Zivilrecht
Sachenrecht
Vindikation & Eigentümer-Besitzer-Verhältnis
Normalfall Verwendungsersatzanspruch des verklagten oder bösgläubigen Besitzers (§ 994 Abs. 2 BGB i.V.m. GoA)
Normalfall Verwendungsersatzanspruch des verklagten oder bösgläubigen Besitzers (§ 994 Abs. 2 BGB i.V.m. GoA)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Dieb D lässt eine defekte Bremse an dem gestohlenen Rad für €50 reparieren. Kurz darauf verlangt Eigentümer E von D das Fahrrad heraus.
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Einordnung des Falls
Normalfall Verwendungsersatzanspruch des verklagten oder bösgläubigen Besitzers (§ 994 Abs. 2 BGB i.V.m. GoA)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Es bestand eine Vindikationslage.
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. Bei der Reparatur der Bremsen handelt es sich um eine notwendige Verwendung.
Genau, so ist das!
3. D hat daher gegen E einen Anspruch auf Ersatz der notwendigen Verwendungen nach § 994 Abs. 1 S. 1 BGB.
Nein, das trifft nicht zu!
4. Auch der bösgläubige Besitzer kann teilweise Ersatz für notwendige Verwendungen verlangen.
Ja!
5. D hat gegen E einen Anspruch auf Verwendungsersatz nach §§ 994 Abs. 2, 683 S. 1, 670 BGB.
Genau, so ist das!
6. Entspricht die Verwendung nicht dem Interesse und Willen des Eigentümers, besteht kein Anspruch auf Verwendungsersatz.
Nein, das trifft nicht zu!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Fuchsfrauchen
18.1.2023, 21:30:10
Es kommt mir schon sehr absurd und realitätsfremd vor, meinen Dieb auch noch zu belohnen. Auch wenn reparierte Bremsen prinzipiell in meinem Sinne sind, wird der Dieb ausschließlich egoistisch gehandelt haben.🙄
Doppelte Verfassungsunmittelbarkeit
19.2.2023, 16:24:05
Das Gefühl teile ich. Was ist denn die gesetzgeberische Intention hinter der Regelung in § 994 Abs. 2 BGB?
Edward Hopper
23.2.2023, 14:21:12
Sehe ich auch so. Würde hier schon im Interesse des Eigentümers verneinen. Ich kann nicht was stehlen und gleichzeitig so tun als ob ich im Interesse des Eigentümers umbaue. Würde über 812 auf 817 kommen, Dieb darf nicht davon ausgehen dass er
Verwendungenzuruckkriegt
Edward Hopper
23.2.2023, 14:21:35
Bzw gibt es da ein Urteil
InDubioProsecco
10.6.2023, 11:28:46
Da es um
notwendige Verwendungengeht, liegt m . E. nahe, dass es um den Erhalt wirtschaftlichen Wertes geht. Wenn auch dem Bösgläubigen ein Anspruch auf
Verwendungsersatzzusteht, erhält dieser die Sache eher. Ist aber nur ein educated guess.
Quarklo
19.7.2024, 09:29:07
Das Zivilrecht ist nicht dafür da, Leute zu bestrafen, wie man auch am Schadensersatz sieht. Folglich ist es konsequent, beim Eigentümer das abzuschöpfen, was er durch den Dieb erlangt hat. Der Eigentümer wird ausreichend über die
Entreicherungund ggf. die
Grundsätze der aufgedrängten Bereicherunggeschützt
jc1909
1.2.2023, 11:23:43
Scheitert es bei der GoA nicht am Fremdgeschäftsführungswillen? Der Dieb wollte das Fahrrad ja vermutlich für sich behalten und daher auch die Reparatur eigennützig durchführen…
Paul
1.2.2023, 15:17:00
Hallo jc1909, eine sehr gute Frage. Hierbei ist eine Trennung zwischen vollständigem und partiellem Rechtsgrundverweis notwendig. Würde man einen vollständigen Rechtsgrundverweis annehmen, so wäre deine Anmerkung zutreffend. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass die heute ganz hm. im § 994 II BGB nur einen partiellen Rechtsgrundverweis sieht(vgl. Lösungsanmerkungen, BeckOK BGB/Fritzsche BGB § 994 Rn. 59, MüKoBGB/Raff BGB § 994 Rn. 43). Entscheind ist hierbei das Argument, welches auch schon deiner Frage zu Grunde liegt. Würde man den Fremdgeschäftsführungswillen nicht ausklammern, so liefe die Vorschrift für den Eigenbesitzer leer (BeckOK BGB/Fritzsche BGB § 994 Rn. 59). Das stellt aber gerade den typischen Fall des § 994 II dar (Staudinger/Thole (2019) Vorbemerkung zu §§ 994 ff Rn. 44) . Wenn du weitere Nachweise zu den Mindermeinungen finden möchtest, welche einen Rechtsfolgenverweis oder vollständigen Rechtsgrundverweis annehmen, dann kannst du auch hier „Staudinger/Thole (2019) Vorbemerkung zu §§ 994 ff Rn. 44“ nachschauen.
