team, in einem anderen Kommentar wurde der Blue-Pencil-Test angeführt. Könntet ihr erläutern, was das ist und wie man ihn (wahrscheinlich zur Bestimmung der Teilbarkeit einer Klausel) anwendet?

SO

Solange

8.7.2024, 15:56:57

Die Frage hat sich vielleicht schon erledigt, aber hier nochmal ein BGH-Zitat dazu: Die inhaltliche Trennbarkeit einer Klausel und damit die Möglichkeit ihrer Zerlegung in einen inhaltlich zulässigen und einen inhaltlich unzulässigen Teil ist immer dann gegeben, wenn der unwirksame Teil der Klausel gestrichen werden kann, ohne dass der Sinn des anderen Teils darunter leidet (sog. blue-pencil-test); ob beide Bestimmungen den gleichen Regelungsgegenstand betreffen, ist dabei unerheblich (BGH, Urteil vom 10. Oktober 2013 – III ZR 325/12, NJW 2014, 141 Rn. 14 m.w.N.) Ich verstehe es so, dass die Frage ist, ob man die Worte in der unzulässigen Klausel wegstreichen kann, ohne dass die Klausel komplett unverständlich wird.


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