Zivilrecht

Deliktsrecht

§ 823 Abs. 1 BGB

Baumschulen-Fall (Beweislast für erlaubte Eigentumsverletzung)

Baumschulen-Fall (Beweislast für erlaubte Eigentumsverletzung)

14. Dezember 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

B bittet Gärtner G, Bäume auf einem Weg seiner Baumschule zu fällen. G fällt alle Bäume am Wegesrand. Später behauptet B, dass er G nur beauftragt habe, die Bäume links vom Weg zu fällen. G bestreitet das. Der Sachverhalt ist nicht aufklärbar.

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Einordnung des Falls

Baumschulen-Fall (Beweislast für erlaubte Eigentumsverletzung)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. B und G haben einen Dienstvertrag (§ 611 BGB) geschlossen über das Fällen der Bäume.

Nein, das trifft nicht zu!

Bei einem Dienstvertrag verpflichtet sich der Schuldner, eine gewisse Handlung durchzuführen (§ 611 Abs. 1 BGB). Damit schuldet er allein die Leistungshandlung. Bei einem Werkvertrag ist der Schuldner dazu verpflichtet, ein Werk herzustellen (§ 631 Abs. 1 BGB). Damit schuldet er einen Leistungserfolg. G sollte Bäume fällen. Das Fällen der Bäume stellt einen Leistungserfolg dar. Somit besteht zwischen B und G ein Werkvertrag.
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2. B kann gegen G einen vertraglichen Schadensersatzanspruch wegen Fällung der Bäume am rechten Wegesrand durchsetzen (§ 280 Abs. 1 i.V.m. § 241 Abs. 2 BGB).

Nein!

Eine Pflichtverletzung (§ 280 Abs. 1 BGB) ist erforderlich. Diese muss der Anspruchsgläubiger auch beweisen. Die Pflichtverletzung könnte darin liegen, dass G die Bäume auf der rechten Wegseite gefällt hat, ohne dass dies vom Werkvertrag gedeckt war. Darin läge eine Verletzung der sonstigen Rechtsgüter des B (§ 241 Abs. 2 BGB). Es ist jedoch nicht aufklärbar, ob der Werkvertrag das Fällen aller Bäume umfasst hat. B kann die Pflichtverletzung nicht beweisen. In Betracht kommen allein deliktische Schadensersatzansprüche. Während der Gläubiger die Pflichtverletzung beweisen muss, muss der Schuldner das Vertretenmüssen (§ 280 Abs. 1 S. 2 BGB) widerlegen.

3. G hat das Eigentum des B verletzt (§ 823 Abs. 1 BGB).

Genau, so ist das!

Eine Eigentumsverletzung kann erfolgen durch (1) Sachentziehung, (2) wirksame Verfügung eines Nichtberechtigten, (3) Beeinträchtigung der Sachsubstanz oder (4) Beeinträchtigung des Sachgebrauchs. Eine Substanzverletzung liegt vor, wenn eine zunächst intakte Sache körperlich zerstört oder beschädigt wird. Die Bäume stehen im Eigentum des B. G hat die Bäume in ihrer Sachsubstanz verletzt, indem er sie gefällt hat. Damit hat er das Eigentum des B verletzt.

4. Die Eigentumsverletzung des G erfolgte rechtswidrig (§ 823 Abs. 1 BGB).

Ja, in der Tat!

Nach der h.M. gilt jedenfalls für unmittelbare Verletzungshandlungen, dass sie die Rechtswidrigkeit indizieren (Lehre vom Erfolgsunrecht). Eine eigene Feststellung der Rechtswidrigkeit verlangt die Rspr. bei der Verletzung von Rahmenrechten (Allgemeines Persönlichkeitsrecht, Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb) und bei mittelbaren Verletzungshandlungen. Das Fällen der Bäume ist eine unmittelbare Verletzungshandlung. Die Rechtswidrigkeit wird indiziert.

5. G hat die rechtswidrige Eigentumsverletzung schuldhaft begangen.

Nein!

