Beweisperson – Sachverständige
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Der T schickt seiner Ex-Frau F einen mit dem Gift Anthrax gefüllten Brief. F verstirbt an der Vergiftung. Das Gericht beauftragt den mit der F befreundeten Rechtsmediziner R mit der Klärung des Todesfalls und lädt ihn zur Hauptverhandlung.
Einordnung des Falls
Beweisperson – Sachverständige
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. R ist Sachverständiger.
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Genau, so ist das!
2. R kann den Auftrag des Gerichts ablehnen.
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Nein, das trifft nicht zu!
3. T kann den R wegen Befangenheit ablehnen.
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Ja!
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Helena
30.3.2022, 20:39:55
Gibt es kein Gutachtenverweigerungsrecht (beziehungsweise auch Zeugnisverweigerungsrecht) Aus persönlichen Gründen oder sogar aus Grundrechtlich geschützten Gründen? Ich finde es moralisch etwas zweifelhaft, wenn das Gericht wirklich jemanden zwingen könnte, einen verstorbenen Freund Aufschneiden zu müssen, wie es beim Rechtsmediziner der Fall wäre.

Lukas_Mengestu
1.4.2022, 14:30:42
Hallo Helena, ein Verweigerungsrecht besteht grds. erst einmal nur in den nach §§ 52-53a StPO genannten Fällen. Ein darüber hinausgehender Verweigerungsgrund wegen persönlichen Gründen, besteht nicht. Allerdings kann der Sachverständige nach § 76 Abs. 1 S. 2 StPO von seiner Pflicht entbunden werden. Dies kommt insbesondere bei Überlastung oder im Falle einer besonderen Härte wie zB hohes Alter in Betracht (Hadmitzky, in: KK-StPO, 8.A. 2019, § 76 RdNr. 4). Vor diesem Hintergrund könnte jedenfalls eine Entbindung erfolgen. Zudem wäre im vorliegenden Fall die Begutachtung ohnehin im Hinblick auf die mögliche Befangenheit ausgeschlossen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Im🍑nderabilie
22.1.2023, 15:09:43
Wäre nicht gerade bei der erhöhten Gefährlichkeit von Milzbranderregern an ein Gutachtenverweigerungsrecht zu denken? Das kann ja nicht von jedem x-beliebigen Sachverständigen verlangt werden.. Die erhöhte Gefährlichkeit von Anthrax erfordert ja auch (sogar nur bei Verdacht) eine gewisse Laborsicherheitsstufe, welche nicht gerade häufig anzutreffen ist

Nora Mommsen
25.1.2023, 14:34:28
Hallo Imponderabilie, danke für deine Frage. Grundsätzlich entsteht für den Gutachter durch die Ernennung eine Pflicht zu Erstattung des Gutachtens. Dies ergibt sich aus § 75 Abs. 1 StPO. Der Sachverständige hat die gleichen Verweigerungsrechte die auch Zeugen zustehen, § 76 Abs. 1 i.V.m. § 52-53a StPO. Darüber hinaus kommt eine Entbindung von der Begutachtungspflicht gem. § 76 Abs. 1 S. 2 StPO in Betracht. Diese Entbindung wegen Unzumutbarkeit liegt in der Ermessung des Gerichts. Die besondere Härte kann sich insbesondere aus hohem Alter, Krankheit und Überlastung sowie wegen erwiesener Ungeeignetheit, mangelnder Sachkunde, erkennbarer Befangenheit, auch wenn kein dahingehender Antrag gemäß § 74 gestellt wird, sowie Unfähigkeit oder Unwilligkeit das Gutachten zeitnah zu erstatten ergeben. Sollte es also an einer Laborsicherheitsstufe mangeln ist dies natürlich ein Grund befreit zu werden, genauso wie mangelnde Fachkenntnis bezüglich des Gefahrenstoffes. Die Gefährlichkeit des in Frage stehenden Erregers hingegen nicht per se. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

Im🍑nderabilie
26.1.2023, 13:21:04
Super, vielen Dank für die ausführliche Antwort!