ajboby90
22.1.2024, 01:19:08
Wieso ist die Antwort auf die letzte Frage "stimmt nicht"? Wenn die Verwendung gegen ausdr. oder mtm. Willen des E geschieht, ist man doch bei der aufgedrängten Bereicherung, wonach kein Anspruch besteht?
david1234
19.2.2024, 18:37:22
Die
aufgedrängte Bereicherunginnerhalb des Rechtsfolge des
Bereicherungsrechts zu prüfen, also eine Stufe danach.
ajboby90
21.11.2024, 07:59:06
Paulah
4.12.2024, 04:59:33
Bei der aufgedrängten Bereicherung ist der Wert zu ersetzen, aus dem der Bereicherte subjektiv einen Nutzen ziehen kann. Die reparierten Bremsen sind für E ein subjektiver Nutzen - ohne Bremsen könnte er das Fahrrad nicht nutzen. Deshalb hat D einen Anspruch auf
Wertersatz.
Sebastian Schmitt
27.12.2024, 18:47:45
Hallo @[ajboby90](222400), Interesse/Wille des Eigentümers und
aufgedrängte Bereicherungsind keine stets deckungsgleichen Konzepte, dafür soll diese Frage sensibilisieren. Du hast insofern Recht, als wir bei einem subjektiven Verständnis der aufgedrängten Bereicherung oft einen Gleichlauf zwischen der Frage des Willens und der aufgedrängten Bereicherung haben werden. Zwingend ist das aber eben nicht. Im Einzelnen: Der Wille iSd §§ 684 S 1, 683 S 1 BGB ist subjektiv zu bestimmen und kann zB auch irrational sein. Fehlt es am Willen, liegen die Voraussetzungen des § 683 S 1 BGB selbst dann nicht vor, wenn das (objektiv zu bestimmende) Interesse gegeben ist (Hk-BGB/Fries, 12. Aufl 2024, § 683 Rn 7). Ob die
aufgedrängte Bereicherunganschließend (insoweit ist der Hinweis von @[david12
34](229145) völlig richtig) objektiv oder subjektiv (so die wohl hL) zu bestimmen ist, wird zunächst nicht ganz einheitlich beurteilt und Details sind ziemlich str (näher MüKoBGB/Schwab, 9. Aufl 2024, § 818 Rn 229 ff). Selbst das subjektive Verständnis der aufgedrängten Bereicherung heißt allerdings nicht zwingend, dass es allein auf den früheren Willen des Eigentümers ankommt. Beispiel: Baut der unberechtigte Besitzer auf dem Grundstück des Eigentümers ein Haus, mag das dem wirklichen Willen des Eigentümers zum Zeitpunkt der Verwendungsvornahme widersprechen, sodass es an den Voraussetzungen des § 683 S 1 BGB fehlt. Akzeptiert der Eigentümer aber dann letztlich das Haus dennoch und vermietet es, lässt sich durchaus vertreten, dass der Besitzer einen Anspruch auf
Verwendungsersatzhat und wir es nicht mit einer aufgedrängten Bereicherung zu tun haben (Beispiel von Dauner-Lieb/Langen/Prinz von Sachsen Gessaphe, BGB SchuldR, 4. Aufl 2021, § 812 Rn 108). @[Paulah](135148) zeigt zuletzt mit ihrem Beispiel, dass
notwendige Verwendungenhäufig sowohl dem Willen und Interesse des Eigentümers entsprechen werden, auch wenn selbst das nicht zwingend ist. Bei sonstigen
Verwendungenmüssen wir ohnehin genauer hinschauen. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team
StellaChiara
26.2.2024, 14:07:37
Der Geschäftsherr wäre hier aber bereichert, weil er eigene Aufwendungen hinsichtlich der Bremse eingespart hätte, oder?
Quarklo
19.7.2024, 09:30:20
Ja genau und ebendiese werden abgeschöpft
paulmachtexamen
10.12.2024, 14:02:31
Warum findet denn durch 994 II nicht der 687 II Anwendung? Schließlich erfordert die
angemaßte Eigengeschäftsführungauch keinen FGW?
Findet Nemo Tenetur
6.1.2025, 21:16:16
Vielleicht weil es vom Anspruchsziel nicht direkt passt, überlege ich gerade. Hier wollen wir ja Aufwendungsersatz für den Geschäftsführer. § 687 II gewährt zwar dem Geschäftsführer in S. 2 den Anspruch aus § 684 S. 1, allerdings ist Voraussetzung dafür die Geltendmachung der Ansprüche durch den Geschäftsherrn aus S. 1. Deshalb vielleicht einfach direkt in § 684 S. 1
antonia2406
21.12.2024, 14:00:32
Wie wäre der Fall denn zu beurteilen, wenn ich anstatt
notwendige Verwendungennützliche Verwendungen
habe? Wird der § 994 II dann analog angewendet oder besteht dann keine Ersatzpflicht?