Der Schädiger hat Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten (§ 276 Abs. 1 S. 1 BGB). Vorsatz ist ein wissentliches und willentliches Herbeiführen des tatbestandsmäßigen und rechtswidrigen Erfolgs. Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Schädiger diejenige Sorgfalt außer Acht lässt, die von einem Angehörigen des Verkehrskreises in der jeweiligen konkreten Situation erwartet wird. G verletzte wissentlich und willentlich das Eigentum des B. Er nahm jedoch irrig eine Einwilligung des B an. Dies könnte einen Fahrlässigkeitsvorwurf begründen. Es ist jedoch nicht aufklärbar, ob G beim Vertragsschluss die Sorgfalt außer Acht ließ, die zu erwarten war. Die Beweislast liegt bei B.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

JURA

Jurapro

12.11.2020, 21:07:47

In dem Fall hat sich ein Fehler eingeschlichen. Dort steht G verletzte willentlich und wissentlich das Eigentum des G. Es ist also zweimal von G die Rede. Wieso liegt die Beweislast bei B? Ich dachte sie läge bzgl. des Vertretenmüssen grds. beim Schädiger.

Eigentum verpflichtet 🏔️

Eigentum verpflichtet 🏔️

12.11.2020, 21:35:28

Hallo Karotti, danke für den aufmerksamen Hinweis, haben wir korrigiert. Zum Thema Beweislast: Grundsätzlich hat jeder die sich für ihn positiv auswirkenden

Tat

sachen zu beweisen. Im Falle des

§ 280 Abs. 1 S. 2 BGB

findet aber eine

Beweislastumkehr

bzgl. des Vertretenmüssens s

tat

t ("Dies gilt nicht..."), sodass dort der Schuldner (Schädiger) beweisen muss, dass er die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. Im Rahmen des § 823 Abs. 1 BGB muss der Gläubiger jedoch beweisen, dass der Schädiger die

Eigentumsverletzung

zu verschulden hat ("Wer vorsätzlich oder fahrlässig..."). LG ;)

DO

Dominic

15.7.2023, 16:12:07

Jetzt steht dort, dass G eine Einwilligung des G annahm. Dort müsste aber stehen, dass G eine Einwilligung des B annahm. Ich glaube dann müsste auch der nachfolgende Satz geändert werden.

🦊LEXD

🦊LEXDEROGANS

22.2.2021, 18:33:34

Könnte nicht eine den Tb. von § 823 Abs. 1 ausschließende Einwilligung vorgelegen haben, wenn der SV gerade nicht aufzuklären war?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

10.12.2021, 14:01:53

Hallo LEXDEROGANS, das Vorliegen einer solchen Einwilligung stellt für G aber einen günstigen Umstand dar, den er zu beweisen hat. Wenn ihm dies nicht gelingt, dann wird dennoch zu seinen Lasten entschieden. Beste Grüße, Lukas- für das Jurafuchs-Team

EVA

evanici

11.9.2023, 15:36:04

Die

Tat

sache, dass G und nicht B die

Rechtswidrig

keit widerlegen (G) bzw. beweisen (B) müssten, hängt dann ausschließlich mit der L

ehre

vom Erfolgsunrecht zusammen, oder? An sich wäre das ja auch eine für den Gläubiger positive Anspruchsvoraussetzung, würde sie vorliegen, die er grundsätzlich beweisen müsste, aber durch die Indikation der

Rechtswidrig

keit wird sie de facto dem Schuldner "aufgebürdet".

Dogu

Dogu

23.9.2023, 10:07:27

Über den Punkt bin ich auch gestolpert. Vielleicht könnte der Text insoweit noch näher ausgebaut werden?

JURAFU

Jurafuchs

21.2.2024, 12:01:20

In der letzten Folie steht, dass die Beweislast bei B liegt bezüglich des Vorliegen einer Einwilligung des B. Das stimmt nicht ganz. Die Beweislast, bezüglich einer Einwilligung zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses liegt bei G, weil es für ihn ein begünstigender Umstand ist. Ein kurzer Schlusssatz wäre mir persönlich sehr hilfreich gewesen, dass der Anspruch durchgeht, weil G die Einwilligung nicht beweisen kann.

TI

Timurso

22.2.2024, 10:57:35

Das ist aber falsch. Der Anspruch geht nicht durch. Das Verschulden ist anspruchsbegründend und muss von B bewiesen werden. Eine non liquet Entscheidung geht zulasten des B, nicht zulasten des G. Auch wenn es natürlich für G günstig wäre, wenn er nachweisen könnte, dass ihn (wegen einer angenommenen Einwilligung) kein Verschulden trifft, bleibt das Verschulden eine für den B günstige "

Tat

sache".


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