Zivilrecht

Deliktsrecht

§ 832 BGB

Kleines Kind im Straßenverkehr

Kleines Kind im Straßenverkehr

21. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Vater V spaziert mit seiner 2-jährigen Tochter T durch Berlin. Wenn sie Straßen überqueren, nimmt er T an die Hand; auf dem Bürgersteig nicht. Als T auf dem Bürgersteig gehend auf der anderen Straßenseite ein Eichhörnchen sieht, sprintet sie sofort los und wird auf der Straße von Autofahrer A angefahren. Dabei wird ein Scheinwerfer am Auto des A beschädigt.

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Einordnung des Falls

Kleines Kind im Straßenverkehr

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. T hat als aufsichtsbedürftige Person eine widerrechtliche unerlaubte Handlung begangen (§ 823 Abs. 1 BGB).

Genau, so ist das!

Der Aufsichtsbedürftige muss widerrechtlich eine unerlaubte Handlung im Sinne der §§ 823ff. BGB begangen haben. T ist als Minderjährige aufsichtsbedürftig, V hat als Vater die Aufsichtspflicht inne (§§ 1626, 1631 Abs. 1 BGB). T hat durch das Sprinten auf die Straße adäquat kausal und widerrechtlich das Auto (Eigentum) des A beschädigt (§ 823 Abs. 1 BGB). Auf ein Verschulden kommt es – wie bei § 831 Abs. 1 BGB – nicht an.
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2. V haftet für die widerrechtliche Schädigung durch T, wenn er sich nicht exkulpieren kann (§ 832 Abs. 1 S. 2 BGB).

Ja, in der Tat!

Hat der Aufsichtsbedürftige einen anderen widerrechtlich geschädigt, ist die Haftung des Aufsichtspflichtigen nur dann ausgeschlossen, wenn er sich exkulpieren kann (§ 832 Abs. 1 S. 2 BGB). Dafür muss er beweisen, (1) dass er seiner Aufsichtspflicht nachgekommen ist (§ 832 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 BGB) oder (2) dass die Aufsichtspflichtverletzung für den Schaden nicht ursächlich war (§ 832 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB). Der Aufsichtspflichtige muss also wie bei § 831 BGB die Verschuldensvermutung oder die Kausalitätsvermutung widerlegen.

3. V kann sich exkulpieren, obwohl er die 2-jährige T nicht konstant an der Hand gehalten hat.

Ja!

OLG Saarbrücken: Ein Erziehungsberechtigter sei nicht dazu verpflichtet, sein 2-jähriges Kind ständig an der Hand zu halten, wenn dieses auf einem Bürgersteig neben einer befahrenen Straße gehe. Das Kind sei nur in besonderen Gefahrensituationen an die Hand zu nehmen. Denn die Entwicklung des Kindes würde beeinträchtigt, wenn das Kind seine neu erlernten Fähigkeiten nicht trainieren dürfte. Außerdem könne ein Kind dieses Alters gar nicht ständig an der Hand gehalten werden, da es sich dem Zwang ununterbrochener Gefangenschaft an der Hand mit allen ihm möglichen Mitteln zu entziehen versuchen würde.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Tigerwitsch

Tigerwitsch

7.2.2021, 23:49:30

Wieso kann sich der Vater exkulpieren? Könnt ihr bitte noch eine Erklärung anfügen? Danke :)

GI

GingerCharme

8.2.2021, 11:53:55

Das 2-Jährige Kind, hat gerade erst eigene Freiheit durch die Fähigkeit zu Laufen gewonnen und fördert nun seine Entwicklung und Eigenständigkeit durch Exploration der Welt. Diese Eigenständigkeit würde ihm genommen, wenn es pauschal immer an der Hand gehalten werden müsste, quasi "menschlich angeleint würde", dass Kind würde mit allen Mitteln dem Zwang entgehen wollen. Ausnahme sind konkret gefährliche Situationen, wie zum Beispiel das Überqueren von Straßen. Interessant sind mMn auch die Ausführungen ob und wie schnell die 2-Jährige gerannt ist (auch laut Gutachter/Zeuge) oder hätte rennen können(1,5 m/sec oder 2 m/sec), dies war wichtig für die Frage der Abwendbarkeit des Unfalls - bereitet irgendwie ein Schmunzeln beim lesen.

Tigerwitsch

Tigerwitsch

8.2.2021, 11:56:00

Dankeschön :) Ich verstehe. Da werde ich mir mal die Entscheidung durchlesen 😉

Marilena

Marilena

9.2.2021, 12:37:59

Danke Euch beiden für den Hinweis auf den fehlenden Antworttext und danke für Deine tolle Erklärung, GingerCharme! Wir haben den fehlenden Text jetzt ergänzt. Danke für die Mithilfe! Liebe Grüße für das Jurafuchs-Team, Marilena


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